Paris. Der persönliche Medaillenspiegel wird aufpoliert. Aber das schönste Edelmetall ist nichts gegen den Glanz des omnipräsenten Tennisidols.
Der Abschluss der ersten Woche der Olympischen Spiele in Paris ist ein guter Zeitpunkt, einen Blick auf den persönlichen Medaillenspiegel zu werfen. Die Bilanz kann sich langsam sehen lassen.
Bislang ist es mir gelungen, bei einer deutschen Medaille live vor Ort zu sein (der bronzenen der Ruder-Mädels im Doppelvierer); ich habe eineinhalb Paar durchnässte Schuhe; zwei bekleckerte Hemden; 20 Euro bezahlt für einen zu kleinen Regenschirm, den ich einen Tag später im olympischen Dorf vergessen habe; fünf Stunden Schlaf pro Nacht; daher 30 Minuten in der Bahn verpennt und drei Stationen verpasst, an denen ich hätte aussteigen müssen; 17.745 Schritte pro Tag; leider immer noch null Froschschenkel vertilgt; und ganz aktuell einem Unfall beigewohnt, als der Busfahrer die komplette linke Seite des unklimatisierten Shuttles beim Versuch schrottete, über einen Verkehrspoller zu rasen.
Olympia-Tagebuch: Boris Becker genießt die Zeit seines Lebens in Paris
Die bemerkenswerteste Bilanz sind aber eindeutig die gefühlten 79-mal, die ich Boris Becker gesehen habe. Es ist unwahrscheinlicher, in Paris einen englischsprachigen Menschen zu finden, als irgendwo in das Tennisidol hineinzulaufen, das an jeder Ecke herumzulungern scheint.
Boris Becker freudig die La-Ola beim Beachvolleyball mitmachend; Boris Becker als Handball-Kommentator; Boris Becker – fast schon langweilig – beim Tennis. Oder todsicher: Boris Becker im Deutschen Haus. Vor ein paar Tagen hat er mir sogar auf einen Twitter-Kommentar geantwortet. Er sei gerade auf dem Weg zum Basketball nach Lille.
Der 56-Jährige scheint die Zeit seines Lebens zu genießen. Ich dagegen muss die bekleckerten Hemden reinigen und suche in diesem einzigen Missverständnis von Hotel den Waschraum.
Da der Fahrstuhl des zwölfstöckigen Hauses mal wieder nicht funktioniert, nehme ich die Treppen und öffne eine schwere Tür. Endstation Besenkammer. Es erstaunt mich, wen ich hier ausnahmsweise nicht antreffe.