Ennepetal. Nach der Corona-Pause läuft der Reitunterricht beim Ennepetaler RV wieder. Ein Besuch vor Ort. Corona-Krise kostet Klub mehrere Tausend Euro.
Die Aufschrift auf dem Schild besteht aus lediglich drei Wörtern. Und sie duldet keine zwei Meinungen. Laura und Leonie wissen das, als sie einen halben Schritt an der Aufforderung vorbei gehen. Denn die beiden 12-Jährigen sind an diesem Nachmittag nicht zum ersten Mal nach der Corona-Pause wieder beim Reitunterricht in der Halle des Ennepetaler Reitervereins. Allerdings ergeht es ihnen, wie es vielen Freundinnen oder Freunden nicht nur in dieser Altersklasse ergeht: Sie quatschen und verlieren das Drumherum kurz aus den Augen – bis Reitlehrerin Sabrina Möller freundlich, aber bestimmt die Stimme erhebt.
Strenge Auflagen auf der Anlage
Erst vor kurzem kehrte wieder etwas mehr Leben auf der Anlage des Reitervereins ein. Während des so genannten „Lockdowns“ zu Beginn der Corona-Krise herrschten auch hier strenge Auflagen. Lediglich die Notbetreuung der sechs Schulpferde war erlaubt. „Wir haben zwei Monate lang jeweils 2500 Euro in den Betrieb gebuttert“, sagt Andrea Blume, die 2. Vorsitzende des Vereins, mit Blick auf die fehlenden Einnahmequellen Turniere und Thekenbetrieb. 9000 Euro Soforthilfe der Landesregierung habe der Verein zwar beantragt und erhalten, „aber das Geld ist ja auch irgendwann weg“, ergänzt Blume.
Umso wichtiger ist für den rund 200 Mitglieder großen Reiterverein, dass der Reitunterricht wieder aufgenommen werden konnte. Noch schwingen sich aber nicht alle der etwa 50 Reitschüler in den Sattel, weil die Altersspanne sechs bis 73 Jahre beträgt und einige eben zur Risikogruppe gehören, die dem Unterricht fernbleiben muss.
Aber Leonie und Laura sind da.
An diesem Mittwoch sind sie die ersten Reitschülerinnen des Tages. „Wir dürfen maximal vier Pferde gleichzeitig in die Reithalle lassen, um die Vorgabe von 200 Quadratmeter Fläche pro Pferd einzuhalten“, erklärt Sabrina Möller. Weil sich für diese Stunde keine weitere Schülerin anmeldete, wird diese Regel sogar übererfüllt.
Ennepetaler RV- Termine fraglich
Die für Anfang Mai geplanten Reitertage sagte der Ennepetaler Reiterverein auf Grund der Corona-Pandemie ab. Ob der Reitertag und der Voltitag (3. und 4. Oktober) veranstaltet werden, ist unsicher. Das gilt auch für eine Reitfreizeit in den Sommerferien.
„Wir müssen jeweils sehen, was erlaubt ist und was auch finanziell Sinn macht“, sagt Andrea Blume, 2. Vorsitzende. „Außerdem ist es aktuell auch schwierig, Sponsoren für eine Prüfung zu finden. Die Situation ist echt nicht einfach.“
Doch worauf muss Möller die beiden 12-Jährigen noch vor Beginn der Reitstunde hinweisen? Was steht auf dem Schild? Die Antwort: „Stopp! Hände waschen!“
Denn der Ablauf ist klar geregelt. Und das wissen auch Leonie und Laura. Deshalb folgen sie der Beschilderung zum Waschbecken. Dass sie die Toilette einzeln betreten – versteht sich von selbst. Anschließend ziehen die beiden ihre Reithandschuhe an und gehen die „Einbahnstraße“ weiter.
Es geht die Treppe hoch in das verwaiste Reiterstübchen, aus dem ein satter Blick in die Halle möglich ist. Die Schals in Schwarz-Gelb zeugen zum einen davon, dass hier die Heimat des offiziellen BVB-Fanklubs „Ennepetaler Reiter-Borusssen“ ist – und sie lassen zum anderen vermuten, dass die Stimmung durchaus gesellig werden kann. „Hier ist normal immer etwas los“, sagt Andrea Blume, „das fehlt uns schon sehr.“ Reitunterricht und Reiten ja, gemütliches Beisammensein nein – das ist die aktuelle Lage.
Ennepetaler RV- So läuft der Reitunterricht
Leonies und Lauras Weg führt anschließend vorbei an zwei Hockern auf eine Art Balkon, bevor es die Treppe wieder herunter geht. „Hier können bis zu zwei Mamis den Unterricht verfolgen“, erklärt Sabrina Möller. Kinder bis 14 Jahre dürfen schließlich zu den Reitstunden begleitet werden. Als Hilfe zum Trensen oder Satteln mit in die Pferdebox gehen? Möller schüttelt den Kopf. „Nur die Reitlehrerin darf mit in den Stall, die Mamis nicht.“
Kurze Streicheleinheiten
Obwohl: In den Stall – ist übertrieben. Wenigstens bei Leonie und Laura. Mit gebührendem Abstand, den Mund-Nase-Schutz, an einem Ohr baumelnd („Wenn ich zu den Kindern gehe, setzte ich ihn korrekt auf“) beobachtet Möller, wie die jungen Damen mit eigenem Putzzeug ihre Pferde Cordula und Alina für die Reitstunde vorbereiten – kurze Streicheleinheiten inklusive.
Auch interessant
Die Stunde verläuft in der Halle (fast) wie üblich. Möller steht in der Mitte, beobachtet ihre Schützlinge und ruft ihnen laut zu, was sie tun oder lassen sollen. Die Kinder – tragen übrigens erst seit sie auf dem Pferd sitzen keinen Mund-Nase-Schutz mehr. „Ich habe mich sehr gefreut, als ich endlich wieder zum Reitunterricht durfte“, erzählt Laura später: „Als kein Unterricht war, bin ich mit dem Hund spazieren gegangen, habe Schulsachen gemacht – und vor allem das Pferd vermisst.“
Jetzt muss nicht mehr nur ein Bild die Sehnsucht nach dem vierbeinigen Begleiter stillen. Vor lauter Vorfreude darf da ausnahmsweise auch das Stopp-Schild mal einen halben Schritt übergangen werden.