Bestwig. Sie sind alle besonders klug, sind Eigenbrötler und Spaßbremsen – es gibt viele Klischees über Schachspieler. Wir stellen provokante Fragen.

Ein Intelligenzquotient von mindestens 140, studierter Mathematiker, Träger einer dicken Brille, eines fragwürdigen Karohemdes und von abgewetzten Schuhen, introvertiert, Probleme mit dem weiblichen Geschlecht: Mit all diesen Vorurteilen werden aktive Schachspieler in unserer Gesellschaft und auch im Hochsauerlandkreis noch immer gern assoziiert.

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Gerhard Schubert (54), seit 40 Jahren Mitglied beim SV Velmede-Bestwig, Verbandsligaspieler und Bezirksspielleiter im Schachbezirk Hochsauerland, stellt sich im Gespräch mit dieser Zeitung sieben provokanten Fragen zu seinem Lieblingssport – und setzt Klischees schachmatt.

Gerhard Schubert, muss man hochintelligent sein, um ein guter Schachspieler zu sein?

Gerhard Schubert: (schmunzelt) Nein, das muss man nicht sein. Auch bei uns in den Vereinen ist die Lage da ganz gemischt. Hier spielt der Anwalt oder der Arzt, aber natürlich auch der Verkäufer Schach. Schach hat nichts mit dem Bildungsgrad zu tun, Hauptsache ist: Es macht Spaß. Außerdem kann man alles mit Training gut erlernen.

Sind eigentlich alle Schachspieler unsportlich?

Schach ist definitiv ein Sport – darüber wurden viele Studien erhoben. Vor allem bei Turnieren merkt man, wie anstrengend das Spielen sein kann: Vier, fünf Stunden am Stück zu spielen, ist herausfordernd – mental und für den Körper. Auch ein Blitzturnier ist anstrengend: Nach 30 Partien ist man platt und weiß definitiv, was man getan hat.

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Haben die Aktiven in Ihrem Sport in der Regel Mathematik oder Informatik studiert?

Natürlich gibt es diese Vertreter, aber man muss auch kein besonderer Zahlenexperte sein, um ein guter Schachspieler zu werden. Ich selbst arbeite beispielsweise im operativen Service der Agentur für Arbeit und komme daher auch aus einem ganz anderen Bereich.

Sind in den Schachvereinen im HSK nur ältere Männer und sowieso keine Frauen aktiv?

Es gibt einige Vereine, die eine besonders gute Jugendarbeit haben, aber natürlich ist die Suche nach neuen Nachwuchsspielern auch bei uns beim Schach ein Problem. Man ist als Verein oft darauf angewiesen, dass jemand mit Interesse vorbeikommt und am besten gleich jemanden mitbringt – das erhöht die Chance, dass diese Jugendlichen dauerhaft im Verein bleiben. Leider wird der Altersschnitt insgesamt höher, aber wir setzen vor allem auf das Interesse aus den Schach-AGs aus den Schulen.

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Kann kein Schachspieler selbst etwas für sich kochen?

(lacht) Natürlich gibt es auch bei uns die klassischen Junggesellen, aber die sind ja ohnehin für ihre eigene Versorgung zuständig. Ich denke, dass man das überhaupt nicht pauschal sagen kann und halte dieses Vorurteil für besonders großen Blödsinn.

Sind Schachspieler allesamt introvertiert, Eigenbrötler und totale Spaßbremsen?

Das habe ich in meinen mehr als vier Jahrzehnten in diesem Sport ganz anders erlebt. Viele Schachspieler sind zumeist locker und kommunikativ. Das hat man – vor Ausbruch der Coronapandemie – vor allem natürlich bei Aufstiegsfeiern oder Wettbewerben wie etwa unserem Turnier beim SV Velmede-Bestwig an Ostern immer erlebt: Da wird natürlich gemeinsam gegessen und getrunken.

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Werden Aktive im Schach gern zu Stubenhockern und spielen vor allem auf Online-Plattformen?

Ich persönlich spiele eigentlich nicht so gerne Schach im Internet, sondern bin lieber als Spieler bei Turnieren aktiv und verbinde das dann gern mit einer kleinen Städtereise. Weil so etwas aktuell aber nicht möglich ist, sind wir mit vielen Spielern aus dem Schachbezirk Hochsauerland auf der Plattform „lichess.org“ aktiv. Dort spielen wir immer donnerstags und sonntags in einer Quarantäne-Liga mit, die mittlerweile schon 15 Gruppen aufweist. Das macht allen großen Spaß – wir hoffen aber trotzdem zusammen darauf, dass bald auch wieder richtige Ligaspiele und Turniere möglich sein werden.