Schwelm/Hawaii. Der Schwelmer Triathlet kommt beim wichtigsten Rennen der Welt zum zweiten Mal ins Ziel. Nur eine Qualle macht ihm anfangs das Leben schwer.
Jahrelange Planungen, sehr viel Geld und große körperliche Strapazen wären fast schneller zunichte gewesen, als sich das Demian Barrenstein im Vorfeld überhaupt hätte denken können. Schuld daran war der Schwelmer Triathlet nicht wirklich. Eine Qualle hatte ihn unmittelbar nach dem Sprung in den Pazifischen Ozean berührt, sodass seine Haut anfing zu brennen und sein Herzschlag in die Höhe ging. Doch davon ließ sich Barrenstein nicht ablenken. Zum zweiten Mal in seinem Leben hat der 44-Jährige beim prestigeträchtigsten Wettbewerb der Triathlonszene auf Hawaii, der Ironman-Weltmeisterschaft, das Ziel erreicht. So gut wie nach dem Zieleinlauf hat er sich lange nicht gefühlt – trotz der Verbrennungen durch die Qualle.
Als Demian Barrenstein das erste und bisher einzige Mal bei der Ironman-Weltmeisterschaft auf Hawaii am Start war, war er noch acht Jahre jünger. „Dass ich jetzt heute ins Ziel komme und nur drei Minuten langsamer bin als damals, ist wirklich unglaublich. Ich hätte nicht gedacht, dass es noch einmal so gut wird“, sagt er. Das Knie hatte in den vergangenen Jahren immer wieder Probleme gemacht, vor allem das Laufen fiel ihm schwer. Nicht so allerdings auf Hawaii.
Barrensteins Taktik spült ihn zu den Quallen
Was auch damit zu tun hat, dass sich der Schwelmer in eine besonders gute körperliche Verfassung gebracht hatte. „So fit war ich drei Mal in meinem Leben“, sagt er. Zehn Kilo weniger standen auf der Waage, als Barrenstein nach einer kurzen, aber guten Nacht zum Start im Triathlon-Mekka antrat. „Das war ein unglaubliches Gefühl und eine einmalige Atmosphäre dort“, schildert Barrenstein seine Eindrücke vom Start am Kailua Pier. Weil er sich in seiner Altersklasse der Männer zwischen 40 und 44 Jahren eher bei den schnelleren Schwimmern sah, hatte sich Barrenstein die Taktik zurechtgelegt, ganz am Rande des Feldes zu starten und große Teile der Starter schnell hinter sich lassen zu können.
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Dafür startete er nahe der Kaimauer des Hafens. „Die vielen Starter vor mir und die Boote auf dem Wasser haben die Quallen aber eben dorthin getrieben“, erklärt der Schwelmer seine Begegnung mit den „Jellyfishes“, wie die Quallen auf Hawaii heißen. Eine davon verfing sich in seiner Achselhöhle und hinterließ einige Brandmale. „Ich habe dann in mich hineingehorcht, nach ein paar Minuten hatte sich mein Herzschlag aber wieder reguliert“, sagt Barrenstein. In kontrolliertem Tempo schwamm er die 3,8 Kilometer zu Ende, nach 56:05 Minuten ging es für ihn als starker 24. auf das Rad.
Bloß nicht im Windschatten fahren
Auf den 180 Kilometern lief es dann sogar noch besser. „Ich habe schnell eine Gruppe gefunden, die in einem ähnlichen Tempo unterwegs war“, so Barrenstein, der allerdings nicht im Windschatten seiner Kontrahenten fahren durfte. Laut der Regularien müssen zwischen zwei Fahrern immer zwölf Meter Abstand gehalten werden, damit sich niemand durch weniger Gegenwind einen Vorteil verschaffen kann. Dennoch sorgte die Gruppe für eine gewisse Art von mentaler Entlastung, denn Barrenstein merkte dadurch, dass er mit der Konkurrenz gut mithalten kann. Nur der Gegenwind nach der Wendemarke machte ihm etwas mehr zu schaffen, als er das auf den ersten 90 Kilometern befürchtet hatte. „Mein Ziel war es, unter fünf Stunden auf dem Rad zu bleiben, das habe ich geschafft“, beurteilt Barrenstein die mit 4:48:55 Stunden 22. schnellste Radzeit in seiner Altersklasse.
Zwei von drei Disziplinen hatte er damit in bravouröser Art und Weise absolviert. „Mir ging es richtig gut, ich habe keine Beschwerden gehabt. Und trotzdem hatte ich schon ein wenig Angst vor dem Laufen“, erinnert sich Barrenstein. Unberechtigterweise, wie sich schnell herausstellen sollte. Ohne Probleme lief der Schwelmer die 42,195 Kilometer über die Insel, phasenweise immer wieder frenetisch angefeuert von den vielen tausenden Zuschauenden am Streckenrand.
Die großen Emotionen mit der großen Familie
Besonders emotional wurde es dann auf den letzten Metern. „Da bekommst du noch einmal das Gefühl, als würdest du keine Schmerzen haben, als könntest du noch stundenlang so weiterlaufen“, sagt Demian Barrenstein. Musste er aber gar nicht. Viel mehr saugte er die einmalige Atmosphäre noch einmal richtig auf, feierte mit hochgerissenen Armen mit den Zuschauenden und überschritt letztlich mit strahlendem Gesicht die Ziellinie. 9:46:27 Stunden hatte er für das härteste Rennen benötigt, was am Ende einen starken 68. Platz in seiner Altersklasse und Platz 465 insgesamt bedeutete.
„Da sprichst du auch dem 70-Jährigen drei Kilometer vor dem Ziel noch einmal Mut zu und klopfst ihm auf die Schulter.“
Aber die Platzierung war Barrenstein letztlich egal. Viel mehr ging es gleich weiter, um die anderen Athleten auf der Strecke kurz vor dem Ziel noch einmal anzufeuern. „Das ist hier der Spirit, das ist wie eine große Familie“, sagt er. „Da sprichst du auch dem 70-Jährigen drei Kilometer vor dem Ziel noch einmal Mut zu und klopfst ihm auf die Schulter“, schildert der Schwelmer das Gefühl, was die Menschen auf Hawaii „ohana“ nennen.
Vielleicht doch noch einmal einen Ironman?
Seine leibliche Familie war da schon wieder bei ihm, schließlich hatten ihn seine zwei Kinder, seine Frau und seine Mutter nach Hawaii begleitet. Auch um den beiden Kindern noch einmal zu zeigen, was es bedeutet, einen Ironman dort zu absolvieren, war Barrenstein überhaupt noch einmal angetreten. Im Vorfeld war klar, dass es das letzte Mal sein wird - nach der euphorischen Zielankunft und den ausgebliebenen Schmerzen will er das noch einmal überdenken. Was er aber erreicht hat, nimmt ihn niemand mehr.