Dortmund. . BVB-Abwehrspieler Nico Schlotterbeck verteidigt gut, verbringt die Länderspielpause aber zu Hause in Dortmund. Das hat Gründe.
Ein Januarabend im spanischen Marbella, gerade hat sich die wärmende Sonne hinter dem Horizont verzogen. Nico Schlotterbeck sitzt während des BVB-Trainingslagers im Hotel und erzählt dieser Redaktion, dass die Emotionen auf dem Platz manchmal aus ihm herausplatzen würden. „Das ist einfach meine Art, man kann das mögen. Oder nicht.“
Einige Monate und ein Traumtor später konnten die Fans von Borussia Dortmund diese herausplatzenden Emotionen mal wieder bestaunen, als der 23-Jährige, eigentlich ja Verteidiger, den Ball im Heimspiel gegen Union Berlin (4:2) mit seinem linken Fuß aus 20 Metern in den rechten Winkel hämmerte, schraubte, katapultierte und was sich alles noch so für Verben für den Treffer finden lassen. Schlotterbeck streckte die Zunge raus, führte einen Stakkato-Tanz auf und sprang vor der Südtribüne in die Luft.
Einige bezeichneten diesen Treffer auch als Antwort auf die Enttäuschung, die der Abwehrspieler zuvor erlebt hatte. Der neue Bundestrainer Julian Nagelsmann hatte ihn aussortiert aus der deutschen Nationalmannschaft, stattdessen seine Innenverteidiger-Kollegen Niklas Süle und Mats Hummels für die Reise in die Vereinigten Staaten eingeladen. Schlotterbeck verbringt diese Länderspielpause daher in Dortmund, bereitet sich hier auf das kommende Heimspiel gegen Werder Bremen in einer Woche (20. Oktober, 20.30 Uhr/DAZN) vor und muss sich nun mit starken Leistungen für die Heim-Europameisterschaft empfehlen.
BVB-Torhüter Gregor Kobel schwärmt von Nico Schlotterbeck: „Er lebt das“
Ein wenig konnte Nagelsmanns Entscheidung verwundern, denn Schlotterbeck spielt bislang nach Startschwierigkeiten eine überzeugende Saison. Ein Platz in der Dortmunder Innenverteidigung ist immer für ihn reserviert, zuletzt verteidigte er meistens neben Mats Hummels, Niklas Süle saß nur auf der Bank. Schlotterbeck bringt die nötige Härte für knifflige Zweikämpfe mit, er verfügt über eine gute Grundschnelligkeit, er kann im Spielaufbau mit dem Ball am Fuß, wenn nötig, nach vorne sprinten, Gegenspieler umkurven. Dazu kommt eine Einsatzbereitschaft, die auch an dem Torjubel gegen Berlin deutlich wurde, meint Torhüter Gregor Kobel. „Da sieht man mal, wie er immer dabei ist. Er lebt das ja auch.“
Vielleicht also sogar der bessere Hummels, was Schlotterbeck jedoch fehlt, ist die Erfahrung seines elf Jahre älteren Mitspielers, die Ruhe, die Abgeklärtheit, das Auge. Schlotterbeck geht manchmal zu sehr ins Risiko, er neigt zu Aussetzern, gerade in der Nationalelf. Bei der WM in Katar düpierte ihn Japans Takuma Asano, angestellt wie Schlotterbecks Bruder Keven beim Nachbarn VfL Bochum. Neun Monate später beim 1:4-Debakel wieder gegen Japan, die letzte Begegnung für Trainer Hansi Flick, war er als Linksverteidiger überfordert.
In Gesprächen gibt sich der aus Baden-Württemberg stammende Fußballer selbstkritisch. Er wisse, dass er konstanter werden müsse, sagt er dann. Er wolle die Risiken in seinem Spiel minimieren. Aus seinem Umfeld hört man, dass er Nagelsmanns Entscheidung gefasst aufgenommen habe, er wolle nun auf dem Platz für sich werben.
Nico Schlotterbeck beim BVB: Ein neues Gesicht des Klubs?
2022 wechselte der Profi vom SC Freiburg zu Borussia Dortmund, rund 20 Millionen Euro bezahlte der BVB, stattete den hochveranlagten Innenverteidiger mit einem Vertrag bis zum Jahr 2027 aus. Schlotterbeck könne ein neues Gesicht des Klubs werden, heißt es seitdem.
„Hier gibt es andere Spieler wie Marco Reus“, sagt Schlotterbeck dazu. Diese leisteten schon lange Herausragendes. „Wenn ich das fünf oder sechs Jahre schaffe, dann kann ich vielleicht mal das Gesicht eines Klubs werden.“
Überhaupt: Erst mal muss sich Nico Schlotterbeck in dieser Spielzeit weiter beweisen, wenn er es noch zur EM 2024 schaffen und vielleicht den ersten Titel seiner Karriere gewinnen möchte. Dortmund liegt punktgleich mit dem FC Bayern auf Rang vier, Tabellenführer Bayer Leverkusen hat mit 19 Punkten nur zwei Zähler Vorsprung. Da könnte was gehen.
Nico Schlotterbeck - ein Spaßvogel in der BVB-Kabine
Seine Mitspieler schätzen Nico Schlotterbeck als Spaßvogel in der BVB-Kabine, als einen, der seine Meinung vertritt. Und das Traumtor sei eine gute Antwort auf die Enttäuschung beim DFB gewesen, sagte Kobel. „Viel besser geht es nicht. Nur an seinem Torjubel muss er noch arbeiten. Aber das Geile war, dass da sehr, sehr viele Emotionen bei waren. Nico ist ein sehr emotionaler Typ.“ Das sagt er ja auch selbst.