Köln. Was für ein Krimi: Die deutschen Handballer gewinnen ihr erstes EM-Hauptrundenspiel gegen Island 26:24. Die Kölner Arena steht Kopf.
Als um 22.04 Uhr die Schlusssirene erklang und auf der Anzeigetafel 26:24 zu lesen war, sah Bundestrainer Alfred Gislason erleichtert aus. Einmal tief durchatmen, kurz genießen, mit den Spielern abklatschen und die Partie dann abhaken. Klar, der 26:24 (11:10)-Erfolg gegen Island war ein immens wichtiger, ist jede der vier Hauptrundenpartien doch ein K.o.-Spiel, schon bei einer Niederlage gerät das Halbfinale aus dem Sichtfeld. Das deutsche Team ist also weiter auf Kurs, die 19.750 Zuschauer in der Kölner Arena feierten den Sieg mit lautem Applaus. Die Serie hielt, das deutsche Team ist in Turnierspielen in der Kölner Arena weiter unbesiegt. Doch für Gislason war es auch eine persönliche Angelegenheit. Er hatte die Auswahl seines Heimatlands geschlagen.
Der 54-jährige Bundestrainer hatte keinen Hehl daraus gemacht, dass die Partie gegen die Inselnation „ein sehr persönliches und besonderes Spiel“ für ihn sei, das er „ungern“ verlieren möchte. Sein Vater und weitere Familienmitglieder saßen auf der Tribüne, sie sangen zu Beginn lautstark die isländische Hymne mit, als diese nach einer technischen Panne und den folgenden Pfiffen der isländischen Fans noch einmal „richtig“ abgespielt werden musste. Gislason selbst sang auch, die deutsche intonierte der Mann, der mittlerweile seit über 30 Jahren in Deutschland lebt, aber ebenfalls.
Handball-EM 2024: Wolff steht sicher
Danach aber war es für 60 Minuten vorbei mit der großen Verbundenheit: Gislason jubelte, als Rune Dahmke mit dem 1:2-Anschluss das erste Tor für Deutschland erzielte. Er schlug verärgert die Hände zusammen, als Julian Köster den Ball übers Tor pfefferte. Hinten stand Andreas Wolff so manches Mal sicher – und Köster beendete mit dem Treffer zum 5:5 das deutsche Hinterherlaufen. Bis zur Halbzeitpause führte nun das deutsche Team immer knapp.
Zwar hatte Kölns tierisches Zoo-Orakel Eberhard ein Remis vorausgesagt, doch das deutsche Team tat nach ruckeligem Beginn alles, um das Schwäbisch-Hällische Schwein zu widerlegen. Wolff hielt in den ersten 30 Minuten 44 Prozent der Bälle, vorne aber taten sich Johannes Golla und Co. schwer mit der aggressiven Abwehr der Isländer. Da war mehr möglich, Deutschland kam aber nicht in den Fluss. Zu viele Chancen wurden nicht genutzt. Auf Isländer Seite zeigten Torwart Viktor Hallgrimsson, SC Magdeburg-Profi Omar Ingi Magnusson und der einstige Kieler Aron Palmarsson eine starke Partie.
Handball-EM 2024: Purer Kampf
Eine ähnlich zähe Angelegenheit war auch die zweite Halbzeit. Juri Knorr brachte Deutschland in der 33. Minute mit zwei Toren in Führung (14:12), doch insgesamt waren Tor-Aktionen noch rarer gesät als zuvor. Island versuchte mit individueller Stärke, die deutsche Abwehr zu knacken, schaffte dies aber selten. Auf der Gegenseite verzweifelte das deutsche Team an Torhüter Hallgrimsson. Es war ein Kampf. Zwei verworfene Siebenmeter durch Knorr verhinderten Sicherheit, Timo Kastening machte es in der 56. Minute besser vom Punkt und traf zum 23:21. Wolff hielt im Gegenzug zwei Strafwürfe der Isländer – einen in der in der 58., einen in der 59. Minute. Die Vorentscheidung.
Mit dem Ende des deutschen Spiels in Köln war der erste Spieltag der Hauptrunde auch offiziell beendet. Es hatte viele erwartbare Ergebnisse gegeben: Den souveränen Auftritt der Dänen, die die Niederlande mit 39:27 besiegt hatten und dabei selbst die Starspieler Mikkel Hansen und Torhüter Niklas Landin größtenteils schonen konnten. Oder die Franzosen, die Kroatien (ohne den erkrankten Anführer Domagoj Duvnjak) mit 34:32. Nikola Karabatic brach bei seiner letzten EM den Rekord des Isländers Gudjon Valur Sigurdsson. Der 39-Jährige ist jetzt mit 289 Treffern alleiniger EM-Rekordtorschütze.
Handball-EM 2024: Österreich überrascht
Für eine Überraschungen hatte Österreich gesorgt. Der kommende Gegner des deutschen Teams am Samstag (20.30 Uhr/ARD/DYN) besiegte die bis dahin verlustpunktfreuen Ungarn mit 30:29. Florian Kehrmann, der als Spieler in den Katakomben der Kölner Arena den WM-Titel 2007 gefeiert hatte, herzte in diesen nun Lukas Hutecek. Der spielt beim Bundesligisten TBV Lemgo Lippe, Kehrmann ist dort sein Trainer.
Auch die Norweger überraschten. Nachdem sich das vermeintliche Topteam schon in der Vorrunde schwergetan hatte, gab es zum Hauptrundenstart eine 32:37-Schmach gegen Portugal. Damit ist das Halbfinale für die punktlosen Skandinavier in weitere Ferne gerückt.
Das deutsche Team spielt nach Österreich am Samstag noch gegen Ungarn (Montag) und Kroatien (Mittwoch/alle 20.30 Uhr). Weiterhin gilt: Verlieren verboten.