Essen. Julian Nagelsmann verdient die Chance, sich als Bundestrainer zu beweisen – ohne dass ständig der Name Klopp im Hintergrund fällt. Ein Kommentar.
Es ist nicht übertrieben zu behaupten, dass Julian Nagelsmann die besten Fußballer des Landes ungestört auf das neuerliche Duell mit dem Rivalen Niederlande vorbereiten konnte. Der ein oder andere Fan muss sich vermutlich noch mal vergewissern, wann das Länderspiel denn genau ausgetragen werden würde (richtig, an diesem Montag). Denn von den bierseligen Diskussionen am Kneipentresen bis hin zum höchst fachlichen Austausch der TV-Experten der letzten Tage beherrschte nur ein Trainer die Themensetzung, der in nächster Zeit erstmal gar nicht mehr als Trainer arbeiten wird: Jürgen Klopp.
Jürgen Klopp: Verständnis eher im Kollegenkreis als auf den Tribünen
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Mit seiner Ankündigung, ab Januar die im großen, großen Fußballuniversum noch nicht sonderlich weit verbreitete Aufgabe des Global Head of Soccer beim österreichischen Red-Bull-Imperium zu übernehmen, enttäuschte das strahlendste Lächeln des Landes viele derer, die ihn einst selbst überhöht hatten. Fürsprecher, sich branchenüblich nur wie ein gewiefter Geschäftsmann im Milliarden-Business zu verhalten und jeden Euro mitzunehmen, findet Jürgen Klopp eher im Kollegenkreis denn auf den Stadiontribünen. Dafür öffentlich gescholten zu werden – wobei es ja gar kein Verbrechen ist, Geld zu verdienen –, kann er gelassen hinnehmen. Den Leuten in der Vergangenheit etwas gegeben zu haben, wofür er womöglich gar nicht mit letzter Überzeugung stand, muss er ja auch mit sich selbst ausmachen.
Dass sich der 57-Jährige im neuen Jahr um die weltumspannenden Fußballprojekte von RB kümmern wird, ist für Julian Nagelsmann ein Segen. Ein Jahr lang ist dieser nun Bundestrainer. Kaum einen Tag gab es seitdem, an dem der Name Klopp nicht irgendwie bei den Gedankenspielen um die zukünftige Besetzung dieses wichtigen Postens genannt wurde. Damit ist nun vorerst Schluss. Nagelsmann hat unter Beweis gestellt, dass er mit der Nationalmannschaft einen Um- und Aufbruch gestalten kann, der sportlichen Ertrag und Zustimmung unter den Anhängern erzeugt. Er hat es verdient, diesen Weg gehen zu können, ohne dass bei jedem Unentschieden gleich wieder nach Klopp geschrien wird.
Nagelsmann: Nicht darauf vertrauen, was Mintzlaff sagt
Der 37-Jährige hat es verdient, dass der DFB ihm die Geduld gönnt, die der FC Bayern zuvor nicht hatte. Die von Rudi Völler angedachte Vertragsverlängerung gäbe Nagelsmann Rückendeckung. Auch wenn er laut RB-Chef Oliver Mintzlaff in den nächsten fünf Jahren nicht fürchten müsste, dass Jürgen Klopp sofort Bundestrainer sein könnte, sollte ihm der Sinn danach stehen. Dass man aber nicht allem Gesagten im Fußball Glauben schenken sollte, weiß Julian Nagelsmann natürlich längst.