Duisburg. Beim MSV Duisburg laufen die Planungen für die Regionalliga auf Hochtouren. Das ist auch für Geschäftsführer Michael Preetz eine neue Erfahrung.
Aufzug oder Treppe? Treppe natürlich. Mit großen Schritten geht Michael Preetz (56) voran. Immer zwei Stufen auf einmal. Er hat viel vor, will schnell und hoch hinaus. Nachdem er die Tür geöffnet hat, schlägt ihm ein Sinnbild der aktuellen Lage entgegen. Aus den Fenstern der Logen blickt man auf das Spielfeld: Kein sattes Grün ist dort vor den blau-weißen Rängen zu sehen. Der Rasen ist herausgerissen, mehrere Bagger arbeiten sich durch die schlammige Erde. „Das ist die Realität“, sagt Preetz und meint damit nicht nur das Spielfeld. Das wird Ende Juni wieder hergestellt sein. Aber auch im gesamten Verein muss einiges umgepflügt, herausgerissen und erneuert werden. 1963 war der MSV Duisburg Gründungsmitglied der Bundesliga, 61 Jahre später steigen die Zebras nach einer ungenügenden Drittliga-Saison erstmals in die Viertklassigkeit ab.
Verhindern konnte das auch Michael Preetz nicht. Der ehemalige Stürmer, der von 1992 bis 1994 auch im Dienst der Meidericher stand, war bis 2021 als Geschäftsführer von Bundesligist Hertha BSC aktiv. Im Januar übernahm er den MSV, die große Wende gelang ihm nicht mehr.
Herr Preetz, von 1992 bis 1994 liefen Sie als Stürmer für den MSV Duisburg auf, 30 Jahre später sind Sie als Geschäftsführer zurück. Wie war Ihr Eindruck vom MSV vor Ihrer Vertragsunterzeichnung und wie hat sich das Bild bestätigt oder verändert in den vergangenen Monaten?
Michael Preetz: Das kann man nicht vergleichen. Als Spieler nimmt man die Dinge anders wahr als auf Funktionärsebene. Ich habe gerne hier gespielt, das sind gute Erinnerungen aus einer besseren Zeit. Heute nehme ich es differenzierter wahr: Die sportliche Bilanz und auch die wirtschaftlichen Umstände sind maximal schwierig. Aber die Wahrnehmung des Klubs von innen und auch von außen empfinde ich grundsätzlich als sehr positiv. Der Verein ist ein Leuchtturm dieser Stadt und hat Gewicht. Unsere Aufgabe als Verein ist es, künftig wieder für positivere Schlagzeilen zu sorgen.
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2021 endete ihre Zeit bei Hertha, fast genau drei Jahre später übernahmen Sie beim MSV Ihren Posten – in einer sportlich düsteren Zeit. Es hätte schönere Widereinstiege geben können. Was hat Sie dazu getrieben? War es die Hartnäckigkeit von Ingo Wald?
Auch. Und ich wollte unbedingt wieder arbeiten. Es gab auch die eine oder andere Möglichkeit aus dem Ausland, die ich mir intensiv überlegt, aber hinterher doch ausgeschlagen habe. Und dann kommt ein Verein, in dem ich selbst gespielt habe, das hat schon eine Rolle gespielt. Und es war die Hoffnung da, dass man die schwierige Situation noch drehen kann.
Wann war Ihnen klar, dass der Gang in die Regionalliga unausweichlich ist?
Im Fußball ist es erst dann vorbei, wenn es vorbei ist. Natürlich war die Niederlage in Bielefeld eine Zäsur und auch beim Derby gegen Essen hätte es noch einmal die große Chance gegeben, ein Statement zu setzen. Aber es hat natürlich auch Gründe, wieso es so weit gekommen ist. Die Entwicklungen der vergangenen Jahre mündeten in diesem Abstieg. Aber: In jeder Krise liegt auch eine große Chance und die müssen wir jetzt suchen.
Was muss der MSV Duisburg aus dieser Krise mitnehmen?
Wir können uns nichts dafür kaufen, dass wir Bundesliga-Gründungsmitglied waren oder dass alle das Gefühl haben, dass der Verein in die zweite Liga gehört. Das kann man so sehen, das kann ich auch nachvollziehen, aber das hilft uns nicht. Wir müssen die Realität annehmen: Wir werden nächstes Jahr nicht nur in Stadien spielen, sondern auch auf normalen Fußballplätzen mit ein paar hundert Zuschauern, wo uns ganz sicher jeder Gegner mit besonderer Freude erwartet. Dem müssen wir Rechnung tragen und das müssen wir in den Verein transportieren.
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Als Spieler waren Sie im Profibereich tätig als Manager und Geschäftsführer ebenso: Wie gut kennen Sie sich in der Regionalliga aus? Und wie groß wird dort die Umstellung in Ihrer Arbeitsweise?
