Brilon-Alme. Die jüngsten Ausschreitungen beschäftigen den Almer Michael Schütte (60). Wieso der Dialog aus seiner Sicht so schwer ist.

Dieser Punkt ist Michael Schütte besonders wichtig. „Die Polizei geht selten in einen Fanblock im Stadion hinein. Da muss schon wirklich viel passieren“, sagt der Almer. Der 60-Jährige ist riesiger Fußballfan und seit Jahrzehnten ehrenamtlich im heimischen Amateurfußball engagiert, unter anderem als langjähriger Vorsitzender des Fußballkreises HSK. Hauptberuflich ist Schütte als Erster Polizeihauptkommissar der Polizeiwache Paderborn tätig – und zeigt sich erschüttert über die größer werdende Gewalt in deutschen Fußballstadien, die sich in den vergangenen Wochen zugetragen hat. Das alte Feindbild bestimmter Fußballfan-Gruppierungen, die Polizei, scheint derzeit aktueller denn je zu werden.

Es sind schlimme Meldungen, die die Ereignisse rund um Spiele der ersten beiden deutschen Bundesligen aus den vergangenen Wochen beschreiben. Unter anderem wurde Anfang November rund um das Niedersachsenderby in der 2. Liga zwischen Hannover 96 und Eintracht Braunschweig ein Polizist bei Randalen schwer verletzt. Im Stadion sorgten Fans für eine Schneise der Verwüstung, rissen Sitzschalen heraus und zündeten Mülleimer an. Auch am vergangenen Wochenende trugen sich heftige Zwischenfälle zu, diesmal in der 1. Bundesliga. Am Samstag leisteten sich Fans von Borussia Dortmund und Borussia Mönchengladbach nach dem Spiel eine Auseinandersetzung rund um den Signal-Iduna-Park. Ein Gladbach-Fan (21) wurde schwer verletzt und schwebte zwischenzeitlich in Lebensgefahr. Nach Medienberichten ging die Polizei mit etwa 100 bis 200 Beamten gegen attackierende BVB-Anhänger vor.

podcast-image

Noch größere Aufmerksamkeit erregten die Vorfälle rund um die Erstligapartie Eintracht Frankfurt gegen den VfB Stuttgart (1:2). Beim Spiel, das ebenfalls am Samstag stattgefunden hatte, war es vor dem Stadion zu heftigen Auseinandersetzungen zwischen Fans und der Polizei gekommen. Eine Sonderkomission hat mittlerweile die Ermittlungen aufgenommen.

Nach Auskunft der Polizei seien vor dem Anstoß Ordner und Rettungskräfte von Eintracht-Anhängern attackiert worden. Nachdem der Ordnungsdienst die Polizei zu Hilfe gerufen hätte, habe sich eine große Anzahl an Fans solidarisiert und die Polizisten „unter anderem mit Flaschen, Pyrotechnik und Eisengittern angegriffen“, hieß es in einer Pressemitteilung. Dem widersprach die Frankfurter Fanhilfe „Der 13. Mann“. Die Anhänger teilten mit, dass ein „Gewaltexzess“ der Polizei stattgefunden habe. Nachdem man vor dem Block eine Person habe festsetzen sollen, sei eine Auseinandersetzung entstanden, in deren Folge die Polizei massiv in den Bereich vor den Block eingedrungen sei. Die Beamten hätten auch Schlagstöcke und Reizgas eingesetzt, „auch ohne Rücksicht auf Verluste unter normalen Fans, Frauen und Kindern“, hieß es weiter. Jeweils etwa 70 bis 100 Menschen seien auf beiden Seiten verletzt worden, so die Aussagen der Fans sowie der Polizei.

Beim SC Paderborn im Einsatz

Die teils erbitterte Feindschaft zwischen zumindest einem Teil der Fans und der Polizei beschäftigt auch Michael Schütte. Der erfahrene Beamte verfolte die unrühmlichen Vorfälle der vergangenen Woche mit Interesse aus der Ferne. „Bestimmte Fangruppierungen wollen sich über Recht und Ordnung hinwegsetzen“, meint Schütte: „Das sind auch oft ,normale‘ Leute, die dann am Wochenende vergessen, dass es Regeln für ein vernünftiges Miteinander in der Gesellschaft gibt.“

Seit 2018 leitet Michael Schütte die Polizeiwache in Paderborn und ist als Erster Polizeihauptkommissar im gehobenen Dienst tätig. Immer wieder ist der Sauerländer unter anderem bei Heimspielen des Zweitligisten SC Paderborn, der auch im Hochsauerlandkreis viele Anhänger hat, im Einsatz, in der Saison 2019/2020 auch in der 1. Liga. „Meines Erachtens wird sich die Polizei bei Einsätzen im Fußball nie zurückziehen können. Die Polizei muss sich dazwischenstellen“, beschreibt Schütte eine der zentralen Aufgaben.

Mehr zum Fußball im HSK

Die Beamten versuchten zudem, sich auch bei Einsätzen im Fußball „selbst zu schützen. Alle Schritte werden vorher angekündigt“. Rund um Heimspiele des SC Paderborn habe er in den vergangenen Jahren keine größeren Auseinandersetzungen zwischen Fans und Polizisten miterlebt. Das habe aber auch mit einer guten Infrastruktur und Organisation zu tun, so Michael Schütte, der im Zuge von Heimspielen als Einsatzleiter vor Ort im Stadion oder aber von der Wache aus die Geschicke leitet. „In Paderborn gibt es schon eine super Fantrennung bei der Anreise, für die Gäste einen eigenen Parkplatz und eigenen Eingang. Das läuft sehr gut. Verletzte Kollegen hatten wir zum Glück noch nicht“, erzählt Schütte.

Diese habe es zuletzt auch nicht bei einer Regionalliga-Partie zweier verfeindeter Mannschaften gegeben, berichtet der Almer. Gleichwohl habe er als Polizeiführer vor Ort „heftige Gewalt“ erlebt, und das in der vierten Liga. „Das waren Aktionen, die für mich ein No-Go sind. Leider machen es aber im Fußball die Größeren den Kleineren vor“, sagt Schütte. Phänomene wie das Abbrennen von Pyrotechnik – eigentlich verboten – kommen unter anderem auch im Amateurfußball im HSK immer mal wieder vor. Als Lösungsansatz erachtet Schütte nach den Krawallen der vergangenen Wochen weiterhin den Dialog zwischen den Parteien als besonders wichtig: „Es geht um ein gutes Verhältnis zwischen Vereinen und der Polizei und natürlich auch zwischen Fans wie den Ultras und der Polizei. Das ist aber leider nicht einfach.“

Bestimmte Fangruppierungen wollen sich über Recht und Ordnung hinwegsetzen.
Michael Schütte, Erster Polizeihauptkommissar aus Brilon-Alme