Düsseldorf. Die beiden Zehner Jamal Musiala und Florian Wirtz überragen beim 5:0 gegen Ungarn. Was für Nagelsmann der entscheidende Faktor ist.

Es ist rund 18 Monate her, dass diese Redaktion ein hartes Urteil über den Zustand der deutschen Fußball-Nationalmannschaft fällte. „Weit weg von der Weltklasse“, lautete das Fazit nach der 2:3-Niederlage in Köln gegen Belgien im März 2023. Die Nachbarnation hatte die DFB-Auswahl dominiert und phasenweise hergespielt. Allen voran Weltstar Kevin De Bruyne machte den Unterschied. Dagegen ging der in Köln ausgebildete Hoffnungsträger Florian Wirtz in seiner Heimatstadt mit unter und verschwand hinterher wortlos im Mannschaftsbus.

Ein Mann der großen Worte ist Wirtz auch eineinhalb Jahre danach noch nicht und wird es wahrscheinlich auch nie werden. Was sich aber mittlerweile sagen lässt: Der Leverkusener ist schon nah dran an der Weltklasse. Das war am Samstagabend in Düsseldorf nur 48 Kilometer von Köln entfernt zu beobachten. Und nicht nur Wirtz. Mit Jamal Musiala hat die Nationalmannschaft noch einen zweiten Jungstar, der Deutschland zurück in die Weltspitze führen kann. „Die beiden sind Weltklasse, auf und neben dem Platz. Sie sind ein Segen für Fußball-Deutschland“, sagte Mitspieler Pascal Groß über das bei der Heim-EM kreierte Zauberduo „Wusiala“, das die DFB-Auswahl zum 5:0 (1:0)-Sieg gegen Ungarn zum Start in die Nations League geführt hatte.

Wirtz und Musiala erwachten nach 20 Minuten

Es waren zunächst 20 unspektakuläre Minuten gespielt in der Düsseldorfer Arena, als man auf den Rängen plötzlich einen Ruck spürte, der ein Spektakel einleiten sollte. Es wirkte so, als seien Wirtz und Musiala erwacht. Fortan lief es in der deutschen Mannschaft wie aus einem Guss. Deutschland spielte sich in einen Flow, der vor allem die Namen von Wirtz und Musiala trug. Die beiden Zehner leiteten eine Chance nach der nächsten ein und waren auch am 1:0 durch Niclas Füllkrug (27.) entscheidend beteiligt.

In der zweiten Halbzeit spielten sich die beiden Freigeister dann in einen Rausch und legten sich gegenseitig das 2:0 (Musiala/58.) und das 3:0 (Wirtz/66.) auf. „Wenn Flo und ich im Rhythmus sind und Selbstbewusstsein haben, können wir den ganzen Abend miteinander zocken“, sagte Musiala. Und das taten sie bei der Gala gegen Ungarn auch. Vor allem der Münchener EM-Torschützenkönig war nicht zu stoppen und gab allen Kritikern recht, die ihn auf der 30 Spieler umfassenden Liste für die diesjährige Ballon-d’Or-Wahl zum Weltfußballer 2024 vermisst hatten. Insbesondere Bundestrainer Julian Nagelsmann konnte sich eine Spitze in Richtung der Jury der französischen Fachzeitschrift France Football nicht verkneifen. „Wenn sie so bleiben, sind sie hoffentlich irgendwann beide nominiert für den Ballon d’Or“, sage Nagelsmann nach dem 5:0, als er auf die beiden 21-Jährigen angesprochen wurde, von denen nur Wirtz in diesem Jahr nominiert ist.

„Wusiala“ fängt den Verlust der Weltmeister auf

Vor dem ersten Spiel nach der Heim-EM und den Rücktritten der Weltmeister Manuel Neuer, Toni Kroos und Thomas Müller sowie Champions-League-Gewinner und Kapitän Ilkay Gündogan wurde viel darüber gerätselt, ob die Nationalmannschaft diesen Verlust an Weltklasse so schnell werde auffangen können. Die genaue Antwort wird man wohl erst in zwei Jahren bei der nächsten Weltmeisterschaft in den USA, Kanada und Mexiko geben können. Zumindest aber hat Deutschland wieder zwei Weltklassespieler, die das Spiel der DFB-Elf auch über dieses Turnier hinaus prägen können.

„Die beiden sind schon etwas Besonderes. Wir müssen als Deutschland ein bisschen auf die Jungs aufpassen, ruhig bleiben und ihnen Zeit geben, weil sie unsere Zukunft sein werden“, sagte Füllkrug, der als Mittelstürmer ganz besonders von Wirtz und Musiala profitiert. Dafür muss sich Füllkrug nur in den letzten Räumen vor dem Tor bewegen, wie er nach dem Spiel erklärte. Die Bewegung davor übernehmen seine jungen Kollegen mit ihren Einzelaktionen.

Nagelsmann: Das ist das Entscheidende bei Musiala und Wirtz

Für Nagelsmann ist der Bewegungsdrang von Musiala und Wirtz der entscheidende Faktor zur künftigen Weltklasse. „Das Talent haben sie. Die können alles“, sagte der Bundestrainer. „Das alles Entscheidende ist der Fleiß, den sie haben. Beide sind sehr viel unterwegs. Als klassischer Zehner ist man nicht zwangsläufig unter den laufstärksten Spielern. Flo hat auch in Leverkusen unfassbare Statistiken. Nicht jeder Lauf ist sinnvoll. Man würde sich manchmal wünschen, dass er sich mal einen Kilometer spart“, so Nagelsmann.

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Musiala dagegen mache nun vor allem die wichtigen Wege. Schon bei den Bayern hatte der 21-Jährige seine beste Zeit unter Nagelsmann. Nun hat der Trainer Musialas nächsten Entwicklungsschritt erkannt. „Jamal hat eine große Wandlung durchgemacht in seiner Präsenz im Strafraum. Das war vor der EM der große Kritikpunkt. Heute war es phänomenal.“

Bis zur WM 2026 sollen Wirtz und Musiala nun weiter zusammenwachsen. Das 5:0 gegen Ungarn war ein erster Vorgeschmack auf das, was mit den beiden möglich ist. Nagelsmann ist überzeugt: „Beide haben das Potenzial, den Ballon d‘Or irgendwann mal zu gewinnen.“ Womöglich schon nach der WM in zwei Jahren.