Am Ende unterscheidet sich die Art zu arbeiten gar nicht so sehr. Ob in der Bundesliga oder hier, mein Einsatz ändert sich nicht, auch wenn die Umstände andere sind. Ich bin kein ausgewiesener Regionalliga-Experte, zwar war ich bei Hertha auch für die zweite Mannschaft verantwortlich, aber diese hatte andere Ziele, war als Zulieferer für die erste Mannschaft und um Talente auszubilden gedacht. Unsere Aufgabe ist es nun, eine konkurrenzfähige Mannschaft hinzustellen. Und das Ziel für einen Klub wie den MSV Duisburg kann es nur sein aufzusteigen.
Im Winter konnten Sie nur noch wenig Einfluss auf mögliche Transfers nehmen, nun haben Sie die Gelegenheit ein Team zu formen: Welches Gesicht würden Sie sich für den MSV in der kommenden Spielzeit wünschen?
Wir sind hier mitten im Ruhrgebiet. Duisburg ist eine Arbeiterstadt mit Menschen, die mit ehrlicher Arbeit ihr Geld verdienen. Ich finde, dass man ein Stück weit schon erkennen sollte, dass der MSV auch so Fußball spielt: Ich möchte einen sehr aktiven und intensiven Fußball sehen. Ich möchte hungrige, gierige Spieler haben, die was erreichen wollen. Das sollte für den ganzen Verein gelten. Wir müssen diese Gier auf Erfolg im Verein implementieren.
War es das, was diese Saison gefehlt hat?
Unter anderem auch das. Ich habe das nicht immer und überall gespürt. Es ist ein vielschichtiges Thema. Aber insgesamt muss sich die Herangehensweise ändern, ich war nicht einverstanden mit der abgelaufenen Saison. Wir müssen dafür sorgen, dass wir einen komplett anderen Auftritt hinbekommen.
Sie selbst waren Stürmer: Wie weh tat Ihnen die mangelnde Torausbeute des MSV?
Es ist ein Grund dafür, dass es am Ende nicht gereicht hat. Aber ich würde es nicht nur an den Offensivspielern festmachen. Aber es dürfen gerne mehr Tore fallen.
2010 stiegen Sie mit Hertha BSC aus der Bundesliga ab, schafften aber den direkten Wiederaufstieg. Nehmen Sie etwas von dieser Erfahrung für die kommende Spielzeit mit?
Es ist schwierig, zu vergleichen. Ich glaube, dass ich insgesamt aus meiner aktiven Karriere und meiner Funktionärskarriere einiges mitnehmen kann: Ich habe das Szenario als Spieler erlebt, ich habe es als Funktionär erlebt. Ich weiß, wie es ist, wenn man tief enttäuscht ist und hart aufschlägt. Und welche Kraft es braucht, um sich aufzurappeln und dann wieder neue Kräfte zu mobilisieren. Das kann man schon übertragen. Aber die Herangehensweise von Berlin nach Duisburg ist dann schon eine komplett andere, was auch der Spielklasse geschuldet ist. Man muss aus meiner Sicht versuchen zu verstehen, was fragt die neue Umgebung, worauf muss man sich einstellen, was braucht man? Dem müssen wir Rechnung tragen.
Ist der Wiederaufstieg jetzt noch schwieriger? Vom Amateurbereich zurück in den Profibereich noch schwerer?
Mein Eindruck über die letzten Jahre hinweg war, dass der MSV die dritte Liga nicht wirklich akzeptiert als die Spielklasse, in der er nun mal gespielt hat. Ich verstehe das, man sieht sich nun einmal woanders. Aber wenn man sich nicht mit der Realität auseinandersetzt und diese annimmt, dann macht man aus meiner Sicht den ersten Fehler. Das muss in die Köpfe der Spieler, der Trainer und der Mitarbeiter. In den letzten Jahren ist bei vielen Menschen aus dem Verein und im Umfeld der Rucksack voller Enttäuschungen schwerer geworden. Jetzt ist es an der Zeit diesen abzustellen, sich aufzurichten und den Blick nach vorne zu richten. In eine bessere Zukunft für diesen tollen Verein. Zu dieser Denkweise müssen wir kommen. Wenn wir das zu 100 Prozent annehmen, haben wir ganz, ganz viel geschafft.
Hätten Sie vor Ihrer Verpflichtung beim MSV Duisburg damit gerechnet, dass Ihr Weg als Funktionär Sie in diesem Jahr in die Regionalliga führt?
Das wäre für mich undenkbar gewesen.
Auch die Treppe hinunter nimmt Preetz zügig, verabschiedet sich schnell und mit festem Händedruck. Er muss weiter, viele Termine, viel los. Es gibt einiges zu tun beim MSV Duisburg.