Die Suspendierung von Schalke-Profi Timo Baumgartls nach kritischem Interview wird nicht reichen, dem Trainer Ruhe zu verschaffen. Ein Kommentar.

Wenn Fußballprofis unmittelbar nach Abpfiff, nach 90 Minuten Hochleistungssport, vor ein TV-Mikro treten, darf man kein philosophisches Proseminar erwarten. Deswegen sollte man nicht jedes Wort auf die Goldwaage legen. Geht es aber um ganze Wortkaskaden, wie sie Schalkes Timo Baumgartl am Samstagabend in Hamburg abfeuerte, sieht die Sache schon wieder anders aus. Dem Abwehrspieler war ja gerade keine Formulierung verrutscht. In mehreren Anläufen verriss er die Taktik seines Trainers Thomas Reis, konnte sich auch auf mehrfache Nachfrage kein „Ja“ abringen auf die Frage, ob die Mannschaft zum Trainer steht.

Es kommentiert Sport-Redaktionsleiter Sebastian Weßling.
Es kommentiert Sport-Redaktionsleiter Sebastian Weßling. © Montage: Seric Kuzoluk

Dass Baumgartl diese Sätze unmittelbar nach Abpfiff sprach, dass er nicht groß Zeit zum Nachdenken hatte, dass ihm kein Mitarbeiter der Medienabteilung ein paar harmlose Sätze einflüstern konnte – all das spricht dafür, dass die deutlichen Aussagen genauso gemeint waren, wie sie gesagt wurden, dass Baumgartls sagte, was er schon länger denkt. Und dass er eine Stimmung in der Mannschaft wiedergab, denn hinter vorgehaltener Hand hat man solche Sätze auf Schalke schon mehrfach gehört.

Nun ist offensichtlich, wie sehr es zwischen Schalke-Trainer Reis und dem Team knirscht

Ein solcher Ausbruch muss zwingend eine Reaktion nach sich ziehen, sonst ist die Autorität eines Trainers dahin. Nachvollziehbar also, dass die Klubchefs den Spieler sanktionierten, die Alternative wäre der Rauswurf des Trainers gewesen. Aber: Den Geist, der nun endgültig aus der Flasche ist, wird man nicht mehr einfangen können. Nun ist offensichtlich, wie sehr es zwischen dem Trainer und zumindest einem Teil der Mannschaft knirscht – und zu diesem Teil gehören so einige Führungsspieler. Auch Ralf Fährmann war ja schon einmal suspendiert, weil sein Berater öffentlich polterte.

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Reis muss jetzt auf Schalke liefern

Wenn wichtige Spieler erkennbar überkreuz liegen mit dem Vorgesetzten, wenn ein nennenswerter Teil der Mannschaft offensichtlich nicht überzeugt ist von dem, was der Trainer spielen lassen will, dann ist kaum vorstellbar, dass Schalke zurück zum Erfolg findet. Trainer Reis muss nun schnell das Gegenteil beweisen – denn gestärkt ist seine Position durch die jüngsten Ereignisse ganz sicher nicht.