Essen. So wie der VAR im deutschen Profifußball gehandhabt wird, ist er gescheitert. Dabei ist eine Verbesserung durchaus möglich. Ein Kommentar.

Auch als überzeugter Befürworter der elektronischen Hilfsmittel im Profifußball lässt sich sagen: Der Video Assistant Referee, kurz: VAR, ist in der Form gescheitert, in der er in Deutschland praktiziert wird. Der stete Tropfen höhlt den Stein, und vermutlich gab es schon viele andere Aufreger zuvor, nach denen man zur gleichen Erkenntnis hätte kommen können. Aber der nicht gegebene Elfmeter infolge des nachspielzeitlichen Vergehens von Leverkusens Jonathan Tah gegen Frankfurts Hugo Ekitiké lässt keinen anderen Schluss zu als: So geht es einfach nicht mehr weiter.

Trotz VAR: Es gibt keine Garantie auf hundertprozentige Gerechtigkeit

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Die Zweifel waren groß, als der VAR 2017/2018 eingeführt wurde. Hundertprozentige Gerechtigkeit lässt sich damit nicht garantieren – das muss man auch sieben Jahre danach so akzeptieren. Dass vielen Zuschauern die originären Emotionen genommen wurden, wenn nach dem Torschrei doch das Kommando zurück kam wegen irgendeiner mit bloßem Auge nicht erkennbaren Abseitsposition und sonstigen Regelverstößen, missfällt vielen – in diesem Milliardengeschäft geht es aber nicht nur um Tore, sondern in gravierendsten Fällen auch um Jobs außerhalb der Spielerkabine.

Was den VAR im Fußball so schwierig macht: Es liegt so viel im Ermessensspielraum der Schiedsrichter. Allein der Begriff: nicht klare Fehlentscheidung. Ist es nun ein Fehler oder keiner? Jonathan Tahs Armausfahren gegen Hugo Ekitiké zielte allein darauf ab, dem Stürmer das Gleichgewicht zu nehmen, ein Last-Minute-Tor zu verhindern. Der Verteidiger erreichte sein Ziel – um regelwidrig zu handeln, bedarf es nicht stets großen Körpereinsatzes.

Kein Veto aus dem Kölner Keller: Der VAR hätte eingreifen sollen

Warum trotz der Entscheidung von Felix Brych der Videoschiedsrichter Günter Perl im Kölner Keller nicht wenigstens mal gesagt hat: Schau es dir zur Vorsicht noch mal an, selbst wenn du dabei bleibst – man begreift es nicht. Wo sonst doch immer wieder minutenlang Banalitäten im Mittelfeld am Fernseher begutachtet werden.

Schiedsrichter Felix Brych schaut sich eine elfmeterwürdige Szene im Spiel zwischen Bayern Leverkusen und Eintracht Frankfurt an - beim vermeintlichen Foul von Jonathan Tah gegen Hugo Eikitiké nutzte er die Möglichkeit des VAR nicht.
Schiedsrichter Felix Brych schaut sich eine elfmeterwürdige Szene im Spiel zwischen Bayern Leverkusen und Eintracht Frankfurt an - beim vermeintlichen Foul von Jonathan Tah gegen Hugo Eikitiké nutzte er die Möglichkeit des VAR nicht. © Ralf Ibing /firo Sportphoto | Ralf Ibing

Hilfe für Schiedsrichter: Drei alternative Vorschläge zum VAR

Doch wie kann es besser – oder: wieder erträglicher – werden? Drei Vorschläge. Erstens: Challenges, wie in anderen Sportarten bewährt, einführen. Ob mit maximal dreien pro Halbzeit und Team oder als einmaliges Vetorecht (bei klar definierten Einsatzmöglichkeiten), das man bei falscher Inanspruchnahme verliert, wäre noch zu klären. Liegt die Verantwortung bei den Teams, lernen sie schnell, damit keine Zeit schinden zu können, die ohnehin nachgespielt werden würde. Zweitens: Als Hilfsmittel nur Tor- und Abseitslinienkontrolle beibehalten. Stattdessen einen zweiten Hauptschiedsrichter mit auf den Rasen stellen, um sich zu unterstützen. Sich Szenen noch mal anschauen zu können, wäre eine Option allein für die Unparteiischen. Drittens: Alles wieder wie früher, auf jegliche Hilfen verzichten. Dann müsste man bei Schiedsrichtern genauso mit Fehlern leben wie bei fußballerischem Unvermögen von Spielern. Ist im Jahr 2024 nicht der wahre Jakob, aber viel mehr ärgern als heute würde sich vermutlich niemand.