Schwelm. . Das findet man selbst in der NBA kaum: Kapitän Khartchenkov gelingen sechs Dreier in Folge. Das ist beeindruckend.

Eigentlich müsst es sich inzwischen rumgesprochen haben, dass man den 34-jährigen Shooting-Forward nicht heißlaufen lassen sollte. Bereits bei seinen früheren Arbeitgebern, zum Beispiel in der Bundesliga, hatte Nikita Khartchenkov den Ruf eines extrem starken Dreier-Werfers. Anscheinend hatten die Basketballer des ETV Hamburg am vergangenen Samstag das nicht bedacht. Sechs erfolgreiche Dreipunktwürfe hintereinander, davon fünf im ersten Viertel in viereinhalb Minuten, mit denen er die 15 Punkte im ersten Spielabschnitt im Alleingang für sein Team quittierte – das war die überragende Ausbeute in den ersten zehn Minuten. So eine Serie mit 18 aufeinanderfolgenden Punkten ist selbst für den erfahrenen Ex-Nationalspieler kein alltägliches Erlebnis. Erst im zweiten Viertel trugen sich auch andere Spieler der EN Baskets Schwelm ins Scoringboard ein. Am Ende gewannen die Kreisstädter dann souverän mit 92:71 gegen die Hanseaten.

Wie es gelaufen wäre, wenn Khartchenkov die Mannschaft im ersten Viertel nicht im Spiel gehalten hätte, lässt sich kaum erahnen. Aber genau dafür ist der Kapitän ja auch im Team: In wichtigen Momenten soll er übernehmen.


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Mit Khartchenkov wachen EN Baskets auf

Erst als Khartchenkov von der Bank eingewechselt wurde, erwachten die Baskets in Gänze. Davor war das Spiel schwach und ohne Punkte auf Seiten der Schwelmer. Khartchenkov backt aber kleine Brötchen: „Die Trefferquote war durchaus gut, es hat alles geklappt, wie ich es mir vorgestellt hatte. Man muss aber dazu sagen, dass der Ball oft zu mir kam und dass die Würfe teilweise offen waren“, sagt der Mannschaftskapitän nach dem Spiel. Und dabei sollte es auch den Hamburgern nicht ganz fremd sein, dass Khartchenkov als sehr guter Werfer gilt.

Trotzdem: So eine Serie ist selbst in der besten Liga der Welt, der NBA, nicht alltäglich – erst recht nicht in der ProB: „Sechs Dreier in Folge. Da muss ich lange zurückdenken. Ich behaupte mal, dass das auf Profiniveau von mir noch nie vorgekommen ist“, erinnert sich der Basketballer. Das Geheimnis liegt in der mentalen Einstellung: „Generell glaube ich nur an den positiven Fluss. Wenn etwas nicht funktioniert, dann klappt es beim nächsten Mal. Wenn man dreimal nicht trifft, heißt es nicht, dass auch der vierte daneben geht. Man muss dran glauben und die Bewegung richtig ausführen, dann findet der Ball auch sein Ziel“, so Khartchenkov.

Als Kapitän geht Khartchenkov voraus

Der ehemalige U20-Nationalspieler hat mit Abstand die meiste Erfahrung im Team. In seiner Karriere erlebte er so manch brenzliche Situation. Und genau das macht ihn so wertvoll für die Baskets. Headcoach Falk Möller sagte bei der Verpflichtung in der vergangenen Saison: „Nikita bringt eine Menge Erfahrung mit, was uns sicherlich helfen wird. Er kann gerade in kritischen Situationen ein Spiel übernehmen, was uns letzte Saison manchmal gefehlt hat." Das Vorausgehen in „kritischen Situation“ sieht auch Khartchenkov selbst als seine Aufgabe an. „In solchen Situationen spiele ich gerne. Wenn wir mit 20 Punkten führen, dann ist es schön, dass wir gewinnen. Aber es ist viel interessanter, wenn es knapp ist“, so der Kapitän der Schwelmer.

Zu den Aufgaben eines Mannschaftskapitäns, so Khartchenkov, gehöre neben der Übernahme der Verantwortung auch die Motivation der jungen Spieler: „Ich bevorzuge durch mein Spiel Einfluss auf die Mannschaft zu nehmen. Aber klar muss man auch mal die anderen – vor allem die jungen – aufmuntern, motivieren oder auch mal veräppeln. Das gehört dazu,“ erklärt Khartchenkov.

Keine Zuschauer, neue Erfahrung

Im Normalfall ist die Halle der EN Baskets Schwelm immer gut gefüllt. Seit geraumer Zeit dürfen die Fans jedoch nicht mehr vor Ort dabei sein und verfolgen die Spiele im Stream. Nur zum Saisonauftakt gab es 300 Zuschauer. Auch für den erfahrenen Khartchenkov eine neue Situation: „Es ist etwas ganz anderes ohne Zuschauer, aber das müssen wir hinnehmen. Wir sind froh, dass wir überhaupt noch spielen dürfen“, so der 34-jährige.

Nach drei Siegen in Folge sind die Schwelmer auf Playoffs-Kurs. Ob beim Erreichen der Aufstiegsrunde diese dann überhaupt ausgetragen wird, ist jedoch wegen der Pandemie offen. Khartchenkov glaubt an seine Mannschaft: „Wir haben durchaus großes Potenzial und können von jeder Position Gefahr ausstrahlen“, sagt er und ergänzt, „wir hatten alle Mannschaften außer Bochum vor der Brust. Man sieht, dass jede Mannschaft schlagbar ist. Wir können die Saison hoch oben beenden.“

Auf ein Pläuschchen mit dem Weltstar

Khartchenkov war schon in der Jugend ein großes Talent. Bei der U20-Europameisterschaft 2006 war der in der damaligen Sowjetunion geborene Basketballer der erfolgreichste Werfer im deutschen Team. Danach zog es den Sohn des ehemaligen sowjetischen Nationalspielers Alexander Chartschenkow auch in höherklassige Mannschaften. Nach diversen Stopps in der ProA-Liga, sammelte er in Weißenfels, Düsseldorf und Hagen auch Erfahrungen im Oberhaus des deutschen Basketballs. Nach Engagements bei Schalke 04 und Iserlohn kam er vor der letzten Saison nach Schwelm.

Khartchenkov schaut auf eine spannende Karriere zurück: „Es gab viele schöne Momente, auch mit der Nationalmannschaft. Damals waren z.B. die Serben sechs Jahre lang in unserer Altersklasse unbesiegt. Wir setzen ihnen die erste Niederlage durch einen Buzzer-Beater von Nicolai Simon zu“, erinnert er sich. Eine besonders schöne Erinnerung war auch ein Treffen mit dem Weltklassespieler Tony Parker (NBA; San Antonio Spurs) bei einem Basketball-Camp im italienischen Treviso. „Es gab viele schöne Erfahrungen. Ich spiele ja schon ewig Basketball,“ fasst Khartchenkov zusammen.

Auch in Schwelm fühlt sich der in Essen lebende Routinier wohl. „Ich finde die Halle super. Vor allem, wenn die Zuschauer da sind und uns unter normalen Umständen lautstark unterstützen. Auch auswärts ist immer eine gelb-blaue Wand dabei,“ sagt Khartchenkov. Längst hat er die Kreisstadt ins Herz geschlossen: „Es ist wie eine Familie hier.“

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