Gelsenkirchen. Mit viel Glück und einem genialen Moment von Jude Bellingham hat England das EM-Aus abgewendet. Die Three Lions besiegten die Slowakei.
Alks nichts mehr darauf hindeutete, gab es doch noch diesen einen genialen Moment, der zeigte, warum der Marktwert von Jude Bellingham bei 180 Millionen Euro liegt, warum er als der künftige Weltfußballer gilt, warum er Real Madrid zum Champions-League-Sieg führte. Das Ende eines weiteren fürchterlichen Fußball-Abends für England, das EM-Achtelfinal-Aus gegen die Slowakei schien ganz nah, Trainer Gareth Southgate drohte der Verlust seines Jobs, da setzte Bellingham zu einem Fallrückzieher an und traf zum 1:1. Ein Tor, das England in der fünften Minute der Nachspielzeit in die Verlängerung brachte. Beflügelt durch Bellinghams Brillanz wendete England das Ausscheiden noch ab und gewann nach 120 Minuten mit 2:1 (2:1, 1:1). Harry Kane hatte für die Entscheidung gesorgt.
+++ England auch gegen die Slowakei schwach: ZDF-Experten fassungslos +++
Als Schiedsrichter Halil Umut Meler das Spiel beendete, liefen die englischen Spieler aber nicht kreuz und quer über den Platz, weil sie sich freuten. Dazu hätte es auch wenig Gründe gegeben. Nach drei grauenvollen Gruppenspielen hatten die Engländer auch am Sonntagabend in Gelsenkirchen ganz lange alles dafür getan, im Achtelfinale zu scheitern. Es spielte nicht der Top-Favorit mit dem 1,5-Milliarden-Euro-Kader gegen den 45. der Fifa-Weltrangliste - sondern eine bemitleidenswerte, uninspirierte Elf voller Einzelspieler gegen einen toll kämpfenden und zuweilen munter kombinierenden Außenseiter. Da spielten Bellingham, Kapitän Harry Kane und weitere Top-Stars zum Beispiel gegen Peter Pekarik, 37 Jahre alt, Fußball-Senior und Dauerreservist beim Zweitligisten Hertha BSC. Doch diese Überlegenheit spielten die Three Lions nicht nur nicht aus - sie verschwendeten sie.
England mit ganz schwacher erster Halbzeit gegen die Slowakei
Und das ab der ersten Sekunde. Nichts schienen die Engländer aus dem 0:0-Langweiler gegen Slowenien zum Ende der Gruppenphase gelernt zu haben. Wieder hatten sie dauerhaft den Ball, kamen auf 73 Prozent Ballbesitz, doch es gab Querpässe, Rückpässe, Fehlpässe - oder gleich Flanken ins Seitenaus oder Torschüsse ins Nichts. Die englischen Fans raunten nur, wenn der Ball durch den Strafraum flog - meist bei einer Ecke. Eine richtig dicke Chance aber hatten die Engländer den ersten 75 Minuten aber nicht.
Im Gegensatz zu den Slowaken, die Englands Millionen-Abwehr mit simplen Steilpässen auskombinierten und sich etliche gute Chancen erarbeiteten. In der vierten Minute standen Juraj Kucka und David Strelec frei im Strafraum, behinderten sich aber gegenseitig. 60 Sekunden später stürmte David Hancko allein aufs Tor zu und schoss rechts vorbei. Lukas Haraslins Schuss (12.) wurde im letzten Moment geblockt. Als Ivan Schranz nach einem Pass von Strelec das 1:0 gelang (25.), war das überfällig und verdient. Kurz nach der Pause hätte Strelec beinahe das zweite Tor folgen lassen - von der Mittellinie schoss er den Ball über den weit vor seinem Tor stehenden Keeper Jordan Pickford, aber knapp am Pfosten vorbei. Auch das 2:0 hätte keinen der rund 50.000 Zuschauer überrascht. Southgate stand meist konsterniert an der Seitenlinie, seine Wechsel verpufften, die Fans pfiffen, buhten, schienen sich schon gedanklich auf das EM-Aus einzustellen.
Je näher der Schlusspfiff rückte, desto mehr verriegelten die Slowaken den eigenen Strafraum, Kapitän Milan Skriniar köpfte fast alle Flanken der Engländer problemlos aus dem Strafraum. Doch eine Viertelstunde vor Schluss schwanden die Kräfte des Außenseiters - wie schon gegen den Belgien, das die slowakische Mannschaft mit Glück gewonnen hatte (1:0) und auch wie gegen die Ukraine - ein Spiel, das nach 1:0-Führung noch verloren ging (1:2).
Jude Bellingham rettet England vor dem EM-Aus
Erst in der Schlussphase kamen die Engländer dem Ausgleich näher, weckten ihre wütenden Fans. In der 78. Minute flankte Phil Foden den Ball in den Strafraum, dort stand Kane frei - und köpfte daneben. Eine solche Chance lässt er nur selten ungenutzt. Drei Minuten später zielte Declan Rice genauer, schoss den Ball aber gegen den linken Torpfosten. Die Engländer erarbeiteten sich neun Ecken, fünf Freistöße in Strafraumnähe - es dauerte aber bis zur fünf Minute der Nachspielzeit, bis der Ball über die Linie flog. Nach einem Einwurf verlängerte der aufgerückte Abwehrspieler Marc Guéhi den Ball und Bellingham traf - individuelle Klasse rettete England.
Dieser Treffer veränderte das Spiel komplett - und nur wenige Sekunden waren in der Verlängerung gespielt, da verwandelte Harry Kane eine Vorlage von Ivan Toney zum 2:1-Endstand. Die Engländer waren dem Aus, Southgate dem Job-Verlust noch einmal entronnen. Gegner im Viertelfinale ist die Schweiz (Samstag, 6. Juli).