Balve. Seine Arbeit beginnt bei der Anreise der Pferde und endet mit dem Abtransport. Wie ein Tierarzt das Balve Optimum erlebt.
Den Augen von Dr. Hermann-Josef Genn entgeht während des Turniers in Balve nichts. Für den internationalen Pferdeverband FEI ist Genn beim Balve Optimum als Tierarzt für die Gesundheit der Vierbeiner zuständig. Ein Vollzeit-Job.
Während rund um die Anlage am Schloss Wocklum noch die letzten Aufbauarbeiten laufen, reisen langsam die ersten Teilnehmer mit ihren Pferden an. Sobald der erste Anhänger vorfährt, beginnt die Arbeit für den erfahrenen Veterinär. „Wenn die Pferde ankommen, dann kontrollieren wir die Temperatur. Was bei den Menschen derzeit die Corona-Pandemie ist, ist bei den Pferden gerade der Herpes“, erklärt Genn.
Ist die Temperatur höher als 38,5 Grad, ist Vorsicht geboten. „Dass Pferde mit erhöhter Temperatur ankommen, ist nicht ungewöhnlich. Sie stehen stundenlang in ihren Anhängern und sind gestresst bei der Ankunft. Unsere Aufgabe ist es dann zu entscheiden, ob die hohe Temperatur wirklich vom Stress kommt oder vielleicht doch Fieber vorliegt“, sagt der aus Niedersachsen stammende Genn. Jeder Reiter muss eine Temperaturkurve der vergangenen acht Tage vorlegen, um die Zulassung zu bekommen.
Pferdeherpes im Fokus
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Neben der Temperatur werden auch die Impfungen kontrolliert. Nicht unwichtig. Pferdeherpes ist kein neues Phänomen, aber eine Krankheit, die den Reitsport gerade beschäftigt. Ende Februar kam es bei einem Turnier in Valencia zu einem Großausbruch. Als die Fälle bekannt wurden, waren die Pferde bereits wieder abgereist. Auch nach Deutschland wurde das tödliche Virus getragen. „Sobald wir von einem Fall erfahren, impfen wir. Es gibt eine Impfung, die wir normalerweise auch verabreichen. Der Impfschutz besteht jedoch nur drei Monate, deshalb müssen die Impfpässe genau kontrolliert werden“, betont Genn.
Pflicht ist die Impfung nicht, empfohlen wird sie schon. „Bis kurz vor dem Optimum bestand auch noch eine Testpflicht vor Ort. Das lässt sich vergleichen mit einem PCR-Test bei Menschen. Diese Testpflicht ist aber nun nicht mehr gegeben. Der Temperatur-Check reicht aus“, erklärt der 69-Jährige. Zweimal täglich wird die Temperatur kontrolliert und die Daten erfasst. „Das geht inzwischen über eine App in der alle anwesenden Pferde eingetragen werden. Gibt es einen Herpes-Fall, können alle beteiligten Pferde direkt gesperrt werden“, machen sich Genn und sein Team, das auch zwei Tierärzten plus einer Ärztin der FN besteht, die Technik zunutze.
Dopingproben von neutralen Ärzten
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Sind die Pferde kontrolliert und die Pässe abgestempelt, geht es am nächsten Tag mit dem Wett-Check weiter. Auf den Aufwärmplätzen traben die Pferde an, um zu erkennen, ob Verletzungen vorliegen. „Ist das Pferd nicht im Rhythmus oder zeigt Auffälligkeiten, kommt es in die so genannte Holding-Box. Wenn wir es da nicht entscheiden können, dann kommt es in die Reinspektions-Box“, sagt Genn.
Am folgenden Tag gibt es vor dem Wettkampf eine neue Kontrolle. „Wenn das Tier dann nicht fit für den Wettbewerb ist, dann darf es nicht starten“, erklärt der Tierarzt. Die Probe wird von einem neutralen Arzt genommen, der nicht im Turnierbetrieb eingebunden ist.
Läuft das Turnier erst einmal wird es langsam ruhiger. „Ich bewege mich auf dem Gelände und schaue mir die Tiere immer wieder an. Ich mache das im Zusammenspiel mit den Stewards, die mir Bescheid geben, wenn ihnen etwas auffällt“, sagt der ehemalige Springreiter, der jahrelang in der Pferdeklinik der Universität Hannover tätig war.
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Todesfall vor Wettkampfstart
Neben den Tieren ist auch die Infrastruktur wichtig. „Es gibt für den Veranstalter inzwischen eine Menge Auflagen, was die Stallungen, den Platz für die einzelnen Pferde und die Hygiene angeht“, weiß Genn.
Verletzungen gab es in diesem Jahr noch nicht. Einzig der tragische Todesfall von L’Esperance des Hamburgers Carsten Otto-Nagel überschattete die Bilanz etwas. „Das sind Fälle, die leider passieren. Wir haben hier ein schwüles Wetter, damit kommen viele Pferde nicht klar. Hitze und Kälte sind kein Problem, aber diese Schwüle mögen sie nicht so gern“, erklärt Genn den tragischen Fall.
Weltweit unterwegs
In der Nacht von Mittwoch auf Donnerstag verschlechterte sich der Zustand des Pferdes. „Der Kollege, der ihn untersucht hat, hat direkt erkannt, dass es sich um einen chirurgischen Notfall handelt. Das Pferd ist dann sofort nach Telgte in die Klinik gebracht und dort operiert worden. Die OP ist auch gut verlaufen, aber danach hat es sich beim Aufstehen das Karpalgelenk gebrochen. Das ist dann natürlich fatal, aber wir können da nichts dran machen“, erklärt der ehemalige Springreiter den Fall, der für Schlagzeilen sorgte.
Der Arbeitstag endet für Hermann-Josef Genn in Balve nie. „Ich bin 24 Stunden hier im Einsatz“, verrät der Pferdespezialist, der von der FEI als Arzt für Balve zugeteilt wurde und dessen Expertise weltweit gefragt ist.