Arnsberg. Die „Mannschaft Inklusive“ bietet Fußballern mit Handicap im HSK eine Heimat. Spieler und Trainer haben eine enge Beziehung. Die ganze Geschichte

Mit breiter Brust wetzt Julien Braun an einem Montagabend im Dezember durch die Sporthalle des Gymnasiums Laurentianum in Arnsberg. Braun gibt keinen Ball verloren, treibt seine Mitspieler lautstark an – und versprüht ein enormes Glücksgefühl. Kein Wunder, denn der Fußballer ist Kapitän eines ganz besonderen Teams: Die „Mannschaft Inklusive“ des SV Arnsberg 09 und der „Lebenshilfe Wohnen NRW“ bietet Menschen mit Behinderung wie Braun viel mehr als einen sportlichen Ausgleich. Wie wichtig die Mannschaft für alle Fußballer ist, die hier engagiert dem Leder hinterherjagen, weiß Cosimo Minieri ganz genau.

Arnsberg: Die Idee wächst

Der 40-Jährige hat die Mannschaft Inklusive im Frühjahr 2018 gegründet. Die Idee: Menschen mit Handicap sollen ihr Hobby, den Fußball, ohne Widerstände ausüben können. Minieri, den alle nur „Mino“ rufen, weiß, was er tut, denn er ist vom Fach: Als pädagogischer Mitarbeiter der Lebenshilfe NRW kennt er die Wünsche der Jungen und Mädchen sowie Männer und Frauen, die er unter anderem bei ihrer Arbeit in Werkstätten für Menschen mit Behinderung begleitet. „Viele von ihnen wünschen sich, dass sie auch in einer Mannschaft Fußball spielen können. So fing damals alles an“, erzählt er.

Gelebte Inklusion in Arnsberg

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    Unterstützt vom Team der Arnsberger Lebenshilfe, dem SV Arnsberg 09 und auch der „Aktion Mensch“, die direkt die Finanzierung von Bällen, Trikots und weiterem Material übernimmt, gelingt der Start. „Wir haben angefangen mit zumeist schwachen Fußballern, dann hat sich das Niveau gesteigert. Wobei es bei uns ganz klar nicht auf die Leistung ankommt. Der Leistungsgedanke steht nicht an erster Stelle. Mir war von Anfang an wichtig, dass wir keinen zurücklassen. Wir dürfen den Kern, warum wir das hier machen, nicht vergessen“, sagt Minieri.

    Keine reine Männersache

    Wer zeitlich im Alltag mit Familie, Arbeiten im Schichtdienst und seinen ehrenamtlichen Tätigkeiten so eingespannt ist, wie Mino Minieri, der muss bisweilen Abstriche machen. So gab der 40-Jährige im vergangenen Sommer sein Amt als Jugendtrainer beim SV Arnsberg 09 notgedrungen auf – aus Zeitmangel. Doch die Mannschaft Inklusive will der Sauerländer unbedingt weiterbetreuen. „Das ist mein Herzensprojekt“, sagt der Fußballer, „die Spielerinnen und Spieler sind so unheimlich herzlich, dass es einfach riesigen Spaß macht. Diese Aufgabe erfüllt mich, weil man total viel zurückbekommt.“

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    Insgesamt 19 Fußballer aus dem gesamten Sauerland bilden mittlerweile den Stammkader des Teams, bei 20 Akteuren sei definitiv Schluss, so Minieri: „Da ist unsere Grenze erreicht.“ Das Interesse sei in den vergangenen Jahren stetig gewachsen. Aktuell spielen auch drei Fußballerinnen im Team mit, unter anderem Mittelfeldspielerin Christine Stratmann. „Es macht mir großen Spaß, mit der Mannschaft zu spielen. Die Trainer sind auch sehr nett – ich bin gerne regelmäßig hier“, erzählt sie in einer Spielpause beim Montagstraining.

    Spieler zwischen 19 und 50 Jahren

    Gemeinsam mit seinem Co-Trainer Winfried Schröder betreut Mino Minieri die Mannschaft Inklusive, die Fußballer mit Handicap im Alter zwischen 19 und 50 Jahren vereint. „Unser Ziel war und ist es, dass diese Menschen durch die Mannschaft Inklusive und unsere Aktionen viel besser am Alltag teilhaben. Das war nicht so schwer, wie ich anfangs gedacht hätte – meistens brechen unsere Spieler mit ihrer tollen Art schnell das Eis“, sagt er und lacht. „Co“ Schröder ergänzt: „Viele der Spieler wohnen weit auseinander. Das wöchentliche Training ist also ein wichtiger Bestandteil ihrer sozialen Kontakte.“

    Gerade die Pandemie hätte erneut gezeigt, wie schwer es vor allem für Menschen mit Behinderung beispielsweise sei, einen geregelten Tagesablauf aufzubauen. „Nach der Arbeit sitzen viele am Abend nur noch zu Hause rum“, sagt Minieri. So sei gerade die feste Struktur mit dem Hallentraining an den Montagabenden oder den Outdooreinheiten donnerstags enorm wichtig. „Außerdem ist die Gemeinschaft bei uns toll gewachsen und gibt vielen Halt. Wir fahren zu Turnieren, veranstalten Grillabende oder Fahrradtouren – zumindest ohne Corona“, sagt der Trainer.

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    Gemeinsam mit der zu dieser Saison neu gegründeten dritten Männermannschaft des SV Arnsberg 09, die in der Kreisliga D Arnsberg kickt, trainiert die Mannschaft Inklusive. Man spielt miteinander oder gegeneinander – völlig egal, ob Fußballer mit oder ohne Handicap. Am Training gegenüber den Einheiten früher mit den Jugendmannschaften der 09er hat Mino Minieri übrigens nicht viel verändert. „Wir trainieren nur einfach kleinschrittiger und langsamer. Mit Trainingsübungen aus der F-Jugend brauche ich meinen Jungs und Mädels jedenfalls nicht zu kommen – sie alle wollen ernst genommen werden.“

    Alleinstellungsmerkmal für SV Arnsberg 09

    Als einziger Verein im gesamten Hochsauerlandkreis bietet der SV Arnsberg 09 in Kooperation ein solches Vorzeigeprojekt an. Die Mannschaft Inklusive sei „ein enormer Gewinn für uns als Verein“, sagt Vorsitzender Andreas Düllberg: „Es ist schön, dass wir so zur Integration der Menschen beitragen können. Es kommt eine große Vielfalt in den Verein, von der alle profitieren. Mino hat etwas sehr Schönes aufgebaut – so einen wie ihn müsste man klonen. Die Mannschaft Inklusive ist die Bereicherung, die wir uns erhofft haben.“

    Als die Trainingseinheit in der Sporthalle an diesem Montagabend zu Ende geht, hat Kapitän Julien Braun noch eine Anmerkung. „Der Trainer sieht mich als guten Torwart“, sagt er und schmunzelt. „Ich selbst spiele aber auch gern im Sturm“, schiebt Braun nach. Er lacht herzlich. Dann schnappt er den Ball und mischt sich wieder unter seine Mitspieler.