Dortmund. Im Umfeld von Borussia Dortmund herrscht Unruhe. Trainer Edin Terzic muss Fingerspitzengefühl beweisen.

Edin Terzic spricht oft von einem Weg, der ihn mit seinem Verein zum ersehnten Erfolg führen soll: dem Gewinn der Deutschen Meisterschaft. Diese hat der Klub an einem grotesken Samstag im Mai noch aus den Händen gegeben. Ein Drama, das nun zu jenem Weg gehöre, sagt Terzic.

Heute geht es weiter. Borussia Dortmund beginnt mit der Vorbereitung und Terzic muss als Trainer auf seiner Route zum erhofften Glück mehr Hügel überqueren, als dies nach der vergangenen Spielzeit, in der sich viel ineinanderfügte, abzusehen war. Der Transfer von Mittelfeldspieler Felix Nmecha wühlt das Umfeld auf, es fehlt ein zusätzlicher Sechser, auf den Außenbahnen soll es Veränderungen geben. Zudem muss die Hierarchie neu austariert werden.

BVB: Es gibt auch Hoffnungen auf ein nachhaltiges Hoch

Terzic, 40, fungiert dabei als wichtigster Anschubgeber, als derjenige, der das Gefüge zusammenhalten soll. Seine Worte haben Gewicht. Einmal nach innen: Der Nmecha-Wechsel ist ein ausdrücklicher Wunsch des gebürtigen Mendeners. Und nach außen: Die Fans nehmen dem Mann an der Seitenlinie seine schwarz-gelbe Verbindung ab. Für den Klub ist es ein Geschenk, einen Trainer zu haben, der die Herzen der Anhängerinnen und Anhänger erreicht und dadurch sportliche Rückschläge anders als viele seiner Vorgänger moderieren kann.

Felix Nmecha (Mitte) mit BVB-Geschäfsführer Hans-Joachim Watzke und Sebastian Kehl.
Felix Nmecha (Mitte) mit BVB-Geschäfsführer Hans-Joachim Watzke und Sebastian Kehl. © bvb

Diese gab es selbst in der starken Rückrunde (40 Punkte), in der die Borussia etwa beim FC Bayern (2:4) und im Pokal bei RB Leipzig (0:2) ins Schlingern geraten ist. Trotzdem sind sie in Dortmund von der Stärke ihres Kaders überzeugt. Hoffnung auf ein nachhaltiges Hoch machen die rasanten Außenspieler Karim Adeyemi und Donyell Malen, Stürmer Sebastien Haller und Anführer Emre Can.

Neue Hierarchie beim BVB

Letzterer könnte neuer Kapitän werden, sollte Marco Reus sein Amt wie erwartet abgeben. Reus sah schon in der vergangenen Rückrunde meistens zu, als die Kollegen um seinen Traum von der Deutschen Meisterschaft kämpften. Alles Hinweise darauf, dass sich die Hierarchie innerhalb der Mannschaft verschiebt. Terzic muss dies moderieren und neuen Führungskräften wie Gregor Kobel, Niklas Süle und Nico Schlotterbeck mehr Raum geben, ohne dabei den beiden Granden Reus, 34, und Mats Hummels, 34, vor den Kopf zu stoßen. Beide erleben wohl ihre letzte schwarz-gelbe Saison.

Die BVB-Routiniers Marco Reus (l.) und Mats Hummels mussten in der vergangenen Saison häufiger als Ersatzspieler ran.
Die BVB-Routiniers Marco Reus (l.) und Mats Hummels mussten in der vergangenen Saison häufiger als Ersatzspieler ran. © firo

Den größten Hügel lösen aber die Schwierigkeiten im Zentrum aus. Jude Bellingham, 19, ein Ausnahmekönner, hat den Vizemeister verlassen, um künftig im Mittelfeld von Real Madrid mit seiner Mischung aus Hingabe und Talent zu begeistern. Beim BVB soll Felix Nmecha, 22, Nationalspieler, diese Lücke möglichst schnell füllen. Bis zu 30 Millionen Euro muss Dortmund an den VfL Wolfsburg überweisen.

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Nmecha sei ein „schneller, technisch versierter und physisch starker Spieler, der unser Mittelfeld durch sein Profil sowohl offensiv als auch defensiv bereichern wird“, wird Sportdirektor Sebastian Kehl in der Pressemitteilung des Klubs zitiert. Soweit das übliche Transfergeflöte, bemerkenswert sind hingegen die Worte von Dortmunds Geschäftsführer Hans-Joachim Watzke und Präsident Reinhold Lunow, die explizit auf die Vorwürfe gegen den Neuen eingehen: „Felix ist sehr jung, seine Religion ist tief in ihm verwurzelt und er ist – wie wir alle – sicher nicht fehlerfrei. Aber er hat uns in intensiven Gesprächen absolut davon überzeugt, dass er kein transphobes oder homophobes Gedankengut in sich trägt.“

BVB-Chef Hans-Joachim Watzke
BVB-Chef Hans-Joachim Watzke © dpa

Der Transfer stößt jedoch auf Ablehnung, zweimal hat Nmecha Beiträge geteilt, bei denen ein homophobes und queerfeindliches Weltbild durchschimmert. Unvereinbar mit dem Grundwertekodex des Vereins. Verstummen wird die Kritik so schnell nicht.

In dieser Gemengelage ist Edin Terzic darauf angewiesen, dass Felix Nmecha sportlich überzeugt. Trotz des Hochs ließen sich in der vergangenen Saison Löcher im Mittelfeld entdecken, die Can nicht immer flicken konnte. Ein weiterer Sechser soll kommen, zudem soll Thomas Meunier abgegeben werden, um für Veränderungen auf Außen zu sorgen. Abgeschlossen sind die Planungen nicht. Terzics Weg geht vorerst mit Fragezeichen weiter.