London. Von Höchstgeschwindigkeitsfußball zu Spielkontrolle: Was der Klopp-Nachfolger anders macht – und wo er auf den Ex-BVB-Coach vertraut

Fast genauso interessant wie der Saisonstart des FC Liverpool in der Premier League ohne Jürgen Klopp war die Frage, wie sich der neue Trainer Arne Slot präsentieren würde. Nach Erfolgen hatte es sich Klopp in seiner knapp neunjährigen Amtszeit am Fluss Mersey zu eigen gemacht, die Spieler zu umarmen und den Fans die Jubelfaust entgegenzuschleudern. Und Slot? Er hielt sich auch nach Liverpools neuerlichem 2:1 gegen den FC Chelsea am Sonntag auffallend zurück und bedankte sich nach Abpfiff lediglich kurz aus der Distanz bei den Fans. Die Boulevardzeitung Mirror, die es gern spektakulär hat, notierte kürzlich fast enttäuscht, es gebe jetzt „keine Bärenumarmungen und wilde Jubelstürme“ mehr.

Slots Auftreten wirkt an Spieltagen wie ein Kontrast zu Klopp. Er kleidet sich elegant, trägt keinen Trainingsanzug und keine Kappe. Ebenso verzichtet er auf die mächtigen Worte, für die sein Vorgänger immer bekannt war. Dadurch fokussiert sich die Analyse auf die Darbietungen der Mannschaft – und die können sich sehen lassen. Liverpool führt mit nur einer Niederlage in acht Partien die Tabelle der Premier League an. Die Champions League hat der Verein ebenfalls mit zwei Siegen aufgenommen, am Mittwoch geht es zu RB Leipzig (21 Uhr/Dazn). Das Duell entspricht für Liverpool einer Emanzipation von Klopp. Denn der Deutsche hatte nach seinem Rückzug als Trainer in Liverpool im Sommer soeben bekannt gegeben, ab nächstem Jahr als globaler Fußballchef für Red Bull einzusteigen.

Liverpools Ex-Trainer Jürgen Klopp äußert sich nicht zur Arbeit seines Nachfolgers.
Liverpools Ex-Trainer Jürgen Klopp äußert sich nicht zur Arbeit seines Nachfolgers. © dpa | Jon Super

Übergang von Jürgen Klopp auf Arne Slot

Die Stabsübergabe von Klopp zu Slot lief ähnlich reibungslos ab wie bei der zur Bronzemedaille gesprinteten deutschen 4×100-Meter-Staffel der Frauen im Olympiafinale von Paris. Als Klopp angerannt kam, hatte Slot auf dessen Zuruf gewissermaßen schon das Tempo aufgenommen. Auf seiner eigenen Abschiedsfeier läutete Klopp die neue Ära quasi selbst ein, indem er im ausverkauften Anfield-Stadion am Saisonende den Namen seines Nachfolgers in einen auf ihn getexteten Lobgesang eingefügt hatte: Er sang „Arne Slot, na, na, na na“ – bis alle Fans in den Schlachtruf einstimmten.

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Danach verschwand Klopp – und hat sich seitdem, trotz zahlreichen öffentlichen Terminen, nicht mehr zu seinem Ex-Klub geäußert: keine Ratschläge, keine Vergleiche, keine Kommentare. Im Gegenzug besaß Slot die Größe, einen wunderbar in den Lauf gespielten Pass von Klopp aufzunehmen. Denn dieser hatte vor seinem Abschied einen Umbruch im Team eingeleitet und mit einem modernisierten Mittelfeld erneut eine schlagkräftige Elf entwickelt. Slot vertraute der Arbeit von Klopp, bisher hat er nur einen wirklichen Transfer in seiner Liverpool-Zeit getätigt: Der Rechtsaußen Federico Chieso kam von Juventus Turin für zwölf Millionen Euro. Andere Trainer hätten wohl erst mal aus Eitelkeit den Ball weit zurückgespielt.

Slot: Niederländischer Meister mit Feyenoord Rotterdam

Das Lob gebührte ebenfalls der Fenway Sports Group. Die US-Sportinvestmentfirma führt den Traditionsverein seit 2010. Mit derselben Detailversessenheit und Präzision wie der auf die Finanzen achtende Konzern die Spielerzugänge auswählen lässt, suchten die Vereinsmanager diesmal nach einer Alternative für Klopp – einem Coach, der in erster Linie dessen Spielprinzipien teilt und sie zusätzlich weiterentwickeln kann. Fündig wurde man bei Slot, 45, der Feyenoord Rotterdam 2023 zur niederländischen Meisterschaft geführt hatte. Dort beeindruckte seine Elf mit einem Klopp ähnlichen rasanten, pressenden und dennoch anspruchsvollen Fußball – und so kommt Liverpools Spielstil unter Slot mehr einer Evolution als einer Revolution gleich.

Slot setzt bisher nahezu auf die gleichen Akteure und die gleiche Formation, drängt sich nicht mit überraschenden Personalien auf. Der einzige Unterschied ist der Fokus auf mehr Spielkontrolle. Anders als Klopp lässt Slot nicht immer Hochgeschwindigkeitsfußball praktizieren. Sein Team tritt dadurch defensiv kompakter und stabiler auf, spielt körperlich ökonomischer. Liverpool stellt derzeit mit nur zwei Gegentoren die mit Abstand beste Abwehr der Liga. Profitieren davon tut der frühere FC-Bayern-Profi Ryan Gravenberch, der unter Slot als Taktgeber vor der Abwehr spielt. Mit seiner Ballsicherheit koordiniert der Niederländer das Liverpool-Spiel. Kürzlich fand Linksverteidiger Andrew Robertson, das eigene Vorgehen wirke jetzt etwas „sicherer“.

Die Ansätze will Slot nicht überbewerten. Er bat nach dem Chelsea-Spiel darum, mit einem Urteil bis zur Ligapause im November abzuwarten. Sollte der FC Liverpool dann weiterhin gut dastehen, wird vielleicht auch Arne Slot die Jubelfaust zücken.