Wolfsburg/Gevelsberg. DFB-Kapitänin Alexandra Popp aus Gevelsberg blickt exklusiv auf die frauenfeindliche Beleidigung von Heiko Vogel und die folgende Strafe.
Das Echo in Deutschland und in den Medien war und ist groß. Nachdem Heiko Vogel als Trainer des Fußball-Regionalligisten Borussia Mönchengladbach U23 wegen frauenfeindlicher Äußerungen vom Westdeutschen Fußballverband verurteilt wurde und ein Teil der Strafe ein Training im Frauenfußball sein sollte, platzte den Fußballerinnen um Alexandra Popp aus der ersten und zweiten Bundesliga der Kragen. Die Kapitänin der Nationalmannschaft und des VfL Wolfsburg, die beim FC Silschede viele Jahre als Mädchen in gemischten Mannschaften mit Jungs kickte, nahm sich für ein Interview Zeit zwischen Landung in Ungarn und erstem Training. Denn Popp und der VfL Wolfsburg spielen am Mittwoch in Budapest das Hinspiel im Viertelfinale der Champions League gegen den Chelsea FC.
Alexandra Popp, wie haben Sie von den frauenfeindlichen Beleidigungen des Trainers Heiko Vogel – „Frauen haben im Fußball eh nichts zu suchen!“ – sowie dem folgenden Urteil erfahren? Wie war die erste Reaktion?
Alexandra Popp: Aus den Medien habe ich erfahren, was passiert ist. Wir haben zunächst innerhalb der Mannschaft, dann mit Spielerinnen weiterer Mannschaften darüber diskutiert und schließlich überlegt, wie wir reagieren können.
Sie und die Spielerinnen der ersten und zweiten Bundesliga haben den Offenen Brief, den 600 Spielerinnen unterzeichnet haben, verfasst. Was war der Anstoß Ihrer Initiative dazu?
Zuerst muss ich sagen, dass es nicht meine Eigeninitiative war. Viele Spielerinnen wie beispielsweise Almuth Schult haben entscheidend mitgewirkt. Ich stehe im Fokus der Berichterstattungen aufgrund meiner Position als Kapitänin der Nationalmannschaft. Zusammen haben wir überlegt, dass wir die frauenfeindliche Beleidigung und das Urteil so nicht stehen lassen können. Die Reaktionen in den sozialen Medien waren überwiegend positiv.
Michael van Osten, der wie Sie vom FC Silschede kommt, meint, dass der Offene Brief auch dazu dient, das Thema einer breiteren Öffentlichkeit zugänglich zu machen. War das auch eine Ihrer Intentionen?
Ja, das ist ein Teil unserer Intention. Uns ist es aber auch wichtig, dass viele erfahren, was uns bewegt, wie wir uns damit fühlen. Ich habe es auf Instagram geschrieben, dass wir Spielerinnen uns beleidigt fühlen.
Was sagt der Vorgang Ihrer Meinung generell über unsere Gesellschaft aus?
Ich finde, dass diese Äußerungen im Jahr 2021 einfach nicht sein dürfen. Allerdings zeigen sie auch, dass eine latente Frauenfeindlichkeit in der Gesellschaft existiert.
Haben Sie selbst frauenfeindliche Aussagen erlebt?
Persönlich nicht, mir hat keine Person derartiges gesagt. Ich will aber nicht ausschließen, dass es beispielsweise in den sozialen Medien eine frauenfeindliche Tendenz gibt. Das finde ich sehr, sehr schade. Das ist kein schönes Gefühl.
Als Mädchen haben Sie beim FC Silschede in gemischten Mannschaften mit Jungs gespielt. Gab es Ihrer Erinnerung nach bereits Sprüche, die sie als Fußballerin diskriminiert haben?
Das ist einige Jahre her, aber es gab schon Situationen. Wenn ich Jungs mehrfach ausgespielt habe, haben Eltern reingerufen, die Jungs sollten mich umtreten, sie sollten sich von einem Mädchen nichts gefallen lassen. Das habe ich damals nicht als frauenfeindlich zur Kenntnis genommen, dazu war ich zu jung. Aber rückblickend ist das schon schlimm gewesen.
Bedeutet das, dass Frauenfeindlichkeit im Fußball schon früh bei Jungs, später bei Männern verinnerlicht wird?
Ja, das hat viel mit dem Umfeld zu tun. Wenn Eltern derartiges rufen, ist diese Entwicklung nicht verwunderlich. Da muss gegengesteuert werden. Allerdings muss ich auch dazu sagen, dass meiner Einschätzung nach der Frauenfußball und der Frauensport überhaupt mehr Anerkennung finden. Wenngleich es immer noch Auswüchse gibt, die nicht zu tolerieren sind. Es scheint mir immer wieder Phasen zu geben, so wie jetzt, wo das Thema diskutiert werden muss. Wir müssen generell die Toleranz gegenüber Mitmenschen vorantreiben. Das ist auch eine Sache der inneren Einstellung.
Eine Forderung in dem Offenen Brief war eine Reaktion des Verbandes, also des Deutschen Fußballbundes. Die Vize-Präsidentin Hannelore Ratzeburg hatte bereits reagiert, sie hat sowohl die Beleidigung als auch die „Teilstrafe“ scharf verurteilt. War das als Reaktion genug?
Das war gut. Aber wir wollten auch, dass die DFB-Spitze mit Präsident Fritz Keller dazu Stellung bezieht, weil es eine grundsätzliche Angelegenheit ist. Es ist ein Thema, das breit diskutiert werden muss. Wir hatten am Montagmittag ein Telefonat mit ihm. Das war ein sehr, sehr guter Austausch. Es zeigt, dass wir und der DFB am Ball bleiben müssen. Er hat uns die volle Unterstützung zugesagt. Auch, dass das Urteil überdacht werden soll, begrüßen wir.
Irgendwann wird Ihre Karriere als aktive Fußballerin beendet sein. Können Sie sich vorstellen, im Fußball weiterhin als Trainerin oder als Funktionärin zu arbeiten, um dort auch in Zukunft das Thema Gleichberechtigung zu platzieren?
Das Thema wird mich sicher weiter beschäftigen, ich werde weiter um Toleranz kämpfen. Auch gegen die Homophobie. Wie es mit mir nach einer aktiven Fußball-Karriere weiter geht, das weiß ich nicht. Um das zu sagen, ist es einfach zu früh.
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