Dortmund. Fußball kann kurios sein: Der angeschlagene BVB dominiert RB Leipzig. Maximilian Beier spielt befreit auf, bis er sagt: „Ich kann nicht mehr.“
Maximilian Beier schlich sich auch am Samstagabend an all denen vorbei, die ihm gerne eine Frage gestellt hätten. Seit diesem Sommer spielt der Fußballer mit den dünnen Beinen, die wie Stelzen an seinem Körper hängen, für Borussia Dortmund; gesprochen hat er seitdem noch nicht.
Diesmal aber war etwas anders, diesmal ließ der 22-Jährige beim 2:1 (1:1)-Erfolg über RB Leipzig seine Leistung für sich sprechen. Sein Zeugnis: ein Tor, eine Vorlage.
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In der ersten Halbzeit sprang Felix Nmecha gefühlt in die Höhe des Stadiondachs, köpfte auf Beier, der sich bei dem Dortmunder Eckball im Fünfmeterraum versteckt hatte und den Ball, der ihm in den Wochen zuvor nicht gehorchen wollte, nun über die Linie drückte (30.). Sein erster Treffer in Schwarz-Gelb wirkte wie eine Befreiung, plötzlich hatte der 30-Millionen-Euro-Einkauf bei fast jedem Angriff seine Füße mit im Spiel und bereitete so auch den entscheidenden Kopfballtreffer von Serhou Guirassy durch eine maßgenaue Flanke vor (65.). Nach der Führung von Benjamin Sesko (27.) drehte der BVB das Bundesliga-Topspiel.
BVB-Trainer Nuri Sahin nutzt einen Kniff von Thomas Tuchel
Und dies zeigte, wie überraschend diese Sportart sein kann. Eigentlich war ja Leipzig vollgestopft mit Selbstbewusstsein ins Ruhrgebiet gereist, hatte zuvor in der Liga noch nicht einmal verloren. Dortmund befand sich hingegen in einem Tief und trat dann doch wie eine Spitzenmannschaft auf, drückte den Gegner in die eigene Hälfte, obwohl zehn Profis verletzt fehlten. Trainer Nuri Sahin hatte eine Taktik gewählt, die er sich, wie er berichtete, bei Thomas Tuchel abgeschaut hatte. Der BVB spielte im 4-1-3-1 mit nur einem Sechser (Felix Nmecha) und zwei Achtern (Julian Brandt und Marcel Sabitzer). Ein Kniff, der funktionierte. „Dieser Sieg war für Nuri“, sagte Sportdirektor Sebastian Kehl.
Durch diesen Erfolg schiebt sich der Revierklub wieder vier Punkte an den Tabellenzweiten RasenBallsport heran und hat als Fünfter genauso viele Zähler (16) wie Doublegewinner Bayer Leverkusen. Vor dem Anpfiff lag nicht alles in Schutt und Asche, nach dem Schlusspfiff strahlt nicht alles wieder in Rosarot. Fest steht: Der Sieg stärkt die Position des angekratzten Sahin. Damit die Zweifel aber verfliegen, die Zuversicht zunimmt, muss am Dienstag (21 Uhr/DAZN) in der Champions League gegen Sturm Graz und am Samstag (15.30 Uhr/Sky) beim FSV Mainz 05 nachgelegt werden.
Maximilian Beier: Wer 30 Millionen Euro kostet, wird beim BVB schnell kritisiert
Hoffnung, dass dies gelingen kann, auch wenn die Personalsituation belastend bleibt, machen der herausragende Serhou Guirassy, der bemerkenswert auftretende Felix Nmecha und der endlich einmal überzeugende Maximilian Beier.
„Es ist zwei Monate hier, wir haben ihm alle Zeit der Welt gegeben“, sagte Sahin über Beier. „Ich bin überglücklich, dass er nicht nur das Tor gemacht, sondern dass man auch gesehen hat, was der Junge leisten kann, wenn er ankommt. Er schwimmt sich frei, wie sich das bei einem großen Verein gehört. Da muss man auch mal geduldig sein.“
Mit der Geduld ist das aber so eine Sache bei einem emotionalen Klub wie dem BVB. Dortmund hat viel Geld für den erst 22 Jahre alten Beier bezahlt, Sahin wollte den Offensivspieler unbedingt haben. Deswegen verließ dieser das beschauliche Hoffenheim und fand sich in einer Welt wieder, in der jede Niederlage dazu führen kann, dass alles hinterfragt wird. Wer dort als Millionen-Einkauf nicht sofort funktioniert, der wird kritisiert.
Aber „wir müssen so einem Jungen auch Zeit geben“, mahnte Sportdirektor Sebastian Kehl. „Wir wissen, was es für ein großer Schritt ist, zu Borussia Dortmund zu gehen.“ Aber: „Wie der Junge sich reinbeißt, wie er kämpft, wie er gegen den Ball arbeitet, der Junge hat das Herz am richtigen Fleck.“
BVB-Profi Maximilian Beier sagt auf dem Platz: „Ich kann nicht mehr“
Beier spielte diesmal auf Rechtsaußen, wohler fühlt er sich im Offensivzentrum oder als hängende Spitze. Womit man beim Knackpunkt seiner Verpflichtung angelangt wäre, denn seine Lieblingsposition gibt es normalerweise nicht beim BVB und auf der Zehn ist Julian Brandt gesetzt. Beier wird deswegen wohl meistens eher auf der Außenbahn auflaufen, mit seinem Tempo und seiner Unnachgiebigkeit kann er aber auch dort ein Gewinn sein wie beim so wichtigen Sieg über Leipzig.
Abseits des Platzes verliert der gebürtige Brandenburger wenige Worte, in der Kabine gibt er sich zurückhaltend. Kurz vor seiner Auswechslung fing ihn allerdings eine TV-Kamera ein und zeigte, wie der schlaksige Profi ausgepumpt auf dem Rasen steht und zu den Betreuern sagt: „Ich kann nicht mehr.“ Zwei Tage kann sich Beier ausruhen, dann wird er gegen Graz wieder gebraucht.