Leipzig. Viele Chancen, aber keine Tore: Frankreich und die Niederlande mit Remis. Die Ausgangslage ist für beide Teams nicht schlecht.
Frankreich und die Niederlande haben eine Entscheidung über die Achtelfinalisten der Gruppe D vertagt. Beide Teams trennten sich am Freitagabend in der Leipziger EM-Arena 0:0. Mit jeweils vier Punkten sind sie zwar gut im Rennen um die K.o.-Runden-Tickets, doch das letzte Wort in der Angelegenheit fällt erst, wenn die Elftal gegen Polen (null Punkte) gespielt hat und die Equipe Tricolore gegen Österreich (drei Zähler).
Die Erwartungen vor diesem Topspiel waren groß und weitgehend orange gewesen in der Stadt, wo die Fans der Niederländer bereits am Vortag die Herbergen, Plätze und Kneipen geflutet hatten. Nicht einmal das nachmittägliche Sintflutunwetter am Spieltag konnte die Oranje-Massen kühlen, ein riesiger Fanmarsch schob sich auf das Stadion zu. Zweimal hatte die niederländische Nationalelf gegen die Franzosen in der EM-Qualifikation verloren (1:2, 0:4), die Vorfreude auf eine Revanche gegen den Vizeweltmeister war gewaltig.
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Die große, eine Frage bestimmte die Spekulationsgespräche vor der Partie. Würde Frankreichs Kapitän Kylian Mbappé spielen können – oder nicht. Der 25-Jährige hatte sich beim 1:0 gegen Österreich staatstragend die Nase gebrochen. Am Tag vor dem Spiel heizte er die Debatten mit einer Gesichtsmaske in den Landesfarben inklusive gallischem Hahn an.
Der Auftritt war spektakulär, aber auch eine Finte, denn Mbappé saß auf der Bank – und kam nicht zum Einsatz. Für ihn rückte Aurelian Tchouameni in die erste Elf zentral vor die Abwehr.
Auch Bondscoach Ronald Koeman wechselte einmal das Personal: Anstelle von Joey Veerman schickte er Jeremy Frimpong vom deutschen Meister Bayer Leverkusen aufs Feld. Damit standen für die Niederländer zwei Bundesliga-Legionäre auf dem Platz, denn auch RB Leipzigs Leihprofi Xavi Simons spielte von Beginn. Ein Heimspiel für den 20-Jährigen in der Messestadt.
Xavi im orangen Trikot ist nicht der Xavi bei RB Leipzig. Einer der talentiertesten Youngster des europäischen Fußballs, den Koeman in ein Korsett gesteckt zu haben scheint. Sinnbildlich auch für den Auftritt des gesamten Teams verhungerte sein einziger Schuss aufs Tor der Franzosen vor der Pause auf halbem Weg (36.).
Risikoarme Vorstellung von Frankreich und den Niederlanden
Zu diesem Zeitpunkt hatten sich „Oranjes“ und „Les Bleus“ in eine risikoarme Vorstellung verhakelt. Die Ausgangsposition mag dazu beigetragen haben, dass die Partie einem Schachspiel glich. Weder Franzosen noch Niederländer wollten mit einer Niederlage Druck auf das dritte Vorrundenspiel geben.
Lediglich die ersten 15 Minuten hatten es in sich und entsprachen der Klasse des Personals auf dem Rasen. Frimpong hatte die erste Gelegenheit zu einem Treffer nach 58 Sekunden, Frankreichs Keeper Mike Maignan beendete den Sololauf mit einer Parade. Kurz darauf prüfte Antoine Griezman Elftal-Schlussmann Bart Verbruggen mit einem Fernschuss (4.).
Im Anschluss bediente Rabiot Griezman am Fünfmeterraum, der Altstar hätte nur einschieben brauchen, stolperte aber über die eigenen Beine (14.). Zwei Minuten später zwang Cody Gakpo Maignan mit einem 15-Meter-Schuss zu einer Bilderbuchparade.
Danach flaute der Anfangsrausch ab. Frankreich kontrollierte das Spiel, die Niederländer standen tief und lauerten. Doch selbst wenn sie den Ball eroberten, gingen sie kein Risiko ein und vertändelten ihre wenigen Konterchancen. Griezman mit einem ungefährlichen Kopfball in Verbruggens Arme setzte hinter die erste Hälfte den symptomatischen Schlusspunkt (43.).
Die zweite Hälfte begann ähnlich ereignisarm. Wenigstens die Fans aber hatten ihren Spaß, echauffierten sich, sangen, warfen mit Bierbechern - und endlich zündete ein kleiner Funke. Allerdings nur bei den Franzosen. Erst schoss der ehemalige Gladbacher Marcus Thurman knapp am Tor vorbei (60.), kurze Zeit später köpfte Tchouameni Zentimeter über die Querlatte (63.), eine Minute später scheiterte Griezman aus einem Meter an Verbruggens Hüfte.
Die Franzosen wollten den Sieg jetzt einfahren. Doch wie so oft: Der erste Treffer fiel auf der Gegenseite. Xavi, in seinem Wohnzimmer, traf aus dem Rückraum zum 1:0. Ekstase auf den Rängen, doch zu früh der Jubel der Oranje-Fans: Denzel Dumfries hatte Maignan den Weg versperrt, Schiedsrichter Anthony Taylor entschied deshalb auf Freistoß (72.).
Damit war der Höhepunkt des Duells erreicht, das nicht hielt, was seine Ansetzung versprochen hatte. Die Party allerdings war mit dem Schlusspfiff noch nicht am Ende, sie setzte sich bis spät in die Nacht fort – nur eben anderswo.