Newcastle. Saudi-Arabien hat Dortmunds Champions-League-Gegner aufgepäppelt. Viele Fans des englischen Klubs freut das trotz der Menschrechtsverstöße.
Die bronzene Statue von Alan Shearer, der Vereinslegende von Newcastle United, steht in einer Pfütze. Denn natürlich hat es hier, im Norden Englands, am Dienstag geregnet. Hinter dem Monument für den ehemaligen Stürmer bauen sich die von außen grauen Tribünen des St. James’ Park auf, 52.305 Fans bieten sie Platz. An den Bäumen neben dem Stadion klammern sich die Blätter mit letzter Herbstkraft, der rot verklinkerte Pub The Strawberry wirbt mit seiner Bierauswahl, in einer Seitenstraße wurden überfüllte Mülltonnen abgestellt.
Nur zehn Minuten zu Fuß braucht man von der Spielstätte des englischen Erstligisten ins Zentrum der 300.000-Einwohner-Stadt. Würde hier eine Herde Kamele entlangschlendern, es käme zu einem Menschenauflauf angesichts dieser Sensation. Denn alles hier hat wirklich nichts gemeinsam mit der staubtrockenen Landschaft in Saudi-Arabien; 33 Grad vermelden die Wetterstationen gerade für Riad, der Hauptstadt des Königsreichs auf der Arabischen Halbinsel. Dort ein Regenschirm-Geschäft zu eröffnen, wäre in etwa so erfolgversprechend, wie mit einer Kegeltruppe in der Champions League anzutreten.
Newcastle United lieferte ein Spektakel gegen PSG
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Doch seit 2021 gehören beide Welten zusammen, damals kaufte der saudi-arabische Staatsfonds Public Investment Fund 80 Prozent der Anteile des Traditionsvereins. Seitdem hat sich der Klub aus dem trüben Tabellenkeller der englischen Premier League herausgearbeitet, ist zu einer großen Nummer geworden. Plötzlich erklingt im St. James’ Park die Champions-League-Hymne, das erste Heimspiel gegen Paris Saint-Germain wurde durch einen 4:1-Erfolg zu einem Spektakel. Heute (21 Uhr/DAZN) kann Newcastle mit einem Sieg über Borussia Dortmund einen Schritt in Richtung Achtelfinale machen
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Klingt für die einen märchenhaft, für die anderen tut sich ein grauenhafter Abgrund auf. Denn Newcastle United gehört faktisch Saudi-Arabien, der Public Investment Fund ist der Staatsfond des Landes, kontrolliert wird er vom Herrscher und Kronprinzen Mohammed bin Salman. Ihm werden Menschenrechtsverstöße vorgeworfen. So frei und unverschleiert, wie viele Studentinnen am Dienstag an Uniteds Stadion vorbei in Richtung der benachbarten Universität gehen, könnten sie in Riad nicht entlanglaufen. Nun aber versucht sich das Königreich im Sportswashing.
Saudi-Arabien auf den Sportswashing-Spuren von Katar und Abu Dhabi
Davon werde gesprochen, wenn ein Land das Ziel habe, „den Sport, der typischerweise sehr positiv aufgeladen ist, zu nutzen, um ein eigenes zweifelhaftes Image reinzuwaschen“, sagt Professor Sebastian Uhrich vom Institut für Sportökonomie und Sportmanagement der Sporthochschule Köln. Dies könne funktionieren, die Werbewirkungsforschung zeigt, dass sich im Unterbewusstsein Meinungen langsam ins Positive verschieben lassen.
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Katar versucht ähnliches bereits seit Jahren mit Paris Saint-Germain. Englands Triple-Gewinner Manchester City wird durch Scheich Mansour aus Abu-Dhabi finanziert. Jetzt mischt Saudi-Arabien im europäischen Fußball mit. Allerdings sei der Kreis der Länder, die für solch ein Investment infrage kommen, überschaubar, meint Sebastian Uhrich. „Es müssen Länder sein, die es nötig haben und gleichzeitig über die nötigen Ressourcen verfügen.“
Ex-Nationalspieler Hamann schwärmt von "vielleicht bester Stimmung in England"
Wie immer lässt sich dabei ein Gesamtbild nicht einfach in Gut und Böse unterteilen. Viele Fans im Norden Englands, darunter Sturmlegende Shearer, jubelten angesichts des Investments nach Jahren als Fahrstuhlmannschaft. Knapp 470 Millionen Euro wurden seit der Übernahme investiert. Anders als etwa PSG wurde nicht einfach wahllos ins oberste Regal gegriffen, sondern etwa Alexander Isak verpflichtet, der als großes Sturmtalent in Dortmund einst gescheitert war. Immer noch gehören zur Mannschaft die aus Region stammenden Fanlieblinge Dan Burn und Sean Longstaff. Trainer Eddie Howe gilt als Spieler-Entwickler.
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Deutsche Fußspuren gibt es in Newcastle wenige. Der frühere Nationalspieler Dietmar Hamann jedoch hat das Trikot ein Jahr lang von 1998 bis 1999 getragen, damals schien ein Investment von Saudi-Arabien noch weit weg. Der Sky-Experte beschreibt die Stadt als fußballverrückt, das Stadion sei von der Stimmung her das „vielleicht beste in England“. Dortmund werde sich umschauen, „sie sind vieles gewohnt, aber in Newcastle wird richtig die Post abgehen“, sagt der 50-Jährige. „Es wird ein Erlebnis.“