Herzogenaurach/Augsburg. An diesem Montag trifft sich die Nationalmannschaft zur Vorbereitung auf die Spiele in der Nations League. Mit dabei: Gladbachs Tim Kleindienst.

Wenn Tim Kleindienst an diesem Montag bei der deutschen Nationalmannschaft in Herzogenaurach eintrifft, kann Borussia Mönchengladbachs Mittelstürmer seine Anekdote noch einmal erzählen. Weil er Julian Nagelsmanns Nummer nicht kannte, ging er erst beim dritten Anruf des Bundestrainers ran und erfuhr so mit Verspätung von seiner erstmaligen Nominierung für die Auswahl des Deutschen Fußball-Bundes (DFB). Im Auto auf einem Parkplatz saß Kleindienst dabei gerade mit seiner Frau. Nach dem Telefonat lag er sich mit ihr in den Armen.

Tim Kleindienst: Mit 29 Jahren erst in die Nationalmannschaft

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Erzählt hat der 29-Jährige das am Freitag nach der 1:2-Niederlage beim FC Augsburg in der Bundesliga. Er freue sich bei der Nationalelf nun „auf alles“, sagt Kleindienst. Seine Berufung für die Spiele der Nations League in Bosnien-Herzegowina am Freitag und gegen die Niederlande am Montag darauf in München bezeichnet er als „immer noch sehr irreal“ und das Gespräch mit Nagelsmann als „eines der schönsten Telefonate, das ich jemals hatte“.

Tim Kleindienst erlebt gerade das Glück eines Spätberufenen. Die Nationalelf schien für den 1,94 Meter großen Stürmer aus Jüterbog in Brandenburg stets so weit entfernt zu sein wie Gladbachs aktuelle Mannschaft von der Blütezeit der Borussia in den 70er-Jahren. Über Energie Cottbus, den SC Freiburg, eine einjährige Leihe an den 1. FC Heidenheim, die Rückkehr nach Freiburg, den festen Wechsel zu Heidenheim, einen unbefriedigenden Abstecher zu KAA Gent nach Belgien für ein halbes Jahr und die Rückkehr zu Heidenheim hatte Kleindienst im Sommer den Weg nach Gladbach gefunden. Von 2014 bis 2016 kam er zudem zu zehn Einsätzen für die deutsche U20.

DFB: Tim Kleindienst soll Stürmer Niclas Füllkrug ersetzen

Gladbachs Tim Kleindienst in Aktion: Seine Stärke ist das Kopfballspiel.
Gladbachs Tim Kleindienst in Aktion: Seine Stärke ist das Kopfballspiel. © Getty Images | Daniel Kopatsch

Es ist ein Werdegang, der nicht prädestiniert daherkommt für eine Berufung in die A-Nationalelf. Dass Nagelsmann Kleindienst trotzdem eingeladen hat als einen von zwei Neulingen neben dem nachnominierten Stuttgarter Jamie Leweling, liegt auch an Niclas Füllkrugs anhaltender Reizung der Achillessehne. Zugleich ist Füllkrug das beste Beispiel, was aus unwahrscheinlichen Karrieren beim DFB-Team entstehen kann. Füllkrug hatte sich mit 19 Toren in Werder Bremens Aufstiegssaison 2021/22 und danach mit zehn Treffern in den ersten 13 Bundesligaspielen für die WM 2022 empfohlen. Seither sind seine Dienste beim DFB gefragt. Wie Kleindienst war Füllkrug ebenfalls mit 29 Jahren als Spätberufener zur Nationalelf gekommen. Dort soll Kleindienst nun als Füllkrugs Vertreter und Backup fungieren und wie der Kollege seine Kopfballstärke einbringen.

Mit Heidenheim war der beidfüßige Kleindienst ein Jahr nach Füllkrug aufgestiegen und hatte es dabei sogar auf 25 Tore gebracht. In der vergangenen Saison waren es zwölf. Seine Quote fällt also ähnlich aus wie die des 31 Jahre alten Füllkrug. In den 172 Pflichtspielen während seiner insgesamt fünfeinhalb Heidenheimer Jahre kam Kleindienst auf 83 Tore und 23 Vorlagen. In Augsburg baute er seine Saisonbilanz mit seinem Kopfballtor auf drei Treffer und eine Vorlage aus. Trotz des „schlechtesten Spiels der Saison“ und einer Mannschaftsleistung, die Gladbachs Geschäftsführer Roland Virkus „maßlos enttäuscht“ zurückließ, hatte Kleindienst seine Konstanz demonstriert.

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DFB: Für Tim Kleindienst spricht dessen Beständigkeit

Nagelsmann begründet die Nominierung von Kleindienst auch mit dessen Beständigkeit und verweist auf die erschwerten Bedingungen, unter denen dieser regelmäßig trifft. Für einen zentralen Stürmer sei das nicht so leicht in Mannschaften wie Heidenheim und Gladbach, die anders als Topteams nicht in jedem Spiel 20 Torchancen hätten, erinnert der Bundestrainer, deshalb sei Kleindienst die starke Quote „noch höher anzurechnen“. Von Heidenheims Coach Frank Schmidt weiß Nagelsmann zudem, dass Kleindienst „sehr fleißig“ ist. Das ist der Stürmer wohl auch deshalb, weil er sich bewusst ist, nicht über das größte Talent zu verfügen. Er bringe „vielleicht nicht die höchste fußballerische Klasse mit, aber das andere kann ich“, sagte Kleindienst zuletzt über seine Bereitschaft zur intensiven Spielweise.

Der Bundestrainer macht ihm sogar schon Hoffnungen auf die WM 2026, er sagt: „Wir sind immer auf der Suche nach weiteren Stürmern, die den Kader auch Richtung diesem großen Turnier füllen können, und da ist Tim auf jeden Fall ein Kandidat.“ Kleindienst müsse nun „seine Chance nutzen“. Lächelnd ergänzt Nagelsmann: „Seine Reaktion am Telefon war schon mal vielversprechend.“ Übersetzen lässt sich das wohl mit: Kleindienst ist heiß auf sein Debüt. Füllkrug hatte bei seiner Premiere 2022 im Oman nach seiner Einwechslung übrigens gleich den 1:0-Siegtreffer erzielt.