Ennepe-Süd. Eine Recherche der ARD deckt auf, wie viel Geld im Amateurfußball gezahlt wird. Wir haben uns in Schwelm, Ennepetal und Gevelsberg umgehört.

Der Präsident taucht auf einmal beim Training auf, in der Hand hält er ein paar Briefumschläge. Während der Trainingsbetrieb weiterläuft, verschwinden immer wieder einzelne Spieler mit leeren Händen in die Kabine und kommen mit einem der Briefumschläge wieder – schnell in die Sporttasche damit. Weiter geht’s. Eine Szene, die tatsächlich im Amateurfußball immer wieder vorkommt. In einer großen Recherche der ARD haben Journalisten aufgedeckt, wie viel Schwarzgeld im Amateursport fließt. Aber wie genau halten sich die Vereine in Ennepetal, Schwelm und Gevelsberg eigentlich an die gesetzlichen Vorschriften? Wir haben uns mit 28 Spielern, Trainern und Funktionären über das Thema unterhalten.

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In der gemeinsamen Recherche der Sportschau und des Recherchezentrums „Correctiv“ wurden über 10.000 Fußballer unterhalb der Profiligen befragt. Ein Großteil gab dabei an, dass er schon einmal Geld, Sachwerte oder Dienstleistungen im Gegenzug für ein sportliches Engagement bei einem Verein erhalten habe. Umso tiefer es geht, desto höher werden die Beträge.

30.000 Euro in zehn Jahren verdient

„Wenn du das Glück hattest und mal höher gespielt hast, brauchst du eigentlich nichts zu machen. Die Vereine kommen auf dich zu“, sagt ein Insider aus der Szene, der namentlich nicht genannt werden möchte. Verständlich, denn er selbst verdiente nach eigener Aussage rund 30.000 Euro in seinen zehn Jahren zwischen der fünftklassigen Oberliga und zehntklassigen Kreisliga B. „300 Euro sind dabei ein Durchschnittswert“, sagt er. Bei manchen seiner Stationen seien es durchaus mehr gewesen, teilweise bis zu 500 Euro pro Monat – für ein Mal die Woche Training und ein Spiel am Wochenende.

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Wer mal in einer höheren Liga gespielt hat, wird oft als Heilsbringer verpflichtet. „In der Regel habe ich in der Kreisliga B mehr bekommen als in der Oberliga“, sagt unser Insider. Umso höher es in den Ligen gehe, desto geregelter sind die Finanzen in den Vereinen. „Ich bin zum ersten Mal damit in Kontakt gekommen, als ich in die Kreisliga gewechselt bin. Auf einmal standen No-Name-Spieler vor der Tür und haben die Hände aufgehalten. Ich habe dann zum ersten Mal erlebt, wie dreckig das Geschäft ist“, berichtet Fußballtrainer Dirk Henning.

Höhe bleibt oft ein Geheimnis

Generell gäbe es kaum einen Spieler in den heimischen Kreisligen, der nicht zumindest bis zur gesetzlich festgelegten Summe von 250 Euro entlohnt werde. Alles was darüber hinaus gezahlt werde, gäbe es dann unter der Hand. Gesprochen werde innerhalb der Mannschaften weniger über das Thema Geld. Jeder versuche daraus ein Geheimnis zu machen, welches im Laufe der Zeit dann doch irgendwann ans Licht kommt. Spätestens dann, wenn ein Spieler ein Angebot von einem anderen Verein annimmt, das auf den ersten Blick außergewöhnlich erscheint. „Wenn du hörst, dass ein Spieler aus der Westfalenliga in die Kreisliga wechselt, kannst du in der Regel davon ausgehen, dass er dafür auch reichlich entlohnt wird“, so unser Insider.

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Dass solche finanziellen Verbindlichkeiten nicht immer erfolgreich sind, wirke sich auch bei den bezahlten Spielern schon einmal negativ aus. „Es ist auch eine Verpflichtung für dich, wenn du Geld bekommst. Wenn du dann nicht so lieferst, wie es von dir erwartet wird, ist das schon eine gewisse Drucksituation“, meint unser Insider. Für Marc Schulte vom TuS Ennepetal sind die Zahlungen an Kreisliga-Spieler ohnehin ein Unding. „Ich finde die Summen pervers. Das ist eine exklusive Situation im Fußball. In keiner anderen Sportart kann ich mir das vorstellen. Das Ganze ist aus dem Ruder gelaufen.“

Eigengewächse bekommen oft wenig

Spieler, die in einem Verein ausgebildet wurden und anschließend in die eigene Herrenmannschaft wechseln, stehen laut unserer Nachfrage bei Spielern, Trainern und Vereinen in der Region oft am ärmsten da. Wenn diese Eigengewächse etwas bekommen, dann nur einen kleinen, obligatorischen Betrag. In der Kabine sitzen sie dann aber teilweise mit Spielern, die sich mehrere hundert Euro pro Monat einstreichen – für den gleichen Aufwand. „Für die ist das natürlich schwierig“, sagt unser Insider. Quintessenz: Wer aus einem kleinen Verein kommt und nicht höherklassig spielt, der verdient auch in den kommenden Jahren nicht so viel, wie andere Kreisliga-Kicker.

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In der Sportschau-Reportage „Milliardenspiel im Amateurfußball“ geht es aber nicht nur um geldliche Aufwendungen für ein Engagement bei einem Fußballverein. Auch Sach- und Dienstleistungen werden immer wieder als Gegenleistung für sportliche Dienste erbracht. Unser Insider erinnert sich unter anderem an einen ausgebauten Dachstuhl eines ehemaligen Mitspielers, der unentgeltlich durch einen Gönner seines damaligen Vereins gebaut wurde.

Winter-Transfers sind oft am teuersten

Neben den Wechseln von Spielern, die bereits mal höherklassig gespielt haben und plötzlich in den Kreisligen auftauchen, seien laut unseren Informationen vor allem Wechsel in der Winterpause einer Spielzeit besonders oft mit hohen Zahlungen an die Fußballer verbunden. Stehe eine Mannschaft nicht dort, wo der Geldgeber eines Vereins das gerne hätte, werde eben noch schnell einmal das Portemonnaie geöffnet.

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Beim Fußball-Oberligisten TuS Ennepetal wird im finanziellen Bereich transparent gearbeitet. Entsprechend groß war das Ärgernis von Thomas Riedel, Sportlicher Leiter beim TuS und seit mehreren Jahrzehnten im „Geschäft“ Fußball unterwegs, über die Pauschalisierung von Amateurfußballern. „Für mich ist das eine schlechte Recherche, da wird eine pauschalisierte Aussage getätigt, die so nicht der Realität entspricht“, so der Sportliche Leiter. Die Zusammenarbeit seines Vereins mit dem Finanzamt funktioniere einwandfrei.