Winterberg. Der Bikepark Winterberg lockt. Unsere Reporterin Jona Krollmann wagte den Selbstversuch. Bis zu einem Moment träumt sie vom Profitum. Mit Video.
Das ist der Moment, der alles vorherige in Frage stellt. Ich stehe auf dem höchsten Punkt der Übungsstrecke im Bikepark Winterberg – verschwitzt, verstaubt, aber mächtig stolz, während meines Selbstversuches im Rahmen der Serie „Tour de Ruhr“ nicht nur etwas steilere Abfahrten zügig und sicher meistern zu können, sondern mir auch den Sprung vom dritthöchsten der insgesamt vier Holzplateaus zuzutrauen. Bevor ich wieder in die Pedale treten kann, flitzt er an mir vorbei, dieser vielleicht 12-Jährige, dieser – Bengel.
Größter Bikepark Deutschlands
So genau ist sein Alter nicht zu erkennen, weil er wie ich einen Fullface-Helm trägt und der Oberkörper dank etlicher Protektoren breiter aussieht, als er sein dürfte. Wie dem auch sei: Er weiß, was er tut. Er fährt auf das zweithöchste Plateau und springt ohne Bedenken in einem Tempo, mit dem ich einen geraden Berg hinabfahre. Bevor ich allerdings zu sehr in Selbstzweifel versinke, steht mein Guide Gah Krämer unter seinem Helm grinsend neben mir und rettet die Situation. Gut eine Stunde zuvor beginnt mein Selbstversuch im Bikepark Winterberg an der Kappe, dem nach eigener Aussage größten Bikepark Deutschlands.
Jona, hast du Lust, im Bikepark ein paar Runden zu drehen? Mit dieser Frage startet das Abenteuer ein paar Tage zuvor. Dem selbstbewussten, euphorischen Ja folgt kurze Zeit später eine gewisse Nachdenklichkeit. Wenn ich es mir genauer überlege, sind die Voraussetzungen vielleicht nicht ganz optimal. Immerhin: Mountainbike-Erfahrung habe ich. Mit zehn Jahren bin ich auf einem durch den Wald gefahren. Also dürfte der Selbstversuch klappen, oder?
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Los geht es im Bikeverleih unterhalb der Übungsstrecke. Links und rechts hängen Bikes verschiedenster Art an den Wänden. Ebenso lagert Schutzkleidung in den Regalen. „Wir haben 75 Räder in der Bike-Station und beraten oder reparieren neben dem Verleih auch“, sagt Gah Krämer, der 40-jährige Bikepark-Koordinator. Von ihm erhalte ich Protektoren für den Oberkörper und die Arme, Knie- und Schienbeinschoner, Handschuhe sowie einen richtigen Helm, der fast aussieht wie ein Motorradhelm. Ich glaube, so ähnlich muss sich Ironman in seinem Anzug gefühlt haben, aber: ich bin gut geschützt. Das Mountainbike hat im Gegensatz zu meinem blauen Hollandrad größere Reifen, ist federnder, sprich der Rahmen gibt leicht nach und braun-grau – ein ungewohnter Anblick.
Die erste Lektion
Während Gah losfährt, stellt sich mir die erste Frage: Wie schalte ich? Im sechsten Gang den Berg hochasten, das ist: anstrengend. Berg ist vielleicht übertreiben, eher Hügelchen. Als ich oben ankomme, bin ich trotzdem aus der Puste. Zuerst lerne ich, richtig auf dem Rad zu stehen. Also Knie leicht gebeugt und jeweils einen Finger an den Bremsen. Das Gewicht soll auf die Beine und nicht Arme verlagert werden.
Gesagt, getan – und schon geht es auf die erste Runde durch den Übungsparcours. In den Kurven muss ich nicht auf den Reifen, sondern aus den Kurven gucken. Das hört sich leicht an, stellt mich aber schon vor die erste Hürde. Nicht direkt zu sehen, wo ich hinfahre, sondern das anzuschauen, wo ich hinwill – eine erste Überwindung. Nach meinem Empfinden durchfahre ich die Kurven schon sehr schnell, wenn ich aber nach links und rechts gucke, sehe ich, was schnell heißt bei diesem Sport. Je mehr Staub fliegt, desto besser.
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Als nächstes wagen wir uns an kleine Hügel. Das macht Spaß. Bevor ich zum gefühlt hundertsten Mal das Berglein wieder „hochfahre“, schlägt Gah vor, eine Piste runterzufahren. Wenig später hängen die Mountainbikes am Sessellift und wir sitzen in der folgenden Gondel. Es ist: schon faszinierend.
Der Staub fliegt
Oben angekommen, sehe ich gleich die Abfahrt. Mit dem Namen „Schneewittchen“ und der blauen Farbe kann ich mich anfreunden. Die Markierung der Strecken erfolgt wie beim Skifahren: Blau für leicht, Rot für mittel, Schwarz für schwer. Das sollte also gutgehen.
Der Staub fliegt, ich lege mich in die Kurve und fahre mit dem Mountainbike einfach diesen Berg hinunter, ohne an irgendetwas anderes zu denken – außer: bloß nicht Fallen, bloß nicht Fallen. Unten angekommen wartet die nächste Hürde auf mich. Ich soll auf ein kleines Holzplateau fahren, nach dem es direkt einige Meter steil bergab geht. Das kostet viel Überwindung. Nach dem ersten „Sprung“ stellt sich Spaß ein. Ich will höher und weiter hinaus – und traue mich auf die zweite von vier Höhen. Auch das funktioniert. Ich werde Profi, denke ich – bis zu diesem einen Moment.