Marbella. Das Klubidol hat seine ersten Tage als Co-Trainer von Edin Terzic hinter sich. Der erste Eindruck ist gut, eine Diskussion bleibt aber.
Da gibt es gleich einen Rüffel. „Papa!“, ruft Nuri Sahin quer über den sonnengefluteten Trainingsplatz in Marbella und fordert Antonios Papadopoulos auf: „Hör zu, wenn ich rede.“ Getuschelt wird nicht bei Borussia Dortmund, und abgelenkt sollen die Profis des BVB schließlich auch nicht sein. Der Fokus liegt auf dem Platz, und da gibt es eine Menge zu tun.
Dafür ist Sahin, 35, geholt worden. Gemeinsam mit Sven Bender, 34, beide Meisterspieler im Jahr 2011, ist der ehemalige Mittelfeldregisseur seit Januar neu in Dortmunds Trainerteam. Dort einen Impuls setzen zu müssen, war ein Ergebnis der Halbjahresanalyse der Bosse. Armin Reutershahn, 63, der diesen Job ein Jahr lang ausgeübt hatte, war in den Augen der Fühungsriege dafür nicht geeignet. „Ich glaube, es wird sich einiges ändern“, vermutet Kapitän Emre Can. „Ich halte von beiden sehr viel.“
BVB: Sahin gibt die Anweisungen, Terzic ist Beobachter
Die ersten Trainingseinheiten in Marbella zeigten bereits, wie Sahin und Bender involviert sind. Beide führen wie bei Co-Trainern üblich durch das Programm, Chef Edin Terzic pickt sich einzelne Spieler raus, korrigiert individuell. Der 41-Jährige ist in Marbella vor allem Beobachter.
Auf dem Rasen hörte man fast nur Sahins Stimme – beziehungsweise seine Trillerpfeife. Wie an diesem Freitag. Ein paar Mal pustet er rein, als die Dortmunder ihr Aufbauspiel üben. „Noch mal, noch mal, bis es klappt, bis es klappt“, wiederholt Sahin. „Das muss ohne Gegner klappen.“ Er wechselt problemlos zwischen Deutsch und Englisch hin und her.
BVB: Spieler loben Sahin und Bender
Akribisch legt Sahin wert auf Details, greift immer wieder ein. Läuft etwas gut, lobt er. „Auf dem Platz sind sie lautstark und versuchen, Inhalte ins Training zu bringen. Das tut uns als Team gut“, lobt Salih Özcan. „Abseits des Platzes sind beide ganz locker und versuchen, mit jedem Gespräche zu führen, um ein Gefühl für das Team zu bekommen.“
Fragt man im Klub nach, wird betont, dass man gerade die Rolle Benders, der einen guten Zugang zu den Spielern hat, nicht unterschätzen sollte. Bereits vor einem Jahr hatte man versucht, Bender, von 2009 bis 2017 BVB-Profi, für den Ruhrgebietsverein zu gewinnen. Damals stand der einstige Defensivspezialist noch beim Deutschen Fußball-Bund unter Vertrag.
BVB: Nuri Sahin hat große Ambitionen
Der Name allerdings, der allerdings noch mehr bewegt, ist der Nuri Sahins. Zwei Jahre lang war er beim türkischen Erstligisten Antalyaspor Cheftrainer, obwohl ihm die Lizenz fehlt, um auch offiziell an der Seitenlinie stehen zu dürfen. Dass Sahin bereits große Erfahrung besitzt und in Jürgen Klopp, Thomas Tuchel und Jose Mourinho selbst Trainer der Extraklasse hatte, ist an seinem routinierten, selbstbewussten Auftreten in Spanien zu erkennen. Und dass der ehemalige türkische Nationalspieler Vereinsidol beim BVB ist und für Real Madrid und den FC Liverpool die Schuhe schnürte, schindet beim aktuellen Dortmunder Kader ganz offensichtlich Eindruck.
Die Frage, wie Sahins Tätigkeit in der Türkei im internationalen Vergleich zu bewerten ist, ist schwierig zu beantworten. Dass der Trainerstuhl in der Türkei noch ein wenig heißer glüht als in Deutschland und die Tatsache, dass Antalyaspor Sahin nur äußerst ungern ziehen lassen wollte, spricht aber für ein großes Talent. Viele Dortmunder Fans setzt der Gedanke an Sahin in einer führenden Rolle beim BVB in Verzückung.
BVB: Eine pikante Diskussion wird bleiben
Sahin selbst hat freilich Cheftrainer-Ambitionen. Von der Entscheider-Position in die Rolle des Assistenten zu rücken, wirkt auf den ersten Blick wie ein Rückschritt. Dabei weiß Sahin genau, was er kann – allerdings auch, was nicht. Der gebürtige Lüdenscheider möchte lernen beim BVB, seine Lizenz einholen. Seine Perspektive beim BVB über den Sommer hinaus, so beteuern es die Verantwortlichen, habe bei den Verhandlungen keine Rolle gespielt.
Natürlich aber wird es Gedankenspiele geben, sollten die Dortmunder weiter in der Liga nicht überzeugen. Längst ist bekannt, dass der angeschlagene Cheftrainer Terzic in der Kabine nicht mehr von allen die volle Rückendeckung hat.
In Person des höchst ehrgeizigen Nuri Sahin hat Dortmund wieder einen Schattentrainer, wie Terzic als Technischer Direktor selbst in der Saison 2021/2022 einer von Marco Rose gewesen ist. Andererseits: In der Konstellation ohne Sahin und Bender hätte es beim BVB nicht weitergehen können.
Das finale Wort allerdings hat erstmal noch Edin Terzic.