Meschede. „Pille“ Bartsch ist Fußballer mit Passion – und Handicap. In 25 Jahren traf er für die Torfabrik Meschede nie. Wieso er dennoch so wichtig ist.
25 Jahre Torfabrik Meschede, 25 Jahre gelungene Arbeit hinsichtlich der Integration und Inklusion gehandicapter Menschen: Mit einem facettenreichen Fußball- und Freizeit-Programm sorgt die Torfabrik seit mittlerweile einem Vierteljahrhundert dafür, dass ihre aktiven Protagonisten besondere Lebensqualität erfahren und ihnen auf stets fürsorgliche Art und Weise große Wertschätzung und ein starkes Gemeinschaftsgefühl entgegengebracht wird.
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Zu den außergewöhnlichsten Spielern der Torfabrik zählt Peter „Pille“ Bartsch. Der 48-Jährige ist als Gründungsmitglied seit der ersten Stunde bei diesem außergewöhnlichen Fußballteam dabei, hat bislang noch nie ein Mannschaftstraining verpasst und nimmt innerhalb des Kaders eine spezielle Rolle ein.
Torfabrik Meschede: toller Treffer nach einer Ecke
Mescheder Dünnefeld-Stadion, abends gegen 17.30 Uhr: Schweißtreibende Temperaturen bei spätsommerlichen 30 Grad Celsius begleiten das Training der Torfabrik-Fußballer am Montag. Doch die kräftezehrenden Witterungsbedingungen können den hochmotivierten Akteuren scheinbar nichts anhaben. Emsig und von ausgeprägter Fröhlichkeit zugleich geprägt wirbeln die weiblichen und männlichen Kicker auf dem Rasenplatz umher und haben dabei das runde Leder im Visier.
Mit wachem Auge und unbändigem Torhunger im Gepäck kickt Peter „Pille“ Bartsch mit. Wenn auch meist unauffällig als Mitspieler, fällt der Routinier an diesem Trainingsabend auch optisch auf. Rote Hose, gelbes T-Shirt und den Kopf mit einer Schirmmütze in schwarz-rot-goldener Deutschland-Farbkombination bedeckt. Eine ganze Zeit vergeht, ehe „Pille“ Bartsch endlich in Aktion tritt: Nach einem zuvor geführten Zweikampf und einer neu entstandenen Spielsituation fliegt der Ball durch einen Abpraller des gegnerischen Teams hinter das Tor – Eckball für seine Mannschaft.
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Der 48-Jährige lässt sich einen persönlichen Auftritt nicht nehmen, um den Eckball entsprechend selbst auszuführen. „Pille“ Bartsch steht mit dem Ball an der Eckfahne, seine Mitspieler positionieren sich im Strafraum, warten auf das Zuspiel. Dann nimmt Bartsch Maß und spitzelt das Leder gekonnt und flach Richtung Kasten. Und dann passiert es: Der Ball säbelt von allein in die Maschen – der Oldie hat direkt getroffen. Frenetisches Jubeln bricht aus ihm aus, und alle feiern seinen Treffer. „Wenn er in einem richtigen Spiel nach 25 Jahren bloß einmal treffen wurde! Im Training klappt es dafür immer wieder“, kommentiert Trainer Sebastian Nöckel diesen Treffer süffisant.
Die wichtigen Rollen des „Pille“ Bartsch
Seit 25 Jahren warten Nöckel und seine Kollegen darauf, dass Bartsch auch in einer Ligapartie das Runde ins Eckige befördert. Aber die Rolle des Goalgetters wird und soll „Pille“ Bartsch auch gar nicht einnehmen. „Seine Stärken sind andere“, weiß der Übungsleiter. Sein Schützling fungiert viel mehr als Motivator, Antreiber und Unterhalter, der den einen oder anderen flotten Spruch auf Lager hat und ihn auf dem Platz artikuliert. „,Pille’ ist eine ganz besondere Marke. Er bekommt es hin, den Gegenspieler solange vollzuquatschen, dass dieser beinahe aus dem Spielgeschehen genommen wird“, erklärt Sebastian Nöckel.
Von „ungewöhnlicher Manndeckung 2.0“ zu sprechen, wäre daher fast möglich. Doch ob die Methode als ausgeklügelte Taktik zu werten sei, das kann niemand vonseiten der Torfabrik beantworten – auch „Pille“ Bartsch selbst nicht. „Fußballspielen macht Spaß“, sagt der gebürtige Mescheder deutlich.
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Nachdem er einen achtstündigen Arbeitstag in der Behindertenwerkstatt der Caritas hinter sich gebracht hat, freut sich „Pille“ Bartsch ungemein darauf, die einmal wöchentlich anstehende Zweistunden-Trainingseinheit besucht zu haben. „Egal, ob es regnet, stürmt oder schneit: ,Pille’ ist immer da. Selbst bei minus 20 Grad steht er im T-Shirt hier. Er war, ist und bleibt eine wahre Identifikationsfigur für die Torfabrik Meschede. Das wird sich nicht ändern“, betont sein Trainer und behält mit seiner Feststellung Recht. „Ich werde immer hier spielen“, betont Bartsch entschlossen. „Ich höre nicht auf mit dem Fußballspielen.“