Meschede. Am Samstag startet Alexandra Föster (Meschede) bei Olympia in Paris. Zu Trainer Sebastian Kleinsorgen hat sie eine spezielle Beziehung.

Sie war elfeinhalb, er Mitte 20. Und ein Nachbar. Aber einer, der für seine Leidenschaft, den Rudersport, bereits damals vieles in Kauf nahm. Also ging Sebastian Kleinsorgen beim Straßenfest in Meschede diesen Kuhhandel mit Alexandra Föster ein. Die Szenen, die sich vor gut zehn Jahren in Meschede abspielten und aus denen eine spezielle Athletin-Trainer-Beziehung erwuchs, könnten sich wiederholen, wenn die mittlerweile zur deutschen Top-Ruderin aufgestiegene Sauerländerin bei den Olympischen Sommerspielen in Paris im Frauen-Einer die Rennen ihres Lebens zeigt.

Föster: Der Karriere-Start

„Wir sind ein Konstrukt“, erzählte Sebastian Kleinsorgen vor der Abreise des Duos zur Olympia-Premiere, „das absolut unüblich ist.“ Der Vater von zwei Töchtern, der im „normalen Leben“ als Vermessungsingenieur bei der Bezirksregierung Arnsberg arbeitet, spielt damit auch auf die überwiegende Abwesenheit von Bundestrainern oder Verbandsfunktionären an, wenn er und Föster zum Beispiel in Trainingslager fahren. Was er allerdings ebenso meint und einen Satz später auch ausdrückt: „Wir sind beste Freunde.“

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Diese Freundschaft resultiert aus Fösters Karriere-Anfängen. Mittlerweile nennt die 22-Jährige eine Silber- und eine Bronzemedaille, welche sie bei Europameisterschaften gewann, ihr Eigen. Sie holte zweimal Gold bei der U23-Weltmeisterschaft, ruderte bei Weltcuprennen aufs Podest. Kurzum: Alexandra Föster etablierte sich in den vergangenen Jahren in der Weltspitze. Weil ihr jetziger Trainer, der damals schlicht ein Nachbar war, die kecke Elfjährige beim Straßenfest ein Wochenende lang auf seinen Schultern trug. 

Föster: Eine Bedingung

Die Erinnerungen an diese Szenen sind dem Duo weiterhin präsent, obwohl Föster und Kleinsorgen in der Zwischenzeit so viele Höhen und Tiefen erlebten. „Ich sprach sie an, ob sie montags nicht mit zum Training kommen wolle, um das Rudern auszuprobieren“, erzählte Kleinsorgen und ergänzte: „Ihre Bedingung war: ‚Ich mach‘s, wenn Du mich das ganze Fest-Wochenende auf den Schultern trägst.‘“

„Wir fauchen uns auf dem Wasser auch schon mal mächtig an.“

Sebastian Kleinsorgen, Trainer von Alexandra Föster

Mittlerweile erfüllt der Trainer Fösters Bedingungen jedoch nicht mehr so gnadenlos zu sich selbst. Aus der nachbarschaftlichen Beziehung wurde erst ein Vater-Tochter-ähnliches Verhältnis, aus dem eine tiefe Freundschaft wuchs. Das bedeutet allerdings nicht, dass es während Trainingseinheiten zum Beispiel nicht zu Reibereien kommen kann. „Wir fauchen uns auf dem Wasser auch schon mal mächtig an“, sagte Kleinsorgen.

Sauerländer Dickköpfe

Warum? Das verriet Fösters jüngere Schwester Frederike, die früher selbst ruderte und Vize-Weltmeisterin mit dem Juniorinnen-Achter wurde, vor Jahren. „Alex kann ein Dickkopf sein“, sagte sie: „Sie weiß, wann sie recht hat, und beharrt dann darauf. Sebastian aber auch.“ Zwei Sauerländer Dickköpfe – finden aber meistens eine Lösung, mit der beiden Seiten Leben können und die für sportliche Fortschritte sorgt. „Und wenn gar nichts mehr hilft, habe ich das letzte Wort“, kommentierte Kleinsorgen das Miteinander schmunzelnd.

Auch vor sechs Jahren geht es nur Hand in Hand: Alexandra Föster (links) und ihr Trainer Sebastian Kleinsorgen tragen ein Boot zum Ufer des Hennesees. 
Auch vor sechs Jahren geht es nur Hand in Hand: Alexandra Föster (links) und ihr Trainer Sebastian Kleinsorgen tragen ein Boot zum Ufer des Hennesees.  © Stefan Knepper | Stefan Knepper

Der Rückblick auf die vergangenen Jahre verdeutlicht aber, dass die Wir-AG aus Meschede viele richtige Entscheidungen traf. Als die erste Einzelathletin aus dem Sauerland nach Helena Stanek, geborene Fromm, 2012 in London nimmt Föster an Olympischen Sommerspielen teil. Bereits 2021 stand sie kurz davor, bei den Sommerspielen in Tokio ihre Premiere im Zeichen der fünf Ringe zu feiern, doch letztendlich verpasste sie die Qualifikation hauchdünn.

Public Viewing in Meschede

Die ITH Schraubtechnik gehört zu den Sponsoren von Top-Ruderin Alexandra Föster. Die Firma bietet gemeinsam mit dem Stadtmarketing Meschede ein besonderes Erlebnis für alle Sportbegeisterten: Am Samstag, 27. Juli, wird in den Räumlichkeiten der ITH (Steinwiese 8 in Enste) ein Public Viewing organisiert, bei dem die Vorläufe der Olympischen Sommerspiele in Paris live verfolgt werden können. Diese Veranstaltung findet von 9 bis 12 Uhr statt. Alle Interessierten sind herzlich eingeladen.

In Paris gehört die 22-Jährige zum Olympia-Feld. Karolien Florijn (Niederlande), Tara Rigney (Australien) und Emma Twigg (Neuseeland) gehen als große Favoritinnen auf die Medaillen ins Rennen. „Außer Karolien sind sie heuer aber gar nicht so weit vorneweg gefahren“, sagte Föster, die Ruder-Experten wie Klara Kohler (USA), Desislava Angelova (Bulgarien), Viktorija Senkute (Litauen) und Jovana Arsic (Serbien) zur erweiterten Weltspitze zählen. „Es gab viele Wechsel in den Ergebnissen, da ist nichts in Stein gemeißelt“, ergänzte Föster.

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Und sie verriet noch ihr Ritual vor einem Rennen: „Kurz vor dem Ablegen umarme ich Basti immer“, sagte sie über ihren ehemaligen Nachbarn, der jetzt ihr Trainer und bester Freund ist. Und der sie wieder auf seinen Schultern tragen dürfte, wenn die Rennen ihres Lebens Föster eine Olympia-Medaille bescheren sollten – vielleicht nur kein komplettes Wochenende mehr.