Paris. Nach zwölf Jahren ohne Olympia-Teilnahme sind die Hoffnungen auf einen Schub für den deutschen Volleyball groß. Das Team hat viel vor.
Die Blicke wirkten leer, als der letzte Punkt vergeben war. Sie hatten sich mit aller Macht gegen die Niederlage gestemmt. Doch bei den letzten Ballwechseln stimmte die Konzentration nicht mehr, die Präzision ließ nach. Der Sieg, der gerade noch möglich schien nach einer leidenschaftlichen Aufholjagd der deutschen Volleyballer, entglitt ihnen. Mit 2:3 (21:25, 17:25, 25:17, 25:20, 11:15) unterlag das Team den USA.
Einen wichtigen Punkt nahm die Mannschaft in der Arena Sud 1 nach einem 0:2-Satzrückstand dennoch mit aus dem zweiten Gruppenspiel. „Ich bin stolz, dass wir wieder diese Moral bewiesen haben“, sagte Kapitän Lukas Kampa. Das olympische Viertelfinale in Paris ist nach dem Auftakterfolg gegen den Weltranglistenzweiten Japan (3:2) weiterhin erreichbar.
Das Viertelfinale ist weiterhin möglich für die DVV-Auswahl
Dazu muss die Auswahl des Deutschen Volleyball Verbandes (DVV) am Freitag im dritten und letzten Vorrundenduell gegen Argentinien gewinnen. Die zwei besten Teams jeder Gruppe und die zwei besten Gruppendritten kommen weiter. „Jetzt haben wir ein richtiges Endspiel. Und das macht am meisten Spaß“, sagte Mittelblocker Anton Brehme.
Dass die Mannschaft überhaupt in Paris dabei ist, war durchaus eine Überraschung. Nach herben Rückschlägen in der Nationenliga und bei der EM war die Olympia-Hoffnung nicht sonderlich ausgeprägt, als die DVV-Auswahl beim Qualifikationsturnier antrat. „Keiner hat damit gerechnet – und wir haben das möglich gemacht“, sagt Georg Grozer.
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Der 39-Jährige ist der Kopf der Mannschaft, der Star, ohne den dieses Team nicht dort wäre, wo es ist. Trotz seines Alters nimmt der Diagonalangreifer die zentrale Rolle ein auf dem Feld und im Gefüge des Teams von Bundestrainer Michal Winiarski, dem erstmals seit zwölf Jahren wieder den Sprung zu den Spielen gelungen ist.
Vier Berliner sind in Paris im deutschen Team dabei
Für die Sportart ist das enorm wichtig. Als „eine Riesenchance für den deutschen Volleyball“ bezeichnet Kaweh Niroomand von den Berlin Recycling Volleys, der Chef des deutschen Meisters, die Teilnahme in Paris. Der Volleyball leidet daheim unter zu wenig Aufmerksamkeit, einer sehr einseitigen Bundesliga, vielleicht darunter, dass es zu wenige gibt, die mit einer Vision versuchen, etwas aufzubauen.
In Berlin ist Niroomand das gelungen. Nicht zufällig befinden sich unter den zwölf Profis im Nationalteam vier Spieler aus der Hauptstadt, alle anderen verdienen ihr Geld im Ausland. Das zeigt neben der Ausnahmestellung der BR Volleys auch, dass es eine ganze Reihe starker Akteure gibt. Doch zuletzt fehlte es mit dem DVV-Team an Konstanz.
„Viele wollen natürlich nach wie vor im Ausland sein, weil es dort noch mehr Geld gibt und vielleicht ein bisschen konkurrenzfähigere Ligen.“
Bei der Olympia-Qualifikation fand die Mannschaft diese Konstanz. „Wenn wir das noch mal abrufen können, ist einiges drin für uns in Paris“, sagt Ruben Schott, der neben Johannes Tille, Tobias Krick und Moritz Reichert einer der vier Berliner ist. Grozer wird noch deutlicher. „Ich bin der Erste, der sagt, dass eine Medaille das Ziel ist“, so der deutsche Star.
Gegen die starken Japaner setzte die DVV-Auswahl bereits ein Ausrufezeichen, präsentierte Volleyball auf sehr hohem Niveau. „Ich würde sagen, dass wir generell vielleicht bis auf die Diagonalposition mit Georg auf den anderen Positionen sehr breit aufgestellt sind“, sagt Zuspieler Tille, der wie Niroomand großen Nutzen darin sieht, auf dieser Bühne mitwirken zu können.
Allein seit der Qualifikation habe er wahrgenommen, dass das Interesse am Volleyball steigt. „Das ist einfach wichtig für die Liga und den Nachwuchs“, erzählt Tille, der selbst schon im Ausland aktiv war, so wie alle anderen Berliner auch. „Viele wollen natürlich nach wie vor im Ausland sein, weil es dort noch mehr Geld gibt und vielleicht ein bisschen konkurrenzfähigere Ligen“, sagt der 27-Jährige.
Nationalspieler Tille wünscht sich mehr Events in Deutschland
Eine nachhaltige Entwicklung kann es allerdings nur dann geben, wenn auch daheim die Strukturen stimmen, wenn Vorbilder in den deutschen Hallen permanent zu sehen sind. Außerhalb der Hauptstadt, wo die Volleys zu einem der besten Klubs Europas gereift sind und zu einem Anziehungspunkt für deutsche Profi wurden, sind die Voraussetzungen dafür allerdings schwierig. Weshalb Tille auf größerer Ebene denkt: „Ziel sollte sein, wieder mehr Länderspiele oder Events bei den Männern nach Deutschland zu holen, damit man mehr Öffentlichkeit hat.“
In Paris jedenfalls tut das Team viel dafür, die bestmögliche Werbung zu gewährleisten. Mit einer ähnlichen Vorstellung wie gegen Japan dürfte gegen Argentinien, den Dritten von Tokio, einiges möglich sein. „Ich traue uns alles zu“, sagt Grozer.