Essen. England hat durch ein 2:1 gegen die Niederlande das EM-Finale erreicht. Mit einem Sieg gegen Spanien kann sich der Trainer die Krone aufsetzen.

Gareth Southgate genoss diesen Moment in vollen Zügen. Der Trainer der englischen Fußball-Nationalmannschaft ließ sich nach dem 2:1-Sieg seiner Mannschaft im EM-Halbfinale gegen die Niederlande auf dem Rasen des Dortmunder Signal-Iduna-Parks feiern. Der 53-Jährige streckte die Fäuste in die Luft, die englischen Fans feierten ihn lautstark. So schnell kann es gehen im Fußball.

Zwei Wochen zuvor flogen Southgate Bierbecher wütender Anhänger entgegen, als er nach dem 0:0 im letzten Gruppenspiel gegen Slowenien vor der Kurve stand. Der Trainer und sein mit großen Stars gespicktes Team ernteten Hohn und Spott von Fans, internationalen Experten und der bekanntlich nicht zimperlichen englischen Presse.

England im EM-Finale: Southgate hat eine Turniermannschaft geformt

Die Three Lions wurden zu früh abgeschrieben, vor allem Southgate hat es nun allen Kritikern gezeigt, die ihm unansehnlichen und ideenlosen Fußball vorwarfen. Attraktiv hat seine Mannschaft tatsächlich auch gegen die Niederlande nur eine Halbzeit lang gespielt, dem Ex-Nationalspieler ist es jedoch nicht zum ersten Mal bei einem großen Turnier gelungen, aus einer Ansammlung an hervorragenden Einzelspielern mit großen Egos eine Turniermannschaft zu formen, die in den entscheidenden Momenten die Nerven behält. Im Viertelfinale bewiesen die Engländer sogar ungeahnte Qualitäten vom Elfmeterpunkt.

Zwei Final-Teilnahmen bei Europameisterschaften, dazu ein Halbfinal- und ein Viertelfinal-Einzug bei den letzten beiden Weltmeisterschaften: Southgates Bilanz als Nationaltrainer kann sich sehen lassen. Um sich den Respekt aller Engländer zu erarbeiten, fehlt ihm allerdings ein Titel. Beendet Southgate bei seinem möglicherweise letzten Turnier als Trainer der Engländer die oft besungenen „years of hurt“, die Jahre des Schmerzes seit dem letzten und bislang einzigen englischen Titelgewinn im Jahr 1966, ist ihm der Heldenstatus im eigenen Land sicher.

Der Trainer und sein Kapitän: Auch Harry Kane (r.) wurde bei dieser EM scharf kritisiert. Sonntag in Berlin kann er seinen ersten großen Titel gewinnen.
Der Trainer und sein Kapitän: Auch Harry Kane (r.) wurde bei dieser EM scharf kritisiert. Sonntag in Berlin kann er seinen ersten großen Titel gewinnen. © AFP | Ina Fassbender

EM-Titel wäre Bayern-Star Harry Kane zu gönnen

Drei Jahre nach der bitteren Heimpleite im EM-Finale gegen Italien hat auch Southgates Kapitän Harry Kane eine historische Chance, alle Kritiker verstummen zu lassen. Der Stürmer des FC Bayern München wird in der Heimat oftmals als Verlierer abgestempelt, weil er noch keinen Titel gewonnen hat, auch nicht in München. Es wäre Kane zu gönnen, denn es war sicher nicht die Schuld des Torjägers, dass die Bayern ihre Saison erstmals seit zwölf Jahren ohne Titel beendeten.