Schwelm. Die Heimspiele von Voerde, Schwelm und Gevelsberg ziehen immer weniger Menschen an. Fehlende Identifikation ist dabei nur einer der Gründe.
Björn Rauhaus kennt es eigentlich kaum anders. Als der inzwischen 34-jährige Schwelmer Handballer einst von der Jugend in den Herrenbereich wechselte, spielte er mit der RE Schwelm jeden Gegner an die Wand. Damals stieg das junge Team voller Eigengewächse mehrfach in Folge auf, von der Kreisklasse ging es wieder hoch bis in die Verbandsliga, die inzwischen Oberliga heißt. Unabhängig von der Spielklasse galt: Wenn in Schwelm Handball gespielt wird, ist die Halle voll. Später, als Rauhaus dann zur HSG Gevelsberg/Silschede wechselte, war das genauso. 500 bis 700 Zuschauende waren keine Seltenheit. Heute aber sind sie die Ausnahme. Interessiert sich niemand mehr für Amateurhandball, fehlt die Identifikation oder warum verirren sich immer weniger Zuschauende in die Handballhallen?
Bei der TG Voerde lebt man aktuell ein bisschen wie auf der Insel der Glückseeligen. Bei den Heimspielen ist einiges los, viele Menschen engagieren sich im und um die Handballabteilung, die sich die Auftritte der Mannschaft von Trainer Kai Henning nur selten entgehen lassen. Die Sporthalle am Reichenbach-Gymnasium ist bei den meisten Heimspielen des Oberligisten gut gefüllt.
Aber auch hier geht die Tendenz eher in die falsche Richtung. „Es flacht aktuell eher ab“, sagt Trainer Kai Henning. Verhältnisse wie beispielsweise beim traditonsträchtigen OSC Dortmund sieht er aber nicht. „Dort hast du eigentlich immer ein Heimspiel“, sagt er. Wichtigster Faktor für eine hohe Zuschauerzahl ist für Henning aber der sportliche Erfolg.
Spieler aus der Stadt bringen mehr Zuschauende
Nicht zu verkennen sei aber auch die schrumpfende Identifikation der Zuschauer mit den Spielern auf dem Feld. Inzwischen spielen auch in Voerde vermehrt junge Handballer, die nicht aus Ennepetal oder gar der eigenen Jugend kommen. Bei der RE Schwelm war das jahrelang der Fall, auch wenn die meisten Spieler einige Jahre für die Rote Erde aufliefen. Mit dem notwendigen Umbruch rückte auch der eigene Nachwuchs wieder vermehrt in den Fokus. „Das macht sich bemerkbar“, sagt Dustin Otto, Abteilungsleiter in Schwelm.
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Ähnlich ist das bei der HSG Gevelsberg/Silschede, wo Akteure wie Christopher Schrouven oder Sebastian Breuker schon über zehn Jahre aktiv sind. „Wenn du viele Spieler von außerhalb hast, pilgern deren Freunde und Familie aber nicht zu jedem Heimspiel in die Halle“, weiß Otto.
Identifikation ist ein großes Thema in Gevelsberg
In Schwelm ist man sich dessen genauso bewusst wie in Gevelsberg. Fehlen die Identifikationsfiguren aus dem unmittelbaren Umfeld des Vereins, ist auch auf den Tribünen weniger los. „Wir wollen die guten Anfänge im Jugendbereich nun weiter auf Vordermann bringen, damit die Jungs es vielleicht auch mal in die erste Mannschaft schaffen“, sagt Marcel Heyde, Sportlicher Leiter bei der HSG.
Aktuell stehen mit Nils Rüggeberg und Yorik Bannert zwei Spieler mit „Stallgeruch“ im Kader, mit Lasse Stratmann zudem ein weiterer in Gevelsberg wohnhafter Akteur. „Identifikation ist in Gevelsberg ein großes Thema“, weiß Heyde, der die Zeiten einer ständig vollen Tribüne in Gevelsberg selbst als Spieler erlebt hat.
Dazu gehört für ihn wie auch für Dustin Otto ein intaktes Vereinsleben. Viele Jugendmannschaften, mehrere Seniorenteams im Herren- wie im Frauenbereich. Vor allem der Blick auf den Jugendbereich stimmt die Verantwortlichen zumindest hoffnungsvoll. „Wir erleben aktuell einen immensen Zuspruch“, sagt Otto. 40 bis 50 Kinder seien in den jüngsten Altersklassen aktuell aktiv. Ähnlich ist das in Gevelsberg, wo die Zahl der Jugendspieler in den vergangenen Jahren bereits merklich anstieg. „In der kommenden Saison werden wir im männlichen Bereich zum ersten Mal seit langer Zeit wieder alle Altersklassen besetzen können“, berichtet Heyde. Auch, weil die Gevelsberger im A- und B-Jugendbereich weiterhin mit der HSG Wetter/Grundschöttel als JSG ENergy zusammenarbeiten werden.
Es fehlt an Präsenz in den Städten
Um wieder mehr Zuschauende in die Sporthallen zu locken, sei auch eine permanente Präsenz im Stadtbild wichtig. „Auch dadurch wollen wir wieder mehr Aufmerksamkeit auf uns richten“, sagt Marcel Heyde. Präsenz sei allerdings heutzutage auch in den sozialen Medien sehr wichtig, wo alle Vereine zwar regelmäßig aktiv auftreten, das aber nur selten auch über einen konstant längeren Zeitraum pflegen.
Eine Vorgabe seitens der Handballverbandes ist Marcel Heyde zudem ein Dorn im Auge. Weil es zu wenig Schiedsrichter gibt, die gleichzeitig im Einsatz sein können, hat der Verband zwei Heimspiele an einem Freitag und zwei Heimspiele an einem Sonntag zur Vorgabe gemacht. „Ich verstehe den Hintergrund, allerdings zerlegt uns das unsere Heimspieltage. Wir können nur ganz selten mal mehrere Teams hintereinander spielen lassen“, so der Sportliche Leiter der HSG. Die Folge: Weniger Handballerinnen und Handballer, die nach ihren eigenen Spielen noch die weiteren Teams des eigenen Vereins verfolgen. Allerdings stellt auch die HSG Gevelsberg/Silschede zu wenig Schiedsrichter.
Die Zeiten, wo die Menschen mehr oder weniger wie selbstverständlich von selbst in die Sporthallen kamen, sind vorbei. Der Handball konkurriert mit vielen anderen Freizeitangeboten. Hoffnung, dass der Zuspruch auf den Tribünen wieder steigen kann, macht vor allen Dingen der Fakt, dass die Verantwortlichen die Situation erkannt haben – und nun Maßnahmen ergreifen möchten.
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