Wiemeringhausen. Jacqueline Lölling ist als Skeleton-Pilotin absolute Weltspitze. Doch ihr Verein, die RSG Hochsauerland, hat es schwer. Das sind die Gründe.

Wolfram Schweizer ist ein Mann der klaren Worte. Und ein Macher. Ein Sauerländer, zu dessen Wortschatz das Verb scheitern nicht gehört, eigentlich. Denn mit Blick auf die RSG Hochsauerland, deren Vorsitzender Schweizer ist, sagt er leise und sehr nachdenklich: „Ich habe bereits tausend Mal überlegt, den Laden einfach zu zumachen.“ Doch Schweizer entschied sich stets anders – noch.

Die RSG-Führungscrew

Etwa 27 Mitglieder umfasst die RSG Hochsauerland aktuell. Neben dem Vorsitzenden Wolfram Schweizer gehören Lena Joch (2. Vorsitzende), Ulrich Lingenauber (Kassierer) sowie Daniel Lingenauber und Berti Hesse dem Vorstand an.

Wer Kontakt mit Wolfram Schweizer aufnehmen möchte, kann dies am besten via E-Mail tun (schweizer.skeleton@t-online.de). Aktuell weilt er mit dem deutschen ICC-Team im russischen Sotschi.

Skeleton, diese spektakuläre Kurvenhatz bäuchlings mit dem Kopf voran auf dem Schlitten liegend durch den Eiskanal, ist Wolfram Schweizers Leidenschaft. Früher raste der Mann aus Olsberg-Wiemeringhausen selbst mit über einhundert Stundenkilometern talwärts, mittlerweile gilt er als einer der besten Mechaniker des Bob- und Schlittenverbands für Deutschland (BSD) und fungiert als Leiter des Projekts Quereinsteiger. Durch dieses sollen zum Beispiel in ihren Leistungen auf der Tartanbahn stagnierende Leichtathleten auf den Skeleton-Schlitten gebracht werden.

Nur noch eine Aktive

Umso mehr bedrückt den Sauerländer der Niedergang seiner RSG Hochsauerland, die 2001 von Mitgliedern eines in Wiemeringhausen ansässigen Motorrad-Klubs gegründet wurde und als Ergänzung zum „leicht Bob-lastigen BSC Winterberg“, so Schweizer, dienen sollte. Das Konzept ging lange Zeit auf. „Wir sind der kleinste, aber erfolgreichste Skeleton-Verein Deutschlands“, erzählt Schweizer stolz.

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Bei den Olympischen Winterspielen 2010 in Vancouver gewann Kerstin Szymkowiak die Silbermedaille für Deutschland – und die RSG. 2018 holte Jacqueline Lölling in Pyeongchang Olympia-Silber für Deutschland – und die RSG.

Zwei von lediglich drei deutschen Skeleton-Medaillen bei Olympischen Winterspielen (2010 gewann Anja Huber hinter Szymkowiak außerdem Bronze) gehen auf das Konto der Rennschlittengemeinschaft Hochsauerland. Diverse Medaillen bei Weltmeisterschaften komplettieren die Erfolgsgeschichte der vergangenen Jahre. Aktuell allerdings verblasst der frühere Glanz.

Zwar startet Jacqueline Lölling noch für die RSG im Weltcup und gilt als heiße Anwärterin auf den Sieg im Gesamtweltcup sowie bei der Weltmeisterschaft 2020 in Altenberg. Doch außer „Jacka“ – gibt es keine aktiven Sportler mehr im Klub. „Die letzte Nachwuchs-Pilotin hat sich vor einigen Wochen abgemeldet“, sagt Schweizer, um bedient nachzuschieben: „Per WhatsApp-Mitteilung.“

Kein Budget für Nachwuchs

Der Vereinschef kämpft gegen zwei Probleme. Zum einen fehlen Kinder und Jugendliche, die sich für den Skeleton-Sport begeistern. Zum anderen fehlen Sponsoren, die Geld für die Nachwuchsarbeit bereit stellen. Und außerdem beklagt Schweizer: „Selbst zur Deutschen Meisterschaft kommt kein Wiemeringhäuser mehr auf die Idee, an die Bahn in Winterberg zu fahren – es sei denn das Enkelkind ist am Start.“

Am Material scheitert der Start in die Skeleton-Karriere bei der RSG Hochsauerland nicht. „Bis die Kinder in einen Kader kommen, können wir mit Sachen aushelfen“, sagt Schweizer. Was ihm derzeit sehr zu schaffen macht, sind fehlende finanzielle Mittel. „Aus der Schulsichtung, die der Verband durchführt, hätte ich zuletzt zwei Mädchen im Verein aufnehmen können“, erzählt Schweizer, „aber leider fehlte mir das Budget dafür.“

Sehr gute Chancen

Neben der RSG Hochsauerland bieten rund um den Stützpunkt in Winterberg auch der BSC Winterberg und der BRC Hallenberg Skeleton-Sportlern eine Heimat. Vor einigen Monaten gründete sich als eine Art Außenposten im Ruhrgebiet die Abteilung Kufe im TV Gladbeck. „Unser Einzugsgebiet ist riesig“, sagt Wolfram Schweizer, „aber für diese Größe bleiben einfach zu wenig Sportler hängen.“

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Woran das liegt? Darüber kann der erfahrene RSG-Chef nur mutmaßen. Die schulische Belastung der jungen Generation hat zugenommen. Die Eltern müssen hinter dem Sport der Kinder stehen, schließlich kann nur in der Veltins-EisArena in Winterberg gefahren werden. „Aber die Chancen, bis in die nationale oder sogar in die internationale Spitze zu kommen, sind sehr gut“, sagt Schweizer, „wenn man sich ein bisschen quälen kann.“

Lölling als bestes Beispiel

Jacqueline Lölling ist aktuell das beste und prominenteste Beispiel für Schweizers Worte. 2017 wurde sie als damals amtierende Weltmeisterin und Gesamtweltcup-Siegerin zum „Newcomer des Jahres“ gewählt und erhielt ein zweigeteiltes Preisgeld von 16.000 Euro. Die Hälfte ging „an meinen Verein, die RSG Hochsauerland“, sagte Lölling. „Für einen kleinen Verein wie unseren ist das sehr viel Geld.“

Sehr viel Geld, das unter anderem für einen Schlitten und vier Kufenpaare eingesetzt wurde – nur der Platz auf dem Schlitten, der ist frei und wartet auf einen Piloten oder eine Pilotin. Damit Schweizer seinen „Laden“ nicht doch zumacht.