Paris. Der DOSB und die Bundesregierung beschließen den Bewerbungsprozess. Welche Konzepte geprüft werden und wie der Zeitplan aussieht.
Der ersten Aufforderung des Deutschen Olympischen Sportbunds (DOSB) konnte Nancy Faeser (SPD) nicht nachkommen. „Allez Hopp“ stand auf den zwei Stufen, die auf das Pressepodium im Deutschen Haus in Paris führen. Doch die Bundesinnenministerin ist nach einem Treppensturz an Krücken und musste auf den kleinen Satz verzichten. Dafür begründete sie, oben angelangt, im Anschluss, wie die Politik gemeinsam mit dem DOSB zum ganz großen Sprung ansetzen will.
Dem wichtigsten Wunsch des DOSB waren Faeser und die Bundesregierung da bereits nachgekommen, hatten vergangene Woche beschlossen, eine Bewerbung Deutschlands für Olympische und Paralympische Spiele zu unterstützen. Am Freitagvormittag unterzeichnete die 54-Jährige die gemeinsame Erklärung (Memorandum of Understanding) hierzu.
DOSB und Bundesregierung unterzeichnen Erklärung zur Olympia-Bewerbung Deutschlands
„Ein größeres Signal kann es gar nicht geben“, sagte Faeser. DOSB-Präsident Thomas Weikert verwendete in Gewissheit der Unterstützung auch aus der Oppositionsfraktion der CDU/CSU den Komparativ: „Ganz Deutschland steht hinter einer Bewerbung.“
Das war in der Vergangenheit bekanntlich nicht immer so. Potenzielle Bewerbungen in Hamburg und München waren am Votum der Bevölkerung gescheitert. Der DOSB und die Politik wollen, wie alle Seiten mehrfach betonten, vor allem auf Partizipation setzen. Aber auch eine direkte Bürgerbefragung? Da wurden die Aussagen vage.
Bürgerbeteiligung hat Priorität, Volksabstimmung aber ungewiss
„Die Bürgerbeteiligung besteht aus Information, Konsultation und Mitbestimmung. Wir werden innovative Beteiligungskonzepte präsentieren“, versprach DOSB-Vorstandsvorsitzender Torsten Burmester. Faeser sagte auf konkrete Nachfrage zu einem Volksreferendum: „Moderne Partizipation heißt nicht nur, die Menschen abstimmen zu lassen, sondern sie mitzunehmen.“
Dass eine Befragung der Einwohner der jeweiligen Städte und Regionen, die sich bewerben wollen, damit vom Tisch ist, bedeutet dies jedoch nicht. Burmester verwies im Anschluss an die Presseerklärung an geltende Landesverfassungen, die sich in puncto Referenden unterscheiden. In Berlin ist eine Abstimmung nicht in der Form möglich, wie sie es in Hamburg ist. Ein gesamtdeutscher Wahlprozess ist jedoch höchst unwahrscheinlich.
Deutschland will sich editionsunabhängig 2036 oder 2040 bewerben
Doch bevor es so weit ist, muss der DOSB zunächst einmal sein Konzept verfeinern. Bis ins kommende Jahr hinein, so Burmester, werde geprüft, welcher der interessierten Bewerber die aussichtsreichsten Chancen hätte, 2036 oder 2040 den Zuschlag zu bekommen. Eine Machbarkeitsstudie wurde in Auftrag gegeben, externe Finanzexperten auditieren die Ideen.
Berlin, Hamburg, Leipzig, München und die Region Rhein-Ruhr haben ihr Interesse an einer Bewerbung mit Absichtserklärungen bekundet. Mit dem Internationalen Olympischen Komitee (IOC) werde es eine enge Abstimmung geben, welche Kandidatur die besten Aussichten hätte. Im Raum steht auch eine Doppelbewerbung von Berlin und Hamburg.
DOSB-Präsident Thomas Weikert: „Es werden gesamtdeutsche Spiele“
Überhaupt seien eher „gesamtdeutsche Spiele“ geplant, sagte Weikert. „Die Nachhaltigkeit ist einer der wichtigsten Gesichtspunkte unseres Konzepts. Es sollen keine neuen Stadien gebaut werden.“ Die Reitwettbewerbe würde in einer bestehenden Anlage ausgetragen, Wildwasser-Anlagen gibt es in Leipzig und Augsburg, gesegelt würde vor der Küste von Schleswig-Holstein oder Mecklenburg-Vorpommern.
Paris ist in dieser Hinsicht ein Vorbild. Sechs bestehende Arenen werden genutzt, fünf temporäre für die Zeit der Olympischen und Paralympischen Spiele, nur zwei neu gebaut. Das aber gezielt im strukturell schwachen Norden der Stadt, um die dortigen Quartiere aufzuwerten. Das olympische Dorf wird nachgenutzt für Sozial- und Studentenwohnen. „Das sind Gebäude, die Städte sowieso brauchen“, sagte Faeser.
Bundesinnenministerin Nancy Faeser: „Olympia hat Mehrwert für die Bevölkerung“
Man müsse der Bevölkerung den Mehrwert von Olympia erklären. „Dadurch wird nicht nur der Leistungssport, sondern auch der Breitensport genauso gefördert wie die Bewegung in der Gesellschaft“, sagte Burmester und verwies auf die bereits spürbar positiven Effekte in Frankreich. „Olympische Spiele stiften Gemeinschaft und Zusammenhalt und ermöglichen Teilhabe aller“, sagte Faeser, in deren Ministerium eine Stabsstelle für die Bewerbung eingerichtet werden dürfte. In der Pariser Bevölkerung kommen die Spiele sehr gut an, die Menschen sind begeistert.
Wann Olympia in Deutschland ankommen soll, wurde offen gelassen. Man plane editionsunabhängig für 2036 und 2040. Wobei Faeser betonte, Spiele 2040 seien 50 Jahre nach der Wiedervereinigung „ein starkes Symbol und Zeichen für Demokratie“. Innerhalb Deutschlands mag das marginal zu höheren Zustimmungswerten beitragen, international spielt dieser Fakt gegen potenzielle Mitbewerber nicht den Hauch einer Rolle.
Konkurrenz aus Asien bei der Ausrichtung Olympischer Spiele
Diese Konkurrenz wird vor allem aus Asien kommen. Indien besitzt gute Chancen, Saudi-Arabien liebäugelt längst mit einer Bewerbung. Die Hürden dafür sind in diesen Staaten deutlich geringer. „Wir nehmen ein generelles Interesse an der Ausrichtung Olympischer Spiele aus vielen Ländern wahr, auch aus Deutschland“, sagte Weikert. Insbesondere die Wandlung des IOC, das sich laut Faeser „auf einen positiven Weg begeben hat“, sei dafür verantwortlich.
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Faeser wird gemeinsam mit Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP) und einer Abordnung des DOSB nach den Wettkämpfen in Paris zum IOC-Hauptsitz nach Lausanne (Schweiz) reisen, um dort auszuloten, welche Voraussetzungen eine deutsche Bewerbung noch erfüllen muss, an welchen Schrauben zu drehen sein wird. Dann dürfte sie auch ihre Krücken los sein und kann in jeglicher Hinsicht den ganz großen Sprung wagen.