Brilon. Klaus Hülsenbeck machte als Schiedsrichter Karriere. Ein Gespräch über seinen Werdegang, einen erlebten Platz-Sturm und den Videobeweis.
Schiedsrichter – kann kein Verein zu viel haben. Ohne sie funktioniert der Spielbetrieb nicht. Zudem agieren sie als Werbefaktor für die Klubs. Deshalb sagt Vereins-Urgestein Theo Gruß: „Unser Vereinsmitglied Klaus Hülsenbeck ist für den SV Fortuna 1920 Messinghausen der beste „Werbeträger“ weit über die Grenzen des Dorfes hinaus.“ Der heute 64-Jährige schaffte als Assistent sogar den Sprung in die Bundesliga. Ein Gespräch über seine Karriere, einen Platz-Sturm und den Video-Beweis.
Herr Hülsenbeck, Sie sind mit der DFB-Verdienstnadel ausgezeichnet worden. Was bedeutet Ihnen diese hohe Auszeichnung?
Klaus Hülsenbeck: Die Auszeichnung ist für mich ein Zeichen der wertschätzenden Anerkennung jahrzehntelanger ehrenamtlicher Arbeit. Sie hat aber auch Signalwirkung für andere Ehrenamtler und solche, die es werden wollen. Durch die breite Darstellung in den Medien kommt vielleicht der letzte Motivationsschub, sich auch zu engagieren. Für mich ist sie jedenfalls ein zusätzlicher Antrieb, auch nach der aktiven Zeit speziell den jungen Kameradinnen und Kameraden mit Rat und Tat zur Seite zu stehen. Danken möchte ich meinem Heimatverein, dem SV Fortuna Messinghausen, der die Auszeichnung auf den Weg gebracht hat.
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Wie gestaltete sich Ihre persönliche Schiedsrichterlaufbahn?
Nach vierwöchiger Ausbildung und der bestandenen theoretischen und praktischen Schiedsrichterprüfung im April 1976 leitete ich schon wenige Tage später mein erstes A-Jugendspiel in Bontkirchen. Es folgten C- und B-Ligaspiele und nach entsprechenden guten Bewertungen schon in der Saison 1977/78 A-Ligaspiele. 1979/80 ging es in die Bezirksliga, 1980/81 in die Landesliga, 1982/83 in die Verbandsliga, 1985/86 in die Amateuroberliga und dann 1988/89 als Schiedsrichterassistent in die 2. Bundesliga, ab 1989/90 auch als Assistent in die 1. Bundesliga und zu zwei internationalen Spielen. Eins davon bestritt ich mit dem heutigen DFB-Schiedsrichterchef Lutz-Michael Fröhlich. Nach Einführung der Regionalliga war ich dort bis zum Ende der aktiven Zeit 1997 als Schiedsrichter tätig. 1997 bin ich dann als Schiedsrichterbeobachter eingestiegen und habe Spiele der Damenbundesliga und der A- und B-Juniorenbundesliga besucht. Viele der damaligen „Talente“ sind heute in der 1. Bundesliga aktiv. Nach meiner Wahl zum Bürgermeister der Stadt Marsberg im Jahre 2014 habe ich meine Schiedsrichteraktivitäten ruhen lassen und bin seit 2021 wieder dabei.
Welche Kontakte waren wichtig und für Sie mitunter wertvoll?
Als Junge vom Dorf hatte ich keine Kontakte in die Machtzentralen im Ruhrgebiet. Einzig das Engagement, die Leistung auf dem Platz und die bei den Prüfungen zählten.
Wie viele Spiele haben Sie geleitet oder assistiert?
Insgesamt gut 1000, davon 127 im DFB-Bereich.
Wie sehen Ihre Zukunftsplanungen aus?
Ich möchte viel Zeit mit der Familie und guten Freunden verbringen. Selbstverständlich aber auch dem Fußball und dem Schiedsrichterwesen (in beratender Funktion) erhalten bleiben. Vorgesehen ist auch, nochmal alle Profistadien zu bereisen, in denen ich selbst aktiv war.
Welcher Verein ist ihr Lieblingsklub?
Borussia Dortmund ist mein Lieblingsverein. Dort besuche ich regelmäßig Spiele, sowohl in der Champions League, als auch in der Bundesliga. Besondere Spiele waren die Pokalendspiele in Berlin oder das leider verlorene Champions-League-Endspiel am 25. Mai 2013 im Wembleystadion in London.
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Wo haben Sie am liebsten gepfiffen?
Da gab es keine Priorität. Marsberg oder Brilon waren mir genauso lieb wie Alemannia Aachen oder Bayern München. Jedes Spiel erforderte die gleiche Vorbereitung und Konzentration.
Gab es besondere Ereignisse?
Klar. Zum Beispiel das gemeinsame Kaffeetrinken vor dem Spiel bei Bayern München zusammen mit dem damaligen Bundestrainer Berti Vogts und Franz Beckenbauer. Oder die Stürmung des Platzes nach dem letzten Spieltag bei RW Essen. Dort wurden in überschäumender Freude den RWE-Spielern die Trikots vom Leib gerissen, die Eckfahnen als Souvenir mitgenommen sowie Tornetze zerschnitten. Das Schiedsrichter-Gespann musste sich von Gelben und Roten Karten sowie von der Pfeife trennen.
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Wie sehen Sie die Situation der Schiedsrichter heute mit Torlinientechnik und Videoassistenten?
Durchaus differenziert. Die Torlinientechnik halte ich für wichtig und richtig. Anders sieht es bei den Videoassistenten und deren Mannschaften aus. Bei Abseitsentscheidungen bin ich voll mit dabei, den Rest halte ich für entbehrlich, da teilweise selbst bei klarsten Bildern viel zu lange Entscheidungsprozesse folgen und trotzdem noch erheblicher Diskussionsbedarf bleibt.
Haben Sie noch Kontakte zu den aktuellen „Profi-Schiedsrichtern?
Schiedsrichter sind wie eine große Familie. Alle sind immer ansprechbar und sind sich auch nicht zu schade, eine monatliche Schiedsrichterbelehrung mitzugestalten. Wenn ich Bundesligaspiele besuche, spreche ich natürlich mit den früheren „Talenten“, die heute Schiedsrichter oder -assistent sind. Natürlich nur zu Zeiten, wo es deren Konzentration auf das Spiel noch nicht oder nicht mehr stört.