Hamburg. Im Januar läuft ein 90-Minuten-Film über die Nationalmannschaft nicht nur bei RTL, sondern auch in ausgewählten Kinos der Spielorte.
Als Ilkay Gündogan am 19. Juni gegen Ungarn das 2:0 erzielte, lagen sich die eingesperrten Frauen in der Justizvollzugsanstalt Ossendorf in den Armen. Im Kölner Frauengefängnis durften sie durch die frühe Anstoßzeit um 18 Uhr gemeinsam das EM-Spiel gucken, ehe sie um 20 Uhr zurück in die Zelle mussten. Ähnliche Gefühle erlebten die deutschen Soldaten des Panzerbataillons an der litauischen Grenze. Oder auch die Musiker in der Hamburger Elbphilharmonie, die während eines Konzerts versuchten, Szenen von der deutschen Nationalmannschaft während der Heim-Europameisterschaft im Sommer zu verfolgen.
Diese Bilder kommen im Januar nicht nur ins Fernsehen, sondern auch in die Kinos. Wie diese Redaktion exklusiv erfuhr, produziert das Unternehmen Online Marketing Rockstars (OMR) aus Hamburg die Dokumentation der Nationalmannschaft bei der EM für den Deutschen Fußball-Bund. Der 90-Minuten-Film wird nicht nur bei RTL ausgestrahlt, sondern auch in ausgewählten Kinos der zehn EM-Spielorte. Der DFB wollte die Informationen auf Nachfrage am Freitag nicht kommentieren. Es ist aber sehr wahrscheinlich, dass Details über die Doku schon am Sonnabend vor dem Nations-League-Spiel zwischen Deutschland und Bosnien (20.45 Uhr/RTL) veröffentlicht werden.
EM-Doku wird in Hamburg produziert
Für das Hamburger Unternehmen OMR, das in der Hansestadt jährlich mit 70.000 Teilnehmern das größte Digitalfestival der Welt veranstaltet, ist es die erste große Sportdoku, die Gründer Philipp Westermeyer auf den Markt bringt. Für das Projekt hat Westermeyer vor einem Jahr die Unit OMR Frames aufgebaut, die von Filmemacher Tom Häussler geleitet wird. Der 46-Jährige hatte zuvor bereits für die Firma beckground tv von Reinhold Beckmann eine Doku über Ultras und zuletzt für die ARD die Schiedsrichter-Serie „Unparteiisch“ produziert.
Der DFB um Geschäftsführer Andreas Rettig hatte vor rund einem Jahr das erste Mal mit OMR verhandelt. Die finale Zusage gab es aber erst im Mai dieses Jahres. Nach den schlechten Erfahrungen der „All or nothing“-Doku im vergangenen Jahr über die WM in Katar war der DFB in diesem Jahr einen anderen Weg gegangen. Zur Erinnerung: Amazon hatte sich die Rechte an der WM-Doku über die deutsche Nationalmannschaft gesichert und dem Verband dafür rund fünf Millionen Euro gezahlt. Dafür hatten die DFB-Verantwortlichen aber kein Mitsprachrecht mehr bei der Veröffentlichung der Bilder. Bei der Ausstrahlung im September 2023 wurde dann deutlich, wie angespannt die Stimmung in der deutschen Mannschaft in Katar war. Zu sehen war unter anderem, wie ein Motivationsfilm des damaligen Bundestrainers Hansi Flick über den Gemeinschaftsflug von Graugänsen bei den Spielern für verwirrte Gesichter sorgte.
DFB sicherte sich eine vertragliche Stop-Möglichkeit
Bei der Zusammenarbeit mit OMR sicherte sich der DFB diesmal die Möglichkeit, im Falle eines frühen Scheiterns oder einer schlechten EM die Veröffentlichung der Doku zu stoppen. Nach dem Turnier waren sich die Verantwortlichen des DFB dann aber einig, trotz des Viertelfinal-Ausscheidens gegen Spanien die bislang geheimen Aufnahmen zeigen zu wollen.
Anders als bei früheren Dokus stehen die Bilder aus der Kabine diesmal nicht im Mittelpunkt des Films. Das OMR-Produktionsteam hat die Mannschaft um Bundestrainer Julian Nagelsmann zwar auch bei den Ansprachen vor den Spielen gefilmt und im sogenannten „Homeground“ in Herzogenaurach begleitet. Laut „Bild“ wurden Teile der Doku bereits am Donnerstag im Rahmen des Mannschaftsabends dem DFB-Team gezeigt. Für lustige Szenen soll demnach vor allem der Kanarienvogel „Vokuhila“ gesorgt haben, den Joshua Kimmich, David Raum und Robert Andrich aus dem Tierheim ins DFB-Quartier nach Herzogenaurach geholt hatten.
Ziel der Doku war es aber, die Stimmung in Deutschland zu transportieren und die neu entfachte Liebe zwischen den deutschen Fans und der Nationalmannschaft einzufangen. Dafür haben sich die Produzenten entschieden, an ungewöhnliche Orte zu gehen, um ungewöhnliche Bilder zu drehen.
Geschichte der DFB-Dokus begann 2006 mit dem Sommermärchen
Die Geschichte der deutschen Turnierdokus begann 2006 mit dem von Sönke Wortmann produzierten Film „Deutschland. Ein Sommermärchen“. Die Kabinenansprachen von Bundestrainer Jürgen Klinsmann („Die haben Muffe vor euch. Weil sie sich in die Hosen machen.“) wurden berühmt. Die Fans kamen ihren Lieblingen Lukas Podolski und Bastian Schweinsteiger durch die „Poldicam“ so nah wie nie.
Für ein echtes Sommermärchen sorgte die Nationalmannschaft dann 2014 mit dem WM-Titel in Brasilien. Dieses Turnier wurde allerdings nur von den eigenen Kameraleuten des DFB begleitet. Nach dem WM-Titel entschied sich der Verband, mit dem Material den Kinofilm „Die Mannschaft“ zu produzieren.
Bei der Heim-EM in diesem Jahr blieb sportlich das erhoffte Sommermärchen 2.0 aus. Aber zumindest die ungewöhnlichen Bilder der Fans dürften die Kinobesucher im Januar nicht nur an die WM 2006 erinnern, sondern an einen besonderen Sommer 2024.