Amsterdam. Nach den Spielen gegen Ungarn und die Niederlande sieht Bundestrainer Julian Nagelsmann die Nationalmannschaft auf einem guten Weg.

Pascal Groß hatte es eilig. Der Nationalspieler von Borussia Dortmund wollte am Mittwoch so schnell wie möglich zurück in seine neue Heimatstadt. Auch seine Vereinskollegen Nico Schlotterbeck, Waldemar Anton, Emre Can und Maximilian Beier, die alle am Dienstagabend in der zweiten Halbzeit des Nations-League-Spiels in den Niederlanden (2:2) für Deutschland auf dem Platz standen, suchten den schnellen Weg nach Hause. Schließlich stehen die fünf DFB-Spieler am Freitagabend schon wieder auf dem Rasen, wenn der BVB den aktuellen Bundesliga-Spitzenreiter FC Heidenheim empfängt.

Läuft alles nach Plan für die Spieler aus Dortmund oder auch des FC Bayern München, werden sie in dieser Saison inklusive Nations League, EM-Qualifikation und Club-WM rund 60 Pflichtspiele bestreiten. Ein heftiges Programm, auf das Julian Nagelsmann aber nur bedingt Rücksicht nehmen kann. Der Bundestrainer hat seinen ganz eigenen Weg im Kopf. Es ist der Weg bis zur Weltmeisterschaft 2026 in den USA, Kanada und Mexiko, die Nagelsmann gewinnen will. Und dafür bittet er auch die Vereine um Unterstützung. „Ich sage es voller Demut: Wir brauchen auch die Klubs. Nur durch das Training hier werden wir kein Weltmeister“, sagte Nagelsmann am späten Dienstagabend in Amsterdam.

Deutschland in allen Statistiken vorne

Es war ein Spiel, das noch einmal deutlich gemacht hat, dass Deutschland bei der WM in zwei Jahren eine gute Rolle spielen kann. Gegen den Halbfinalisten der EM lag die DFB-Auswahl in allen Statistiken vorne. 21:11 Torschüsse, 19:5 Flanken, 505:354 Pässe, 60:40 Prozent Ballbesitz. Zahlen, die den neuen Offensivdrang der Nationalmannschaft unter Nagelsmann belegen. Doch es waren eben auch 20 Minuten, in denen die Deutschen gegen die Niederländer in Not waren. Die DFB-Defensive schwamm in der Anfangsphase gehörig und hätte durchaus mehr Treffer kassieren können als das früheste Länderspielgegentor seit 50 Jahren – damals wie heute gegen die Niederlande (2.). „Wenn man Mann gegen Mann verteidigt, kann das passieren“, sagte der Dortmunder Groß, der anders als beim 5:0 gegen Ungarn große Mühe hatte, seine Mannschaft zu sortieren.

Es spricht aber auch für die neue Nationalmannschaft, dass sie Widerstände überwinden kann. Und das nicht zum ersten Mal unter der Führung von Nagelsmann. Schon beim 2:1-Sieg gegen die Niederlande im März hatte Deutschland einen Rückstand gedreht. Bei der EM glich die DFB-Auswahl gegen die Schweiz und Spanien jeweils kurz vor Schluss aus. Ein Zeichen von Mentalität, die auch die Last-minute-Leverkusener in die Mannschaft gebracht haben. „Man sieht in Leverkusen immer wieder, dass man immer noch etwas reißen kann in den letzten 14 Sekunden des Spiels“, sagte Nagelsmann, der sich für alle sichtbar darüber ärgerte, dass Schiedsrichter Davide Massa in der Nachspielzeit mitten in einem Angriff der Deutschen das Spiel abgepfiffen hatte.

DFB-Elf kann Widerstände überwinden

Es war ein Zeichen für Nagelsmanns Siegeswillen, den er auch in der Nations League vorlebt und den er auf seine Mannschaft überträgt. Brach die DFB-Auswahl in den vergangenen zwei Jahren in entscheidenden Spielphasen mehrfach auseinander – Tiefpunkt war das 1:4 gegen Japan vor genau einem Jahr unter Hansi Flick – ist sie jetzt in der Lage, eine Widerstandskraft zu entwickeln.

Während Nagelsmanns Nationalspieler in den kommenden Wochen und Monaten von einem Spiel zum nächsten pendeln, hat der Bundestrainer seinen eigenen Reisespielplan im Kopf. Läuft dieser so, wie er es sich vorstellt, hat die DFB-Auswahl bis zur WM 2026 noch 18 Spiele, um sich in Titelform zu bringen. Dass er diesen Weg bereits als Motivationsmetapher nutzt, belegen die Aussagen seiner Spieler. „Wir haben noch 18 Spiele bis zur WM. Es ist ein Prozess, von Spiel zu Spiel besser zu werden“, sagte Jamal Musiala, der nach seiner Gala gegen Ungarn diesmal nicht so glänzen konnte.

Undav als Nachfolger von Thomas Müller

Trotzdem ist der Münchner zusammen mit seinem Zauberpartner Florian Wirtz das Versprechen, dass Deutschland in zwei Jahren weit kommen kann. „Die beiden sind zwei geisteskranke Talente“, sagte Startelfdebütant und Premierentorschütze Deniz Undav, der zwar nicht zwingend eine große Rolle bei der WM spielen wird, aber zumindest ein Versprechen für eine gute Stimmung in der Mannschaft ist. Der 28-Jährige sagte selbst, dass er nach dem Rücktritt von Thomas Müller dessen Rolle als Spaßvogel in der Kabine übernommen habe.

Aber auch die Rücktritte von Manuel Neuer, Toni Kroos und Ilkay Gündogan konnte die Nationalmannschaft gleich bei ihrer ersten Zusammenkunft nach der EM vergessen machen. Insbesondere die Lücke von Kroos konnte durch Groß kompensiert werden. Der 33-Jährige muss nun allerdings noch beweisen, dass er in den kommenden zwei Jahren der neuen Dreifachbelastung Stand halten kann.

Pavlovic kann der Kroos-Nachfolger werden

Schafft er das nicht, steht mit Aleksandar Pavlovic (20) bereits der nächste Nachfolger bereit. Der Münchner überzeugte in beiden Spielen nach seiner Einwechslung mit großer Präsenz und war einer der Gründe, dass Nagelsmann nach den zehn Tagen bilanzierte: „Wir sind auf einem guten Weg.“ Auf seinem ganz persönlichen 18-Spiele-Weg bis zur WM.