Arnsberg/Karpacz. Vor zehn Jahren holte Helena Fromm Olympia-Bronze ins Sauerland. Warum die Medaille besonders bleibt und wie es der Sauerländerin heute geht.
Helena Stanek muss herzlich lachen, als sie von dieser dann und wann auftauchenden, schüchternen Frage an sie berichtet. „Manchmal“, sagt sie, „fragen mich die Kids bei Lehrgängen, ob ich denn auch mal Taekwondo gemacht hätte.“ Was der eine oder andere ehemalige Leistungssportler sicher als Fauxpas des Nachwuchses ansehen würde, stört die 35-Jährige nicht. Im Gegenteil, sie erzählt in solchen Momenten besonders gerne von ihrem bis heute für das deutsche Taekwondo und das Sauerland historischen Wettkampf bei den Olympischen Sommerspielen 2012 in London, der an diesem Mittwoch exakt zehn Jahre zurückliegt.
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Am 10. August 2012 gewinnt die aus Arnsberg-Oeventrop stammende Helena Stanek, die damals noch ihren Geburtsnamen Fromm trägt, die Bronzemedaille bei den Olympischen Sommerspielen. Sie ist damit die erste deutsche Frau, die sich im Taekwondo eine Olympia-Medaille erkämpft – in einem an Dramatik kaum zu überbietenden Wettkampf zur besten Sendezeit im deutschen Fernsehen.
Fromm nach Viertelfinale enttäuscht
„Wahnsinn“, sagt die damals 25-Jährige, als sie mit der Deutschland-Fahne über den Schultern auch dieser Zeitung vor Ort die ersten Interviews gibt. „Nach der Enttäuschung im Viertelfinale hier noch eine Medaille zu holen, ist einfach der Wahnsinn.“ Mit 4:8 verliert Fromm ihr Viertelfinale gegen die Koreanerin Kyung Seon Hwang und muss den geplatzten Goldtraum verarbeiten.
Doch das gelingt ihr während einer gut zweistündigen Zitterpartie. Erst nachdem die Koreanerin in das Finale der Gewichtsklasse bis 67 kg einzieht, darf Fromm den Traum von Olympia-Bronze dank der Trostrunde träumen. „Ärgern werde ich mich heute Abend garantiert nicht mehr“, erzählt Fromm nach dem entscheidenden 8:2-Sieg gegen die Australierin Carmen Marton.
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Zehn Jahre später geht es ihr keinen Deut anders. Zumal die Bronzemedaille der Sauerländerin, die damals vom Iserlohner Carlos Esteves trainiert wird, weiterhin die einzige Medaille einer deutschen Frau ist.
Verbindung zum Taekwondo
„Motivation und Einsatz sind enorm“, erzählt die heute 35-Jährige, die ihren Geburtsnamen ablegt, als sie Jendrek Stanek heiratet, über ihre Nachfolgerinnen: „Ich hoffe, dass wir bei den Olympischen Spielen in Paris 2024 wieder mit mindestens einer Frau vertreten sein werden.“ Stanek spricht von „Wir“, wenn es um Taekwondo geht, weil sie als Referentin für Medien und Marketing bei der Deutschen Taekwondo Union (DTU) arbeitet.
Oeventrop feiert Olympia-Heldin Fromm
Die Erinnerungen an den historischen Abend von London bleiben aber nicht nur deshalb aktuell. „Das ist schon ein Datum, an dem ich jedes Jahr das Album mit alten Fotos herauskrame oder mir den Film anschaue“, sagt sie schmunzelnd. Und ergänzt: „Außerdem wird man in den sozialen Medien ja immer an Bilder erinnert, die man vor so und so viel Jahren eingestellt hat.“
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Überraschend: In das aktuelle Klagen aus zum Beispiel der Leichtathletik über die heutige Sportförderung in Deutschland möchte die Sauerländerin, die seit einigen Jahren mit ihrem Mann und den drei Kindern Jonas (8), Hektor (4) und Theo (2) im polnischen Karpacz im Riesengebirge lebt, nicht einstimmen. „Die Situation der Leichtathletik ist mit der im Taekwondo aber auch kaum zu vergleichen“, sagt Helena Stanek.
Mehr Druck täte gut
Während die Taekwondo-Kämpfer in der Regel als Sportsoldaten über die Bundeswehr abgesichert seien, müssten viele Leichtathleten von ihrem Sport leben. „Ich habe manchmal das Gefühl, ein bisschen mehr Druck täte den Athleten im Taekwondo ganz gut“, sagt sie, weist aber auf die im Vergleich zu ihrer aktiven Zeit deutlich breitere internationale Konkurrenz hin: „Es ist schon schwerer als früher, heute in die internationale Spitze vorzudringen.“ Früher – damit meint Helena Stanek unter anderem das Jahr 2012, in dem sie Olympia-Bronze holte. Als äußerst erfolgreiche und aktive Taekwondo-Kämpferin.
So lebt Stanek heute
Mittlerweile ist die 35-Jährige auch dreifache Mutter und managt mit ihrem Mann Jendrek sowie dessen Bruder eine Pension im polnischen Karpacz.
Sie betreut die neu gebauten Baumhäuser neben der Pension. „Das ist schon ein krasser Unterschied zu meinem früheren Leben“, erzählt Stanek: „Damals ging es nur um mich und mein Training, jetzt organisieren die Kinder den Tag.“
Jonas (8), Hektor (4) und Theo (2) halten sie und ihren Mann auf Trab. „Manchmal werde ich gefragt, ob die Geburt der Kinder oder der Medaillengewinn der emotionalere Moment gewesen sei. Aber das kann man gar nicht vergleichen“, erzählt Stanek, deren Lebensmittelpunkt heute etwa 650 Kilometer entfernt von Arnsberg-Oeventrop ist. Während ihr ältester Sohn aktuell sportlich in die Fußstapfen seines Vaters zu treten scheint, Jendrek Stanek war Skirennfahrer und nahm 2003 sogar an der WM in St. Moritz teil, steht Taekwondo noch nirgends auf dem Tagesplan eines der Kinder. „Aber sie wissen, dass ich das früher mal gemacht habe“, sagt Helena Stanek lachend.