Gelsenkirchen. Interimstrainer Matthias Kreutzer soll Schalke 04 am Freitag in Paderborn zum Sieg dirigieren. Stellt der 40-Jährige dafür das System um?

Matthias Kreutzer kannte diesen Platz schon. Fast ein Jahr ist es her, da nahm der Assistenztrainer des FC Schalke 04 schon mal auf dem Podium im Presseraum Platz, in offizieller Funktion als Interimstrainer. „Es ist herausfordernd, weil das nächste Spiel unmittelbar bevorsteht“, sagte Kreutzer. Trotz der Erfahrung wirkte er etwas nervös, gestikulierte wild mit seinen Händen. Inmitten des Schalker Trubels um Personalwechsel, Finanzsorgen und sportlicher Not soll Kreutzer das Team zu einem Sieg im Zweitliga-Spiel beim SC Paderborn (Freitag, 18.30 Uhr/Sky) führen. Eine schwierige Aufgabe.

Vor einem Jahr, im Bundesliga-Übergangsspiel zwischen den Amtszeiten von Frank Kramer und Thomas Reis, gelang ihm das nicht. Schalke verlor mit 1:2 bei Hertha BSC im Berliner Olympiastadion, unverdient und unglücklich war das. Für die individuellen Fehler der Abwehr konnte er nichts.

Und diesmal? Die fachliche Expertise bringt er mit. In Erfurt ist der heute 40-Jährige geboren, spielte selbst nicht sehr hoch. „Ich habe relativ schnell gemerkt, dass es nicht ausreichen wird, um mein Geld zu verdienen“, sagte Kreutzer einmal. Deshalb studierte er Sportökonomie, bekam über ein Praktikum einen Einblick in die Bereiche Scouting und Spielanalyse. Das Feld Spielanalyse war, wie er einmal sagte, „komplett unausgereift“. 2006 begann er beim Hamburger SV, arbeitete direkt mit Schalkes Jahrhunderttrainer Huub Stevens zusammen, der „die Vorteile der Spielanalyse“ erkannt habe. Stevens und Kreutzer verstanden sich gut, der Kontakt blieb erhalten. Beim HSV arbeitete er bis 2018, baute die Videoanalyse-Abteilung auf, arbeitete mit 18 Trainern zusammen, war schließlich Co-Trainer der Profimannschaft, bevor er in dieser Position im Juni 2018 freigestellt wurde.

Schalke-Vorstand Knäbel hält viel von Kreutzer

Über Huub Stevens kam Kreutzer im März 2019 zu den Königsblauen – Stevens hatte den Trainerjob von Domenico Tedesco übernommen. Kreutzer übernahm die Spielanalysen und Teile der Trainingsarbeit auf dem Platz – und er arbeitete außer Stevens noch sechs weiteren Cheftrainern zu. Schalkes ehemaliger Sportdirektor Rouven Schröder fasste die „unfassbar hohe“ Wertschätzung für Kreutzer einmal so zusammen: „Er hat ein besonderes Talent zu motivieren und ein besonderes Talent, Dinge klar anzusprechen.“ Auch der aktuelle Sportvorstand Peter Knäbel hält sehr viel von Kreutzer: „Wir haben volles Vertrauen in ihn.“

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Doch wie packt Kreutzer die Mannschaft an? Seine Rolle unter dem am Mittwoch freigestellten Thomas Reis war die dritte, nicht die zweite Reihe. Reis vertraute seinem (ebenfalls rausgeworfenen) Assistenten Markus Gellhaus. Der leitete die meisten Trainingsübungen. Kreutzer blieb eine Beobachterrolle im Training, während der Spiele saß er auf der Tribüne, war lediglich über Funk mit der Bank verbunden. Auf ausführliche Videoanalysen legte Reis nicht so viel wert wie andere Trainer. Auch Mike Büskens, dem Kreutzer als Co-Trainer vertraut, war unter Reis eher eine Randperson im Trainerteam.

Schalke in Paderborn mit Dreier- statt Viererkette?

Kreutzer sagt nun über seine Taktik: „Thomas hat seine Überzeugung, ich habe meine. Die gilt es jetzt zu vermitteln“, sagte er. Vor dem Berlin-Spiel änderte er das System, stellte von Frank Kramers bevorzugter Viererkette auf eine Dreierkette um. Gibt es in Paderborn nun den umgekehrten Weg – Dreier- statt Viererkette? In Ruhe wolle er das entscheiden, sagte Kreutzer. Aber eine Idee habe er im Kopf. Die Probleme der vergangenen Wochen zwischen Mannschaft und Reis, die auch zur Freistellung des Trainers beitrugen, schiebt Kreutzer beiseite. „All’ diese Dinge, die in der Vergangenheit waren, spielen für mich in den nächsten bis zu 15 Tagen keine Rolle“, sagte er. Und wer die Trainingseinheiten verfolgt, der weiß, dass Kreutzer durchaus auch laut werden kann.

Womit sich in diesen Tagen auf Schalke wenige außer Kreutzer beschäftigt haben? Mit dem Gegner. „Paderborn ist eine Mannschaft, die viele Positions- und Systemwechsel hatte. Sie mag Ballbesitz, kann aber auch gut kontern“, analysierte Kreutzer. Und am Ende sagte er den Satz: „Sie haben auch nur einen Punkt mehr als wir.“

Und das wird im Chaos dieser Tage gern vergessen: Es fehlen nur sechs Punkte bis zu den Aufstiegsplätzen, das lässt sich in 27 Spielen locker aufholen. Kreutzer ist erst einmal für drei Punkte zuständig. Und wenn der neue Trainer kommt, rückt er wieder in die zweite Reihe.

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