Gelsenkirchen. Im Interview spricht Paul Seguin vom FC Schalke 04 über die besondere Beziehung seiner Familie zum heutigen Gegner 1. FC Magdeburg.
Das Interview ist gerade beendet, Paul Seguin, 28 Jahre alt, steht noch für ein paar Fotos bereit. Es geht kurz um das einzige Pflichtspiel, dass der Profi des FC Schalke 04 bisher gegen den 1. FC Magdeburg bestritten hat – und mit Union Berlin 1:2 verlor. Seguin verfällt etwas ins Berlinerische, flachst sympathisch. Schalke gegen Magdeburg (Samstag, 20.30 Uhr) in der Zweiten Liga, dieses Spiel lässt keinen in der Familie Seguin kalt. Es ist zu merken, welche Bedeutung für ihn die Familie hat: Sein Vater ist eine Magdeburger Legende, und fast immer, wenn sein Bruder Maik im Stadion ist, schießt er ein Tor.
Herr Seguin, kommt Ihr Bruder Maik eigentlich am Samstag?
Paul Seguin: Nein, der kommt nicht. Der älteste Bruder kommt, Norman.
Das heißt: kein Tor von Paul Seguin?
Seguin: (lacht) Schauen wir mal. Norman war noch nicht so oft im Stadion.
Der Name Seguin ist ganz eng mit dem 1. FC Magdeburg verbunden. Ihr Vater Wolfgang war Europapokalsieger, hat 380 DDR-Oberligaspiele bestritten, saß später im Aufsichtsrat. Warum wird Ihr Vater Wolfgang seit Jahrzehnten eigentlich Paule genannt?
Seguin: Mein Vater war zu Schulzeiten Balljunge hinter dem Tor seines ersten Vereins BSG Einheit Burg. Der Keeper hieß Paule – und der Name hat sich irgendwann auf ihn übertragen.
Sie sind die jüngste von fünf Seguin-Brüdern, es gibt nicht nur Maik und Norman – warum heißen erst Sie Paul?
Seguin: Paule ist der Spitzname von allen, auch in der Heimat meiner Brüder. So wurden wir groß. Ich war der letzte und dann hat meine Mutter gesagt: Das wird der richtige Paul.
Welche Bedeutung hatten Ihre Eltern für Ihre Karriere?
Seguin: Eine große. Mein Vater hat natürlich sehr viel Ahnung von Fußball, wir tauschen uns regelmäßig aus. Heute nehme ich seine Kritik besser an als zu Jugendzeiten. (schmunzelt)
Ein Seguin spielt gegen Magdeburg – das muss für Sie ganz besonders sein.
Seguin: Ja, ist es, auch weil es für meinen Vater etwas Besonderes ist. Aber ich muss gleichzeitig sagen: Ich bin zwar in Magdeburg geboren, aber im Alter von einem Jahr nach Stendal gezogen und dort groß geworden – 60 Kilometer entfernt. Deswegen hatte ich mit dem 1. FC Magdeburg persönlich keine großen Berührungspunkte. Klar war ich oft bei Spielen des FCM mit meinem Vater, ich habe aber selten zugeguckt, sondern bin selbst spielen gegangen nebenan im Ernst-Grube-Stadion. Ich verfolge den Verein nach wie vor, er hat eine schöne Entwicklung genommen, über die ich mich sehr freue. Am Wochenende möchte ich gewinnen - und nicht der 1. FC Magdeburg.
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Kommt dieses Spiel zum falschen Zeitpunkt? Magdeburg ist euphorisch, bringt viele Fans mit – Schalke hingegen ist in einer schwierigen Situation.
Seguin: Es wird ein schwieriges Spiel, weil wir nicht so aus den Startlöchern gekommen sind, wie wir es uns alle erhofft hatten. Aber in den vergangenen drei Wochen hatten wir intern einige gute Gespräche, woran wir arbeiten können, was wir besser machen können, gerade im Spiel gegen den Ball. Wir wollen am Samstag erst einmal gut stehen, um aus dieser Position dann selbst initiativ zu werden. Wenn wir mit dem Ball mutig sind, haben wir genug Qualität, um jede Mannschaft der Liga zu schlagen.
Wie bewerten Sie den 1. FC Magdeburg sportlich?
Seguin: Es ist eine klare Spielphilosophie zu erkennen, die sehr mutig ist. Sie lassen sich nicht aus der Ruhe bringen. Klar kassiert Magdeburg auch mal ein Gegentor mehr, wenn man so riskant spielt. Ich finde aber den Weg, den der Verein geht, sehr gut. Er überrascht mich nicht, im Sommer hat sich der Klub gut verstärkt.
Auffällig ist, dass Sie trotz der Historie Ihrer Familie nie selbst für den FCM gespielt haben. Warum eigentlich nicht?
Seguin: Es war tatsächlich nie ein Thema für mich. Ich bin aus Stendal noch in der Jugend direkt nach Wolfsburg gewechselt, habe mich dort nach der Jugendzeit durchgesetzt und Bundesliga gespielt. Magdeburg war lange in der Dritten Liga. Das kam nie infrage für mich.
