Gelsenkirchen. Rund ein Jahr nach seiner Freistellung ging Schalkes Ex-Trainer Frank Kramer mit dem Klub hart ins Gericht. Doch darf er das? Ein Kommentar.

Das hat dem FC Schalke 04 gerade noch gefehlt: Die Unruhe rund um den Klub ist riesengroß, ein Trainer fehlt, der Vorstandsvorsitzende wurde noch nicht präsentiert, der Sportvorstand ist umstritten, die finanzielle Lage schlecht - von der sportlichen ganz zu schweigen. Und nun meldete sich auch noch Ex-Trainer Frank Kramer zu Wort. In einem Interview mit dem Kicker wählte Kramer scharfe Worte, um Schalke allgemein und Sportvorstand Knäbel im Besonderen zu kritisieren. Ausgerechnet Kramer.

Fassungslos: Frank Kramer war vier Monate lang Schalke-Trainer.
Fassungslos: Frank Kramer war vier Monate lang Schalke-Trainer. © dpa

Mit Kopfschütteln habe er die Freistellung von Ex-Trainer Thomas Reis zur Kenntnis genommen, sagte Kramer zu Beginn des bemerkenswerten Gesprächs. Im Tagesgeschäft und in der mittel- und langfristigen Strategie würde es an Kompetenz mangeln, sonst würden Sportdirektoren und Trainer nicht ständig gewechselt. Auch er habe verfolgt, wie Knäbel kürzlich Reis' Freistellung begründet habe. "Da fragte ich mich: Was hat der Vorstand dagegen getan? Wie hat er den Trainer unterstützt? Wie hat der oberste sportliche Verantwortliche gegengesteuert?" Die sportliche Führung habe offenbar die falschen Spieler ausgesucht.

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Mit einigen seiner Kritikpunkte liegt Kramer durchaus richtig. Natürlich hat der Verein etliche falsche und manchmal voreilige Entscheidungen getroffen, sonst wäre er jetzt nicht Zweitligist und in finanziell großen Schwierigkeiten. Ja, Reis wurde gegen Ende seiner Amtszeit häufig allein gelassen, gerade von Knäbel nicht oft verteidigt. Und es deutet sich an, dass Knäbel und Sportdirektor André Hechelmann nicht nur gute und passende Spieler geholt haben - zumal sie für Reis' Strategie geholt wurden. Womöglich hat ein neuer Trainer ja andere Ideen.

Schalke und Kramer: Fünf Niederlagen in Folge vor Rauswurf

Doch eins taucht in Kramers Interview nur am Rand vor: Selbstkritik. Als er nach zehn Liga- und zwei Pokalspielen im Oktober 2022 gehen musste, hatte er fünf Pflichtspiele in Folge verloren, bei einer Desaster-Tordifferenz von 3:16. Mit nur sechs erreichten Punkten stand Schalke auf einem Abstiegsplatz. Er passte mit seiner Art nicht nach Schalke, sein Spielstil war vorhersehbar und nicht attraktiv. Den Rückhalt in der Mannschaft und bei den Fans hatte er schon lange vor seinem Rauswurf verloren. Auch an Dauer und Intensität seiner Trainingseinheiten gab es Kritik - über das lasche Sommer-Trainingslager in Mittersill 2022 wunderten sich auch die Spieler.

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Im Interview übernahm Kramer zwar die sportliche Verantwortung für den Ertrag. Die Gründe aber sucht er woanders: Die Mannschaft mit 22 Ab- und 14 Zugängen sei eben noch nicht zusammengewachsen. Die Qualität der Spieler für die Spielidee hätte er eventuell falsch eingeschätzt. Er hebt den "extremen Umbruch" hervor.

Für sein Interview bekommt Kramer nun viel Aufmerksamkeit. Draufzuhauen ist eben einfach - zunächst aber sollte Kramer seine eigenen Fehler reflektieren, bevor er sich die aktuelle Vereinsführung vornimmt. So richtig eine Kritikpunkte auch sein mögen.

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