Duisburg. Der MSV Duisburg steigt erstmals in die Viertklassigkeit ab. Ex-Spieler Tomasz Hajto leidet mit und schießt gegen die Verantwortlichen.

Es war der 26. Januar 2021, als Tomasz Hajto RevierSport ein Interview gab und das „Drama Regionalliga“ irgendwie kommen sah. Im Nachhinein kann der Pole behaupten: „Ich hatte euch gewarnt.“ Und so ähnlich reagiert er jetzt auch. Der 51-Jährige erlebte zwischen 1997 und 2000 drei tolle Jahre beim MSV Duisburg. Er spielte mit den Zebras in der Bundesliga eine gute Rolle, stand im DFB-Pokal-Endspiel 1998 (1:2 gegen den FC Bayern München) und erlebte auch Partien mit den Duisburgern im damaligen Intertoto-Cup.

Der MSV im Europapokal? Die Realität lautet ab dem 1. Juli 2024: Regionalliga West. Hajto kann es nicht fassen, was mit dem MSV passiert ist. Mit seinem Intimfeind Ivica Grlic hat er auch den Sündenbock gefunden. Auf Instagram schoss er gegen den einstigen Sportchef der Duisburger. RevierSport sprach mit dem in Polen immer noch sehr populären „Gianni Hajto“ über den Absturz des MSV Duisburg.

Ex-MSV-Sportdirektor Ivica Grlic.
Ex-MSV-Sportdirektor Ivica Grlic. © Max Ellerbrake / firo Sportphoto | Max Ellerbrake

Tomasz Hajto, warum greifen Sie auf Ihrem Instagram-Account Ex-MSV-Manager Ivica Grlic so scharf an?

Weil dieser Abstieg eine Tragödie für diesen tollen Verein, seine Fans und die coole Stadt ist. Und das ist nicht von heute auf morgen passiert. Ich hatte hier schon vor drei, vier Jahren gewarnt: So kann das nicht weitergehen, sonst erlebt der Verein ein Drama. Ich bin kein Nostradamus und Hellseher. Aber leider - ich betone leider - fühle ich mich bestätigt.

Und Ivica Grlic spielt welche Rolle bei diesem Niedergang?

Entschuldigung: Aber hier muss ich mal deutlich sprechen. Er hat so viel Scheiße hinterlassen, dass das einfach unfassbar ist. Er hat seit Jahren die falschen Transfers getätigt und den MSV hinunter in die 3. Liga geführt. Hier durfte er aufgrund seiner guten Verbindungen in den Vorstand und Aufsichtsrat weiter Scheiße bauen - bis man endlich gesehen hat, dass dieser Mann absolut inkompetent und fehl am Platz ist. Da war es aber schon fast zu spät. Der Zug war schon voll in Fahrtrichtung Wand unterwegs und ist letztendlich dagegen geknallt. Mein alter Freund Rudi Aussauer - der liebe Gott hat ihn selig - sagte mal: ‚Wenn der Schnee schmilzt, dann siehst du die Kacke.‘ Beim MSV ist der Schnee geschmolzen. Und was sieht man? Da liegt jetzt eine Tonne Scheiße! Und den größten Teil davon hat Ivica Grlic zu verantworten. Aber nicht nur er.

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Wer denn sonst noch?

Alle, die ihn jahrelang gestützt haben und immer noch im Amt sind. Präsident Ingo Wald müsste mit sofortiger Wirkung zurücktreten. Diese Leute sollten sich schämen, was sie aus dieser europäischen Marke MSV Duisburg gemacht haben. Alle, die diesen Karren vor die Wand gefahren haben, müssen Platz machen für einen echten Neuanfang. Es geht nur mit neuen Leuten an vorderster Front, mit einem neuen Trainer, neuen Spielern. So eine sportliche Tragödie ist eine Chance für einen Neuanfang. Aber das muss auch ein radikaler Schnitt und echter Restart sein. Einfach so zu tun, als ob das ein Betriebsunfall wäre und weiter machen - das wäre das Schlimmste.

