Las Vegas. . Trainer Edin Terzic gilt beim BVB Fan-Liebling. Um Dortmund aber weiter als Bayern-Herausforderer zu formen, muss er Widerständen trotzen.

„Stop!“ Edin Terzic hatte etwas entdeckt, was ihm überhaupt nicht gefiel. Und das musste er allen mitteilen. Also unterbrach Borussia Dortmunds Trainer die Übung und demonstrierte, was er von Antonios Papadopoulos erwartet hätte. Der Mann, der eigentlich in der U23 Drittliga-Fußball spielt, erhielt einen Pass vom inzwischen verletzungsbedingt abgereisten Nico Schlotterbeck. Papadopoulos ließ ihn zum Nationalspieler zurückprallen, statt den Ballbesitz in Richtung des anderen Innenverteidigers, Niklas Süle, zu verlagern.

podcast-image

BVB hat in den USA kaum Zeit für Training

Die Szene aus dem Training belegt anschaulich, dass Terzic, 40, im Westen der USA keine Zeit zu vergeuden hat. Nur drei volle Trainingstage blieben ihm bei der ersten Station in San Diego, um an den Grundlagen für die neue Saison zu feilen. Inzwischen ist Dortmunds Reisetross schon weiter nach Las Vegas gezogen, Anfang der Woche bildet der Aufenthalt in Chicago den Abschluss der Tour. Zeit für Training? Quasi nicht vorhanden.

Terzic muss zurückstecken in dieser Vorbereitung. Der BVB ist als Repräsentant der Bundesliga in die Staaten gereist, um neue Kunden zu gewinnen. Für den ehrgeizigen wie perfektionistischen Fußballlehrer, der nachvollziehen kann, aber gewiss nicht gutheißt, dass der Fokus nicht allein auf dem Sport liegt, ist der Kompromiss kein optimaler Start in eine Saison, an deren Ende der Deutsche Meister nach zwölf Jahren endlich wieder aus dem Ruhrgebiet kommen soll. „Das ist Teil des modernen Fußballs“, sagte er.

+++ BVB stellt neues Cup-Trikot vor: So sieht es aus +++

Terzic war vor einigen Wochen nah dran am großen Triumph, doch der letzte Spieltag endete mit Tränen. 2:2 spielten die Dortmunder im eigenen Stadion gegen Mainz 05, die Bayern schlugen parallel den 1. FC Köln und sprangen an die Spitze. Es waren große Gefühle an jenem Mai-Abend, sie brachen schwarz-gelbe Herzen.

BVB-Trainer Edin Terzic (l.) nimmt sich Zeit für ein Selfie mit einem Fan.
BVB-Trainer Edin Terzic (l.) nimmt sich Zeit für ein Selfie mit einem Fan. © BVB

Edin Terzic hat so eines, und deshalb besangen die Fans trotz verpasster Meisterschaft auch ihren Trainer, statt ihre Wut, ihre Trauer und ihr Unverständnis zum Ausdruck zu bringen. Der Kredit, den Terzic in Dortmund hat, ist riesig. Einerseits, weil Terzic vor zwei Jahren interimsmäßig als Nachfolger von Lucien Favre den DFB-Pokal in den Nachthimmel Berlins stemmte. Doch Marco Rose war da ja schon verpflichtet, weshalb der BVB Terzic zunächst als technischen Direktor auf der Tribüne geparkte haben. Der gebürtige Mendener wartete auf seine Chance, die sich im Sommer des vergangenen Jahres kam.

Andererseits, weil der Klub in den vergangenen Jahren vergeblich nach den großen Gefühlen gesucht hat, die Jürgen Klopp mal ausgelöst hat. Auf Dortmunds Trainerbank saßen Fachmänner, die aber fremdelten mit der Kultur im Ruhrgebiet. Terzic nicht, er arbeitet für den Verein, den er schon auf der Tribüne des Berliner Olympiastadions als Fan zum Pokalsieg geschrien hat. „Er identifiziert sich sehr mit dem Verein“, sagt Torwart Gregor Kobel. „Man merkt, dass er für die Sache steht und brennt und das Maximum an Erfolg will. Das springt auf die Mannschaft über.“

BVB und Marcel Sabitzer: Es gibt Verlierer des Transfers

Dass er Team und Tribüne nach teils emotional trostlosen, wenn auch grundsätzlich erfolgreichen Jahren wieder vereint hat, ist Terzics wohl größte Errungenschaft. Fußball arbeiten, statt brotlose Kunst – das ist sein Credo. Plötzlich zeichnete den BVB sogar seine Mentalität aus. Die Profis schätzen insbesondere Terzics Menschenführung. „Er sucht auch das Gespräch mit Leuten, die nicht so viel spielen“, berichtet Mittelfeldspieler Salih Özcan, einer auf den das zutrifft. „Das halte ich für ganz wichtig.“

Man verzeiht ihm in Dortmund daher taktische Fehler wie seine Auswechslungen beim aberwitzigen 3:3 in Stuttgart, als er bei 2:0-Führung offensive Spieler brachte. Für die anschließende Abrechnung mit seinen Profis („Es gibt halt Gründe, warum wir in den letzten Jahren nie oben standen“) wären seine Vorgänger zerrissen worden. „Wir brauchen Leute, die sich mit Haut und Haar dem BVB verschrieben haben“, betonte Geschäftsführer Hans-Joachim Watzke auf der Jahreshauptversammlung im Herbst, als das Team im Mittelfeld herumdümpelte und nicht abzusehen war, dass es wenige Monate später noch einmal die Bayern angreifen könnte.

Das ist nun wieder das Ziel, doch die Aufgabe wird nicht leichter. Die Münchener investieren kräftig, der BVB hat in Jude Bellingham seinen Weltklasse-Spieler abgeben müssen. Gerade tüftelt Terzic an einer neuen Hierarchie, auch die Spielidee soll weiterentwickelt werden – und am besten auch noch das Rätsel gelöst werden, woher die unerklärlichen Aussetzer kommen, die Dortmund seit einigen Jahren begleiten.

BVB: News und Hintergründe

Dass sich der BVB durch die Vorbereitung quält und ihn die Debatte um den umstrittenen Transfer von Felix Nmecha wochenlang belastet hat, hat der Aufbruchstimmung allerdings einen Dämpfer verpasst, den selbst Strahlemann Terzic nicht verhindern konnte. Stattdessen wird auch sein Ton rauer. „Wir haben zu Null gespielt, aber das hatten wir nicht verdient“, schimpfte er nach dem 6:0 im Test gegen US-Zweitligist San Diego Loyal, in dem sein Team teils kapitale Fehler beging. Trainingsspiele wird Terzic daher bis zum Pflichtspielauftakt in zwei Wochen wohl noch öfter unterbrechen müssen.