Willingen: So erlebt Stephan Leyhe den Geister-Weltcup
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Willingen. Im Vorjahr feierte Stephan Leyhe ausgerechnet in Willingen seinen ersten Weltcupsieg. In diesem Jahr fehlt er – und Fans gibt es auch nicht.
Als Stephan Leyhe nun in den Auslauf der Mühlenkopfschanze tritt, herrscht Stille. Anders als vor Jahresfrist, als der Skispringer durch den Schnee zur Siegerehrung stapfte. Da tröteten sich die Fans die Seele aus dem Leib. Da überschlug sich die Stimme des Stadionsprechers beinahe vor Begeisterung. Diesmal bleibt es aber still, als der 29-Jährige den Ort besucht, an dem sich für ihn 2020 mit dem ersten Weltcupsieg eine Sehnsucht erfüllte. Die Erinnerungen daran helfen darüber hinweg, dass Leyhe beim Sprung-Spektakel auf der größten im Weltcup zugelassenen Großschanze am Samstag (16 Uhr) und Sonntag (16.15 Uhr/jeweils ARD) nur zuschauen kann.
Siegesfeier in der Hauseinfahrt
„Wenn ich mir diesen Tag noch mal im Internet anschaue, kriege ich gleich wieder Gänsehaut“, sagt Leyhe. Der gebürtige Willinger aus dem Ortsteil Schwalefeld, der aber seit Jahren im Schwarzwald beheimatet ist, meint damit den Tag seines ersten – und bisher einzigen – Einzel-Triumphs. Weil er wenig später, im März, in Trondheim schwer stürzte und sich das Kreuzband im linken Knie riss, fehlt Leyhe diesmal bei seinem Heimspiel.
Dass er vor fast genau einem Jahr ausgerechnet auf seiner Heimschanze allen davonsprang, nannte Bundestrainer Stefan Horngacher damals „ein Märchen“. Der Österreicher ließ es sich nicht nehmen, anschließend vor dem Elternhaus Leyhes mitzufeiern. Ein besonderer Augenblick, über den der Mann des Tages nur bescheiden sagte: „Für mich hat dieser Sieg eine sehr hohe Bedeutung.“
Weltcup- So feiern Fans in Willingen sich und Leyhes Sieg
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Kein Wunder, denn zur Siegerehrung kullerten selbst bei gestandenen Männern aus seinem Heimatklub SC Willingen Freudentränen, zigtausend Fans sangen nach der Nationalhymne auch die regionale Hymne vom Waldecker Land. Unter Horngachers Vorgänger Werner Schuster hatte sich Leyhe konstant entwickelt, er gewann jeweils mit dem Team 2018 Olympia-Silber in Pyeongchang und ein Jahr später WM-Gold. Solo aber war der Top-Ten-Springer bis zu diesem Tag nie aufs Podest gesegelt. Die Freude darüber währte nur kurz – gut einen Monat, bis zum Sturz in Norwegen. Es war das letzte Springen vor dem coronabedingten Saisonabbruch.
Das perfekte Jahr ausgesucht
Für Leyhe stand danach zügig fest, den Winter 2020/21 auszulassen, um vollkommen zu gesunden. „Ich bin froh, dass das letztes Jahr noch passiert ist. Dass ich die Emotionen abspeichern konnte“, sagt er zurückblickend auf den Sieg in Willingen: „Damit kann ich mich motivieren.“ Mittlerweile macht das Knie keine Probleme mehr. Krafttraining, Skilanglauf – Leyhe bereitet sich auf sein Comeback vor.
Willingen- Duo pausiert erneut
Olympiasieger Andreas Wellinger und Team-Weltmeister Richard Freitag müssen weiter auf die Rückkehr in den Weltcup warten. Beide wurden von Bundestrainer Stefan Horngacher nicht für die Qualifikation heute in Willingen berücksichtigt. Von den DSV-Adlern sind daher Karl Geiger, Markus Eisenbichler, Martin Hamann, Pius Paschke, Severin Freund und Constantin Schmid dabei.
Die WM in Oberstdorf (23. Februar bis 7. März) käme definitiv zu früh, aber Leyhe plant, vielleicht schon Ende Februar, Anfang März erste Sprünge zu wagen. Der Kontakt zu seinen Mannschaftskollegen ist ihm wichtig, aber nur sehr eingeschränkt. Manchmal trifft er sie in einer Videokonferenz, manchmal auf die Entfernung, wenn er ein Springen besucht. Auch in Willingen ist Leyhe, um im Vorfeld und rund um die Springen Sponsorentermine wahrzunehmen. Als TV-Experte war er am vergangenen Wochenende aktiv.
„Mir haben schon viele Leute gesagt, dass ich mir für die Verletzung das beste Jahr ausgesucht habe“, sagt Leyhe mit Blick auf die wegen der Pandemie eigenartigen Wettkämpfe ohne Fans.
Er fokussiert sich jedoch mehr auf sein großes Ziel: die Olympischen Winterspiele 2022. In Peking will Stephan Leyhe um die Medaillen springen, das nächste Märchen wahr machen – dann wird es auch in Willingen garantiert nicht mehr so still sein wie in diesen Tage, wenn der sonstige Party-Weltcup ohne Fans als Geister-Weltcup über die Bühne geht.
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