Gelsenkirchen. Der frühere S04-Torwart hat die dramatische Horror-Saison 1988/89 hautnah miterlebt. Jetzt zieht er einen Vergleich zum aktuellen Team.
Werner Vollack ist noch immer bestens im Bilde. Der 68-Jährige, der von 1988 bis 1990 das Schalker Tor in der 2. Liga hütete, sieht jedes Spiel der Königsblauen im Fernsehen.
Kein Happy-End garantiert
Was die Mannschaft in der aktuellen Saison bietet, lässt Vollack erschaudern: „Die derzeitige Lage ist mindestens so prekär wie 1988/89, als wir uns erst am vorletzten Spieltag mit einem 4:1 gegen Blau-Weiß 90 Berlin vor dem Abstieg aus der 2. Liga retten konnten.“ Doch ein neuerliches Happy-End sei keinesfalls garantiert, betont der gebürtige Duisburger: „Wenn man die Auftritte zuletzt gesehen hat, wird einem angst und bange, dass das schief geht.“
Die Statistik untermauert dies: Das Team um Kapitän Simon Terodde (35) steht noch schlechter da als Vollack Co. in der Horror-Spielzeit 1988/89, die bislang als schlechteste Schalker Saison aller Zeiten galt. Aktuell stehen für Königsblau nach 13 Spieltagen kümmerliche 13 Pünktchen und Relegationsrang 16 zu Buche. 1988/89 waren es zum gleichen Zeitpunkt immerhin 16 Zähler (umgerechnet auf die heutige Drei-Punkte-Regel) und Platz 13 in der damaligen 20er-Liga. In der laufenden Saison kassierte S04 bereits acht Niederlagen (1988/89: sieben) und horrende 28 Gegentore (1988/89: 16).
Vollack: „Unerklärlich“
Zwar holte Königsblau in den ersten drei Ligaspielen unter Neu-Trainer Karel Geraerts sechs Punkte, doch die folgende 1:2-Heimpleite gegen Aufsteiger Elversberg war ein schlimmer Rückfall – nicht nur vom Resultat her. „Mir ist unerklärlich, wie man mit über 60.000 Fans im Rücken so gegen Elversberg unterliegen kann“, wundert sich Vollack: „60.000 in der 2. Liga – das ist europaweit einzigartig.“
Was den langjährigen Profi (150 Erst- und 258 Zweitliga-Spiele, u.a. für Bayer Uerdingen, FC Homburg und Schalke) besonders erschreckt, sind die regelmäßigen Schwächephasen im Schalker Spiel. Gegen Elversberg fehlte in den ersten 30 Minuten jeglicher Dampf. „Ich weiß ja nicht, wie es teamintern aussieht“, erklärt Vollack: „Ist es fehlende Motivation oder mangelndes Selbstvertrauen? Aber eines weiß ich: In der 2. Liga musst du 90 Minuten lang marschieren – bis der Arzt kommt. So wie zuletzt reicht es nicht.“
Aus Vollacks Sicht sind jetzt vor allem die Führungsspieler gefragt. „Es sind genügend erfahrene Kräfte dabei, die müssten jetzt vorangehen – mit Leistung, aber auch mit gezielten Worten an die Mitspieler. Man kann nicht immer alles auf den Trainer abwälzen.“
Er selbst habe 1988/89 immer wieder versucht, die taumelnde Truppe wachzurütteln: „Ich hab mich mehrfach unbeliebt gemacht, weil ich den Jungs schonungslos gesagt habe: ,So kann man keinen Erfolg haben.’ Wir hatten damals einige sehr bequeme Spieler im Kader, die in der Saison zuvor mit Schalke abgestiegen waren und nun immer noch auf gut dotierten Verträgen saßen. Da war auch eine gewisse Arroganz im Spiel. Die dachten: 2. Liga, pah! Wir ziehen einfach das blaue Trikot über, und dann läuft das schon.“
Abstieg wäre Katastrophe
Lief es aber nicht. Nach 26 Spieltagen stand der siebenmalige Deutsche Meister auf dem vorletzten Platz – mit eineinhalb Beinen in der damals drittklassigen Oberliga. Doch Vollack kämpfte weiter gegen den Absturz an: „Andreas Müller und ich als erfahrenste Spieler im Kader haben uns in Düsseldorf mit dem damaligen Präsidenten Günter Eichberg zusammengesetzt. Es ging um die Frage: Wie können wir das stoppen? Mit Schalke aus der 2. Liga abzusteigen, käme ja einer Katastrophe gleich, auch finanziell – heute ebenso wie 1988/89.“
Damals hatte S04 bereits einen Trainerwechsel hinter sich: Diethelm Ferner (verstarb am 7. November im Alter von 82 Jahren; die Redaktion) war nach neun Spielen für Horst Franz gekommen. „Ferner war ein guter Trainer und ein toller Mensch“, sagt Vollack, „aber er war für für die damalige Mannschaft zu gutmütig.“ Präses Eichberg zauberte daraufhin einen gewissen Peter Neururer aus dem Hut. Der Diplom-Sportlehrer aus Marl führte Schalke in den letzten elf Spielen zu sechs Siegen (bei zwei Remis und drei Niederlagen). Das langte zum Klassenerhalt.
Neururer bekam es in den Griff
„Der Peter hat die Missstände in den Griff bekommen, indem er anfangs auch mal mit dem Hammer drauf gehauen hat“, erinnert sich Vollack. „Er hat viele Gespräche geführt und allen mit drastischen Worten klargemacht, worum es ging: um die Existenz von Schalke 04. Gerade zu Beginn hat er oft sehr hart trainieren lassen, um diese bequeme Truppe wieder fit zu machen. Zusätzlich hat er alle Spieler täglich starkgeredet und sie damit auch bei der Ehre gepackt.“
Ob die aktuellen S04-Profis sich ebenfalls bei der Ehre packen lassen? „Weiß ich nicht“, sagt Vollack. „Heute sind die Spieler in einer viel komfortableren Situation als früher. Bei Abstieg können sie vermutlich alle ablösefrei gehen. Man muss davon ausgehen, dass ihre Berater sich bereits umhören.“