Essen. Das zentrale Mittelfeld von Borussia Dortmund fällt durch Risikoarmut auf. Verantwortlich dafür sind vor allem zwei Akteure beim BVB.
Nach dem ernüchternden 1:1 beim VfL Wolfsburg war Emre Can angefressen. Zum einen, weil Borussia Dortmund bei den kriselnden Niedersachsen zwei Punkte liegen gelassen hatte. Zum anderen, weil er mit einem wütenden Fan aneinandergeraten war. Der Vorwurf des BVB-Anhängers: Der Kapitän der Dortmunder sei nicht bereit zum Dialog, würde gar als erster weggehen, wenn sich die Mannschaft nach dem Spiel bei ihrem Anhang bedankt.
Ein Führungsspieler, der lieber ausweicht, wenn es drauf ankommt? Das ist überhaupt kein Qualitätsmerkmal, doch mit Blick auf Cans Statistik auch kein weit hergeholter Vorwurf. Zusammen mit den Datenprofis von Createfootball haben wir das BVB-Mittelfeld analysiert.
BVB-Mittelfeld in der Analyse: Zu wenig progressive Pässe
Anders als mit dem zu Real Madrid gewechselten Jude Bellingham spielt das zentrale BVB-Mittelfeld kaum progressive Pässe. Die rund 60 Prozent Ballbesitz gestalten die Schwarz-Gelb zumeist sehr risikoarm und einfach. Aus dem zentralen Mittelfeld sind in Ballbesitz keine klaren Abläufe und Strukturen erkennbar.
Besonders miserabel: Cans xGoals-Bildup (der Anteil aller xGoals pro Spiel, wenn er im Angriff beteiligt war, per Pass) liegt nur bei 0.26 – das ist unter Durchschnitt. Vor allem rangiert er in der Liga damit weit hinter Spielern von Teams, die deutlich weniger Ballbesitz haben als die Dortmunder.
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Unter Druck agiert Can dabei sogar recht solide, spielt Pässe mit guter Qualität. Beinahe ein Alleinstellungsmerkmal: Kaum ein anderer Spieler der Liga hält den Ball so kurz am Fuß, wenn er angelaufen wird. Can lässt den Ball meist mit nur einem Kontakt kurz tropfen oder spielt schnell lateral. Das bringt seiner Mannschaft aber keinen Mehrwert, wenn er angelaufen wird. Somit verteilt er die Bälle meist lateral auf den zweiten zentralen Mittelfeldspieler oder die aufrückenden Außenverteidiger.
BVB: Can und Özcan auf ähnlich schwachem Niveau
Can schafft in der Zentrale dazu kaum Laufangebote (ca. elf pro Spiel), nur drei Akteure aus dem zentralen Mittelfeld in der Bundesliga weisen noch schlechtere Werte auf. Im Vergleich dazu: Die spielstarken Angelo Stiller und Atakan Karazor vom VfB Stuttgart kommen auf je 25 Angebote pro Spiel. Konkurrenz im eigenen Kader muss der BVB-Kapitän dabei nicht fürchten, denn Salih Özcans Bilanz ist ähnlich schlecht.
Dem 25-Jährige fehlen Tempo und Laufstärke, zudem geht er mit seinen Pässen kaum ins Risiko. Die Angst vor Fehlpässen ist seinem Spiel deutlich anzusehen, aber auch nicht unbegründet: Unter Druck sinkt seine Passquote auf unter 80 Prozent.
BVB: Lichtblick Ian Maatsen
Dementsprechend gibt es viele Zuspiele unter den Außen- und Innenverteidigern, dafür eher wenige von den Innenverteidigern ins zentrale Mittelfeld. Die Spielweise zwingt die Innenverteidiger dazu, mit langen Pässen ins Risiko zu gehen. Im Vergleich zu den Topteams der Bundesliga kommt Borussia Dortmund um 20 Prozent seltener pro Spiel ins letzte Drittel.
Ein Lichtblick im BVB-Spiel ist Winter-Zugang Ian Maatsen, der immer mehr die Guerreiro-Rolle einnimmt. Der Niederländer rückt von außen im Spielaufbau immer wieder in den linken Halbraum ein und überzeugt dort mit toller Technik, Übersicht und Spielintelligenz.
BVB setzt gegen stark anlaufende Gegner auf lange Bälle
Die Probleme sind damit aber nicht gelöst. Gegen stark anlaufende Teams wie Leverkusen, Leipzig oder Darmstadt spielte der BVB teils weit über zehn Prozent aller Pässe lang, das sind eindeutig die meisten langen Pässe aller Bundesliga-Topteams. Es ist ein unverkennbares Mittel, um dem Gegnerdruck zu entweichen und die spielerischen Probleme im flachen Aufbau zu kaschieren.