Das Flick-Aus: So lief der erste Trainer-Rauswurf des DFB
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Wolfsburg. . Hansi Flick wollte als Bundestrainer weitermachen, aber er darf nicht. Der DFB möchte schon bald einen Nachfolger präsentieren.
Am Sonntagvormittag gab sich Hansi Flick noch kämpferisch. „Ich fighte weiter!“, rief der 58-Jährige einigen, vor allem jungen Fans zu, die ins Wolfsburger AOK-Stadion gekommen waren, um die schon lange geplante öffentliche Trainingseinheit der deutschen Fußball-Nationalmannschaft anzuschauen.
Und so lächelte Flick zunächst noch für einen kurzen Moment seine Sorgen beiseite. Ihm dürfte zu diesem Zeitpunkt bereits klar gewesen sein, dass er seinen Job als Bundestrainer im Laufe des Tages verlieren würde. Um 16.26 Uhr vermeldete der Verband schließlich das Aus des gebürtigen Heidelbergers. Gemeinsam mit Flick wurden auch seine Assistenten Marcus Sorg (57) und Danny Röhl (34) freigestellt.
„Die Gremien waren sich einig, dass die A-Nationalmannschaft der Männer nach den zuletzt enttäuschenden Ergebnissen einen neuen Impuls benötigt“, ließ sich DFB-Präsident Bernd Neuendorf (62) zitieren. Man benötige mit Blick auf die EM im eigenen Land „eine Aufbruchstimmung und Zuversicht“. Für Neuendorf persönlich sei „es eine der schwierigsten Entscheidungen in meiner bisherigen Amtszeit. Denn ich schätze Hansi Flick und seine Co-Trainer als Fußballexperten und Menschen. Der sportliche Erfolg hat für den DFB aber oberste Priorität. Daher war die Entscheidung unumgänglich“.
Bevor der DFB die Zukunft plant, greift er allerdings noch einmal auf seine überaus erfolgreiche Vergangenheit zurück. Beim Länderspiel am kommenden Dienstag in Dortmund (21 Uhr/ARD) wird 1990er-Weltmeister Rudi Völler die Mannschaft betreuen. Der Sportdirektor, 63, war bereits zwischen 2000 und 2004 Teamchef der DFB-Elf. Unter seiner Leitung wurde sie 2002 Vize-Weltmeister. Nach dem Vorrunden-Aus bei der EM 2004 bot Völler seinen Rücktritt an. Assistieren werden ihm bei dieser einmaligen Angelegenheit gegen die hochkarätige französische Auswahl DFB-Nachwuchsdirektor Hannes Wolf, 42, und U-20-Trainer Sandro Wagner (35).
Nach dem Frankreich-Spiel will der Verband einen Nachfolger für Flick präsentieren, der das Team zur EM führt. Bis zur Reise in die USA am 9. Oktober muss dieser allerspätestens gefunden sein. Top-Kandidat soll dabei Julian Nagelsmann (36) sein, den der jeden Euro umdrehende DFB allerdings noch aus seinem hochdotierten Vertrag bei Bayern München herauskaufen müsste.
Hansi Flick - der zweitschlechteste Bundestrainer der DFB-Geschichte
Flick habe sich „aufgerieben in den zurückliegenden Monaten“, sagte Völler. Doch die Blamage gegen Japan habe „uns klar gezeigt, dass wir in dieser Konstellation nicht mehr weiterkommen“. Tags zuvor hatte Völler, anders als nach den schwachen Auftritten gegen die Ukraine (3:3), in Polen (0:1) und gegen Kolumbien (0:2), ein klares Bekenntnis zu Flick vermieden.
Rund zwölf Stunden später, als Flick seine letzte Einheit als Bundestrainer leitete, schlossen sich die Bosse um Präsident Neuendorf und seinen Vize Hans-Joachim Watzke (64) kurz. Am späten Nachmittag präsentierten sie ihren Vorschlag, sich von Flick zu trennen, Gesellschafterversammlung und Aufsichtsrat der DFB GmbH und Co. KG, die formal zustimmen mussten – und das recht schnell taten. Eine Dreiviertelstunde später meldete der DFB Vollzug.
Flick verabschiedet sich nach 770 Tagen als statistisch zweitschlechtester Bundestrainer der DFB-Geschichte. Nur Erich Ribbeck (1,5 Punkte pro Spiel) hatte eine miesere Bilanz als Flick (1,72). Auf Platz eins steht in dieser Liste überraschend Berti Vogts (2,18). Völler (1,89) ist Siebter.
Die deutschen Bundestrainer seit 1926
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Am späten Samstagabend standen Völler in der Mixed-Zone der Wolfsburger Volkswagen-Arena bereits die Schweißtropfen auf der Stirn. Sein schwarzes Hemd hätte er auswringen können, so nass war es. „Wir stehen alle unter Schock“, gestand Völler.
Hansi Flick - Urlaub kann er dringend gebrauchen
Zu erschreckend war in Wolfsburg zu beobachten, wie der aktuell vermeintlichen Topelf mit Ausnahme der verletzten Niclas Füllkrug und Jamal Musiala gegen den WM-Achtelfinalisten Japan mit dem Brennglas vor Augen geführt wurde, dass Deutschland von einer Topnation derzeit weit entfernt ist.
Hansi Flick wird diese Diskussionen um seine Nachfolge nun aus der Ferne verfolgen. Seine Zeit auf der großen Bühne ist vorerst vorbei. Wer ihn in den vergangenen Monaten erlebt hat, der darf annehmen, dass ihm ein langer Urlaub ganz guttun wird.
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