Meschede. Er ist mit vielen Protagonisten aus dem Profifußball gut bekannt: der Mescheder BWL-Professor Dr. Ralf Lanwehr. Wie er Klubs und Trainern hilft.

Eine Taktikanalyse mit Ex-Bundesliga-Coach Bruno Labbadia, eine DFB-Elite-Trainerfortbildung unter anderem mit Bayern-Frontmann Niko Kovac, eine Berater-Tätigkeit für einen Proficoach: Der Arbeitsalltag von Prof. Dr. Ralf Lanwehr von der FH Südwestfalen in Meschede bietet mehr als „nur“ Lehr- und Forschungstätigkeiten.

Der 47-jährige BWL-Professor beschäftigt sich insbesondere mit Fragen zu Führung, Kultur, Strategie und Change. Wie er den Einstieg in den Profifußball fand, mit welchen Vereinen er zusammenarbeitete und warum der Redner einst selbst „Profi“ in Mosambik in Südostafrika war, erzählt Ralf Lanwehr im Gespräch mit dieser Zeitung.

Herr Lanwehr, Sie haben früher selbst als Stürmer in der 3. Liga im afrikanischen Mosambik Fußball gespielt. Wie kam’s dazu?

Ralf Lanwehr: (lacht) Ich habe mich damals für Stellen in der Entwicklungshilfe interessiert und bin durch Zufall auf eine in Mosambik gestoßen. Dort wurde ein Experte für Change Management gesucht. Dort habe ich dann drei Jahre gelebt und gearbeitet. Als Fußballer habe ich „nebenbei“ in einer Profi-Mannschaft gespielt: Wir trainierten sechs Mal pro Woche, jeder Spieler verdiente 30 Euro im Monat und erhielt dazu freie Kost und Logis. Wir haben dort sogar selbst den Platz gewalzt. (lacht) Ich war einer der schlechtesten Fußballer unserer Mannschaft, hatte aber bedingt durch die gute taktische Ausbildung in Deutschland ein paar Vorteile. Diese Zeit war eine großartige Erfahrung.

Als Redner sprechen Sie unter anderem beim Internationalen Trainer-Kongress und auf Trainertagungen. Ferner sind Sie als Ratgeber für Vereine und Coaches aus dem Profifußball tätig. Wie ist Ihnen der Einstieg gelungen?

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Ich habe mit meinem ersten Ruf auf eine Professur verschiedene Lehrbücher zur Unternehmensführung gelesen und fand diese meist langweilig. Also habe ich mit einem Kollegen selbst ein Buch verfasst (das Werk „Management für die Champions League“ erschien 2009, der Nachfolger „Spielfeld Arbeitsplatz“ 2017, Anm. d. Red.). Wir haben modernes Management anhand von Beispielen aus dem Profifußball erklärt. Jörg Wontorra führte damals für uns Interviews mit Funktionären wie „Aki“ Watzke, Uli Hoeneß, Klaus Allofs. Das Buch kam gut an und im Anschluss haben sich neben Leuten aus der Wirtschaft auch Vereine und Trainer aus dem Profibereich bei mir gemeldet. Seitdem bin ich mit großer Begeisterung im Fußball aktiv.

Sie haben früher unter anderem mit der TSG Hoffenheim zusammengearbeitet. Wen coachen Sie derzeit?

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Über meine aktuellen Aufgaben kann ich nur sagen, dass ich zwei ambitionierte Vereine aus dem jeweils oberen Tabellendrittel der 1. und 2. Bundesliga berate und auch einen Profitrainer coache.

Fußballspieler – insbesondere in der 1. Bundesliga – sind körperlich gestählt und haben für viele Bereiche spezialisierte Trainer. Wie können Sie da noch helfen?

Körperlich ist nicht mehr wirklich viel möglich, doch beispielsweise in der geistigen Flexibilität und Stabilität können sich auch Profifußballer verbessern. Da sehe ich noch großes Potenzial. Diese direkte Arbeit mit den Spielern ist aber eher die Aufgabe von Sportpsychologen. Ich kümmere mich um die Beratung von Trainern und Vereinsführungen.

Egal, ob in der Wirtschaft oder im Profifußball: Wie sollten Führungskräfte idealerweise arbeiten?

Generell ist es eine gute Idee, sich selbst kritisch zu hinterfragen und eigeninitiativ Feedback einzuholen, ob mit Hilfe eines Coaches oder ohne. Ein weiterer Tipp für Trainer oder Manager im Fußball ebenso wie für Führungskräfte aus der Wirtschaft: Es gibt eine große Diskrepanz zwischen dem Ausmaß, in dem Führende die Geführten wertzuschätzen glauben, und der Wertschätzung, die wirklich bei den Leuten ankommt. Insofern sollten Führende darauf achten, ihr Augenmerk aktiver auf diejenigen Dinge zu legen, die gut laufen. Sie sollten die eigenen Leute bewusster loben. Allgemein sollten Führungskräfte visionär-charismatisch auftreten, glaubhaft für ihre Werte eintreten, klare Ziele vereinbaren und sich selbst nicht zu wichtig nehmen.

Wird ein sehr guter Bundesligaspieler auch ein sehr guter Trainer?

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Nein. Aber ein Ex-Profi hat sicher kleine Vorteile, weil er bei den Spielern mehr Kredit hat als ein Trainer, den man nicht kennt. Trainer suchen sich ihre Stationen auch danach aus, wo sie gut hinpassen. Gute Trainer sind „Prototypen“ des zu trainierenden Vereins. Ein Beispiel ist Jürgen Klopp: Er ist von Borussia Dortmund zum FC Liverpool gewechselt. Das ist ebenso ein Spitzenklub, aber eben auch ein Verein, bei dem es auf Leidenschaft ankommt, ein Arbeiterverein, der eine große Fanbasis besitzt. Aus meiner Sicht war das für Klopp ein perfekter Wechsel.

Sie waren vor kurzem Teilnehmer der DFB-Trainertagung in Gladbach, ebenso wie ehemalige und aktuelle Coaches wie Lucien Favre vom BVB, der Schalker David Wagner oder Dieter Hecking vom HSV. Wie läuft so eine Tagung ab?

Wir haben uns am ersten Tag zur gemeinsamen Spielbeobachtung im Borussia-Park getroffen und live den 5:1-Erfolg der Gladbacher gegen den FC Augsburg sowie im Anschluss die beiden weiteren Spiele angeschaut und diskutiert. Ich kenne mittlerweile viele ehemalige und aktuelle Profi-Trainer. Man tauscht sich aus und spricht über Entwicklungen. Ich finde es immer wieder beeindruckend, wie respektvoll die Trainer miteinander umgehen und welches taktische Verständnis sie haben. Mit Bruno Labbadia habe ich beispielsweise versucht, Spielszenen gemeinsam zu analysieren, aber er hat da weitaus mehr erkannt als ich.