Ist Ingo Wald nach dem Abstieg des MSV noch tragbar? Nein, findet Ex-Spieler Tomasz Hajto.
Ist Ingo Wald nach dem Abstieg des MSV noch tragbar? Nein, findet Ex-Spieler Tomasz Hajto. © FUNKE Foto Services | STEFAN AREND

Wie soll es denn nun Ihrer Meinung nach weitergehen?

Ich hoffe, dass da neue Leute in den Vorstand und Aufsichtsrat kommen. Und dann gilt es einfach so zusammenzuhalten wie nie zuvor. Es müssen wieder Sponsoren angesprochen werden, die weg sind. Jetzt gilt es, dem MSV unter die Arme zugreifen. Nicht, wenn man in der 1. oder 2. Bundesliga spielt. Jetzt, in dieser 4. Liga, muss man die Kräfte bündeln und sofort wieder mit dem Arsch hochkommen. Wenn du das im ersten Jahr nicht schaffst, dann gute Nacht. Rot-Weiss Essen, Alemannia Aachen, Oberhausen, Wuppertal: Die haben lange da unten gespielt oder tun es immer noch - über zehn Jahre. Entweder schaffst du das sofort oder du bleibst da stecken.

Welche Rolle werden nun die MSV Fans spielen?

So ziemlich die größte. Denn ich habe die Duisburger als ein fantastisches Publikum kennengelernt. Solch tolle Menschen. Ich liebe überhaupt das Ruhrgebiet. Jetzt müssen alle Zebras dem Verein helfen. Und das in Form von Dauerkarten. Am besten wäre es, wenn der MSV Duisburg 10.000 oder 15.000 Saisonabos verkauft. In Polen hat Widzew Lodz, die spielten 1997 in der Champions League gegen Borussia Dortmund, auch einen Untergang erlebt. Sie haben sich dann binnen weniger Jahre von der 4. Liga zurück in die Ekstraklasa gekämpft. Und das Widzew-Stadion war in der 4. Liga mit über 15.000 Zuschauern immer ausverkauft. Die Rangers aus Glasgow haben auch mal einen Absturz in die 4. Liga erlebt und die Fans blieben treu. Das erhoffe, nein, das erwarte ich jetzt auch von den Fans des MSV Duisburg - einmal Zebra, immer Zebra!

Können Sie dem MSV in irgendeiner Form helfen?

Immer gerne. Aber in der 4. Liga ist es schwer. Da kann man keine Spieler aus Polen für begeistern. Aber ich sage Ihnen etwas, was ich auch vor Jahren schon gesagt habe. Ich habe seit 15 oder 20 Jahren keinen Kontakt zu den Verantwortlichen des MSV gehabt. Aber plötzlich hat sich in der vergangenen Woche jemand gemeldet. Ich werde auf jeden Fall in der neuen Saison mal vorbeikommen und mir ein Spiel anschauen. Denn in der 1. Bundesliga oder 2. Liga will jeder in der Loge sitzen. Ich will aber den MSV in den schweren Zeiten unterstützen. Und dann komme ich - auch, wenn ich nicht einmal bis auf wenige Ausnahmen die Gegner in dieser Regionalliga kenne.

Was halten Sie eigentlich von Geschäftsführer Michael Preetz?

Er ist ein Profi. Er ist aber auch seit wenigen Monaten erst da. Was soll er machen? Schwierige Situation. Er muss auch erst einmal in der Regionalliga ankommen. Er sollte den Big-City-Club Hertha BSC in die Champions League führen, nun muss er dem MSV Duisburg eine Mannschaft in der 4. Liga zusammenstellen. Wahnsinn! Aber: Auch das ist der Fußball. Alles ist möglich - im Fall des MSV Duisburg muss ich ‚leider‘ sagen.