Winterberg. . Vor 30 Jahren gewann Johannes Schettel bei der Rennrodel-WM in Winterberg Bronze. Welche Parallelen er zwischen sich und Felix Loch sieht.

Er könnte ein ganz normaler Tourist sein. So, wie er während des Trainings der Rennrodler am Start des Eiskanals der Veltins-EisArena in Winterberg steht. Der normale Tourist trägt zwar eine dicke Winterjacke und eine ebensolche Hose, Schal und Mütze, während er lediglich in dunkler Fleecejacke und Jeanshose unterwegs ist. Aber das ist dem spontanen Fototermin geschuldet.

Darüber hinaus: Der Mann, der von jeder deutschen Rodlerin, die ihm begegnet, mit einem freudigen Hallo begrüßt wird und der den Start von Tatjana Hüfner in ihren Trainingslauf ganz genau beobachtet, ist kein normaler Tourist. Er ist: Johannes Schettel, Rennrodel-Legende aus dem Sauerland. Vor 30 Jahren gewann der heute 59-Jährige auf der Heimbahn im Hochsauerland die Bronzemedaille bei der Weltmeisterschaft.

Das Duell mit Georg Hackl

Am kommenden Wochenende gastieren die Titelkämpfe erneut – und zum insgesamt dritten Mal – in Winterberg. „An 1989 erinnere ich mich noch sehr gut“, sagt Schettel, „wir hatten mit Sonnenschein bei sechs, sieben Grad Minus ein echtes Traumwetter.“ Es sei vorhersehbar gewesen, dass es eine schnelle Veranstaltung werden würde. Eine, bei der er, der Ur-Bigger, sich nur Weltmeister Georg Hackl und dem Zweitplatzierten Jens Müller aus der damaligen DDR geschlagen geben musste.

WM-Bronze 1989 war einer der letzten sportlichen Höhepunkte in Johannes Schettels Erfolgskarriere. Der Sauerländer, der für den BRC Dortmund startete, war in den 1980er Jahren der Beste seiner Sportart in der alten Bundesrepublik, ehe ihm Georg Hackl diese Position streitig machte. Starts bei den Olympischen Winterspielen 1984 in Sarajevo (ausgeschieden im zweiten Lauf) und 1988 in Calgary (siebter Platz) waren ebenso bedeutende Wegmarken wie vier Deutsche Meistertitel zwischen 1982 und 1986, Bronze bei der EM 1988 im Einsitzer sowie Gold im Mannschafts-Wettbewerb oder Platz zwei im Gesamtweltcup 1986 und Rang drei 1989.

Schettel ein Familienmensch

„Der Schorsch und ich haben uns gegenseitig gepusht und geholfen. Wir hatten ein tolles Verhältnis“, erzählt Johannes Schettel. Anders als zum Beispiel Hackl strebte er aber nach seinem Karriereende 1991 keine Laufbahn als Trainer oder Funktionär an. „Ich hätte die Möglichkeit gehabt“, sagt er. „Aber ich war immer mehr der Familienmensch.“ Er machte sich mit seiner Frau mit einem Geschäft für Sportartikel in Olsberg selbstständig und arbeitet noch als Koch bei der Bundeswehr in Winterberg.

Loch reist einen Tag früher ab

„Ich bin ganz froh, dass ich das so gemacht habe“, erzählt Schettel. „Ich bin verheiratet, habe zwei Kinder, die ihren Weg gehen. Ich hätte viel verpasst, wenn ich mich für den anderen Weg entschieden hätte“, ergänzt er und sieht Parallelen zum heutigen Rennrodel-Star Felix Loch, der stets betont, wie sehr er seine Frau und die zwei kleinen Kinder vermisse, wenn er auf Reisen sei. Die zurückliegende Trainingswoche in Winterberg beendete Loch sogar einen Tag früher als seine deutschen Einzel-Kollegen, um heim zu fahren.

WM-Eröffnungsfeier am Donnerstag ab 18 Uhr

Bevor die Rennrodel-WM am Donnerstag ab 18 Uhr mit einer großen Feier auf dem Marktplatz eröffnet wird, stehen in der Veltins-EisArena weitere Trainingseinheiten an. Höhepunkte der Eröffnungsfeier sind der „Einlauf“ der Nationen, die Flaggenparade und die Medaillenpräsentation.

„Wenn ich damals weg war, habe ich mich gefragt: Was machst du eigentlich hier? Du fährst hier herum und zu Hause sitzen Frau und zwei Kinder“, sagt Schettel. Er zog die Konsequenzen und wird auch die bevorstehende WM am Freitag („Am Wochenende bin ich zum Ski-Weltcup nach Schladming eingeladen“) nur als Fan erleben. Als ganz normaler Fan, also fast.