Würde es Ihre Karriere krönen, wenn Sie als ein Seguin mal für den 1. FC Magdeburg Fußball spielen?
Seguin: (lacht) Ich konzentriere mich voll und ganz auf Schalke, ich will mit Schalke Erfolge feiern. Aber ja: Für Magdeburg später mal zu spielen, das könnte ich mir grundsätzlich schon vorstellen.
Jetzt sind Sie auf Schalke, tragen die Rückennummer 7 – sie hat wegen Raúl und Stan Libuda eine besondere Bedeutung. Warum?
Seguin: Ich habe geschaut, was noch frei ist – da habe ich die 7 gesehen. Mein Vater hat die früher auch getragen. Ich hoffe, dass ich der Nummer 7 in den kommenden Wochen würdiger werde. Ich glaube, dass ich noch viel, viel mehr leisten kann als ich bisher gezeigt habe.
Im Sommer kamen Sie von Union Berlin nach Gelsenkirchen. Sie spielen in der Zweiten Liga gegen Magdeburg, Union Berlin gegen Real Madrid in der Champions League. Haben Sie deshalb ein weinendes Auge?
Seguin: Im Sommer hat Union mir gesagt, dass der Verein nicht mehr mit mir plant. Das hat mich sehr getroffen. Ich hätte mich dort gern durchgesetzt und durchgekämpft. Die Gelegenheit habe ich leider nicht bekommen. Ich habe mich umgeschaut, wollte eine faire Chance bekommen. Mit Schalke hatte ich gute Gespräche, mir wurde ein klarer Plan aufgezeigt. Wenn so ein Verein anruft, sollte man sowieso nicht so lange überlegen.
Stimmt es, dass Ihnen bei den Verhandlungen eine Powerpoint-Präsentation gezeigt wurde?
Seguin: Ja, Schalke hat meine Stärken und Schwächen gezeigt. Deshalb hatte ich ein sehr gutes Gefühl dafür, wie man mich sieht.
In der Vorbereitung hatten sie immer wieder leichte Probleme – hat es auch eine Rolle gespielt, dass Sie bei Union Berlin aussortiert worden waren?
Seguin: Ich hatte in der Vorbereitung ein paar körperliche Probleme. Auch wenn ich davon nicht ausgehe, können auch der Umzug und der Kopf eine Rolle gespielt haben. Die vergangenen Wochen waren besser.
Für Ihren Vater ging es immer nur bergauf, Ihre Karriere war bis jetzt eine Achterbahnfahrt – in Wolfsburg haben Sie erst gespielt, dann nicht. Sie spielten für Dresden in der Zweiten Liga, stiegen dann mit Fürth in die Bundesliga auf. Bei Union Berlin haben Sie viel gespielt, wurden dann aussortiert.
Seguin: Ich habe viele Fehler gemacht, hatte manchmal auch nicht das nötige Glück. Ich habe daraus gelernt, bin sehr ehrlich und weiß, wenn ich etwas nicht so gut mache. So bin ich erzogen worden.
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Sie haben mal über sich gesagt, sie seien etwas verträumt. Allgemein wirken sie sehr ruhig. Ist es bei einem emotionalen Verein wie Schalke schwierig, ruhig zu bleiben?
Seguin: Klar ist es ein neuer Verein, ein riesiger Verein sogar. Ich versuche, mich nicht aus der Ruhe bringen zu lassen. Und das möchte ich der Mannschaft mitgeben. Auf dem Platz gebe ich aber auch Kommandos.
Was ist Ihre Lieblingsrolle in der Mannschaft? Bei Ihren ehemaligen Vereinen haben sie gegen Ihren Willen auch mal Rechtsverteidiger gespielt.
Seguin: Stand jetzt sehe ich mich im Zentrum. Meine Stärke ist es, ein Spiel zu lesen, ihm Struktur zu geben. Ich glaube, dass ich das gegen Wiesbaden in der ersten Halbzeit auch getan habe. Für mich ist das in der Truppe die bessere Position.
Haben Sie es in den Verhandlungen angesprochen, dass Sie nicht mehr Außenverteidiger sein wollen?
Seguin: Ich wurde fürs Mittelfeld geholt. Gegen Kiel habe ich rechts vorne gespielt. Auch wenn das nicht unbedingt meine Position ist, habe ich versucht, mein Bestes zu geben.
Jetzt werden Sie wohl im Mittelfeld zum Einsatz kommen. Wie viele Karten mussten Sie eigentlich besorgen?
Seguin: (überlegt) Es ging tatsächlich. Insgesamt waren es nur neun oder zehn.
Ihr Vater kommt nicht. Für wen ist er denn?
Seguin: Ich bin sein Sohn. Ich glaube, er würde lügen, wenn er für Magdeburg wäre. Der Vorteil an dem Spiel ist: Er kann ja einen neutralen blau-weißen Schal tragen, weil es die Vereinsfarben von beiden Klubs sind.