Whistler/Winterberg. . Das war nichts für schwache Nerven. Warum Cheftrainer René Spies bei der Bob-WM der Atem stockte und wie Jamanka/Drazek ihren Gold-Lauf erlebten.
Annika Drazek blieb im Bob sitzen. Sie jubelte nicht. Im Gegenteil. Sie schlug ihre behandschuhten Hände vor das Visier ihres Helmes. Dahinter – das zu erkennen, war kein Hexenwerk – kullerte die eine oder andere Träne. Vor Erleichterung.
Mit ihrer Pilotin Mariama Jamanka (Oberhof) gewann Annika Drazek, die Anschieberin des BSC Winterberg, den Weltmeistertitel im kanadischen Whistler. Doch in Führung liegend geriet der Triumph im vierten Lauf für einen Moment in Gefahr, als der Bob mit Jamanka/Drazek umzukippen drohte. „Ich habe echt gedacht, dass wir stürzen“, sagte Drazek immer noch von ihren Emotionen durchgeschüttelt, als sie ihre Pilotin im Ziel der Olympiabahn von 2010 endlich umarmte. Und auch Jamanka war zu erst noch der Schrecken ins Gesicht geschrieben.
„Ich sehe ja nichts“, sagte die Gladbeckerin Drazek über die Schrecksekunde(n). „Es war brutal, aus der Kurve 13 heraus dachte ich, ich küsse die Bremse. Es war ein Geschepper – dann kamen wir oben an und ich dachte nur: Das muss jetzt aber gereicht haben, oder?“, ergänzte sie.
Jamanka: „Dachte, ich habe es versaut“
Ähnlich unsicher war sich Jamanka, die Olympiasiegerin 2018 und Gesamtweltcupsiegerin 2019. „Vor der Kurve 12 dachte ich nur: Das wird schwierig. Ich habe versucht durchzukommen und zu retten, was zu retten war. Im Ziel dachte ich aber, dass ich es versaut habe“, sagte sie. Umso glücklicher waren Jamanka/Drazek, dass es doch zum Titel reichte.
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Stephanie Schneider (Oberbärenburg) sorgte mit Ann-Christin Strack für einen überraschenden deutschen Doppelsieg, 1,06 Sekunden trennten die beiden Teamkolleginnen nach vier Läufen. Die Kanadierin Christine de Bruin (+1,17) holte Bronze.
Jamankas einzige echte Rivalin im Kampf um Gold musste ihre Hoffnungen schon im dritten Lauf begraben: Titelverteidigerin Elana Meyers Taylor aus den USA stürzte schwer und machte damit den Weg für die Deutsche frei. Zuvor hatte Meyers Taylor nur 13 Hundertstel hinter Jamanka gelegen.
Das sagt Cheftrainer René Spies
„Wir sind natürlich überglücklich, auch wenn wir von Elanas Sturz profitiert haben“, sagte der aus Winterberg stammende Chef-Bundestrainer René Spies. Mit Blick auf den Fast-Sturz von Jamanka/Drazek und eine ähnlich brenzlige Situation von Schneider/Strack im dritten WM-Lauf ergänzte Spies: „Unser Sieg hing zweimal am seidenen Faden, deshalb sehen wir gerade alle aus wie über Siebzig. Aber wir sind froh, dass wir gewonnen haben.“
Deshalb ist Anna Köhler enttäuscht
Anna Köhler (BSC Winterberg/+2,33) wurde mit ihrer Anschieberin und Vereinskollegin Leonie Fiebig auf der schnellsten Bahn der Welt Siebte – und war sauer auf sich selbst. „Ich bin sehr enttäuscht. Das Training lief so gut, aber im Wettkampf konnte ich gar nichts abrufen“, sagte sie mit Tränen in den Augen. „Eigentlich gefällt mir die Bahn super, aber ich bekomme die Leistung aus dem Training im Wettkampf nicht umgesetzt“, haderte sie.