Friedrich Merz muss offen sein für alle demokratischen Parteien

Friedrich Merz hat sein großes Ziel erreicht. Auch wenn das Ergebnis der CDU einige Wünsche offen lässt - der Sauerländer wird Bundeskanzler. Ganz unabhängig von persönlichen Parteipräferenzen ist das auch eine gute Nachricht für unsere Region. Die Aufgabe, die auf den neuen Kanzler zukommt, könnte allerdings kaum größer sein.

Die von Olaf Scholz 2022 nach dem Überfall Russlands auf die Ukraine ausgerufene „Zeitenwende“ war ein großes Wort, tatsächlich aber nur ein Vorgeschmack auf das, was die künftige Bundesregierung erwartet. Im Jahr 2025 hängt so viel wie noch nie zuvor von einem Kanzler ab, der nicht nur über Führung redet, sondern sie übernimmt - in Deutschland und in Europa. Unser Land braucht schnell eine handlungsfähige Regierung. Es gilt, keinen einzigen Tag zu verlieren. Und man kann sich nur wünschen, dass die möglichen Koalitionspartner diese Aufgabe meistern.

Vernichtendes Ergebnis für die SPD

Der Ton muss dafür ein gänzlich anderer als im heftigen Wahlkampf werden. Vernichtend ist das Ergebnis für die SPD. Sie erlebte mit Olaf Scholz gleichsam eine Art Kernschmelze und wird sich neu erfinden müssen.

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Aufs Höchste beunruhigend ist der große Erfolg der in Teilen rechtsextremen AfD. Von der Arbeit der neuen Regierung hängt ab, ob unzufriedene Wähler wieder zurückgewonnen werden können.

US-Präsident Trump zerschlägt die Nachkriegsordnung

Die Probleme sind riesig. Der neue US-Präsident Donald Trump hat damit begonnen, die 80 Jahre währende Nachkriegsordnung zu zerschlagen. Mit geradezu rührender Naivität schienen die Regierungen in Deutschland und Europa darauf zu hoffen, dass es schon nicht so schlimm kommen werde.

Wie schlimm es kommen kann, hat Merz nach dem Auftritt von US-Vizepräsident JD Vance auf der Münchener Sicherheitskonferenz ausgesprochen, der dort nicht nur den Kampf der Europäer gegen Desinformation als Einschränkung der Meinungsfreiheit geißelte. Man könne sich nicht mehr darauf verlassen, dass sich die USA im Verteidigungsbündnis Nato an die Beistandsverpflichtung gebunden fühlen, sagte Merz. Bei dieser Vorstellung läuft es einem kalt den Rücken hinunter.

Deutschland in einer echten Wirtschaftskrise

Die ökonomische Kompetenz von Merz ist nach vielen Berufsjahren in der Wirtschaft gefragt. Deutschland befindet sich in einer echten Wirtschaftskrise. Die Menschen machen sich Sorgen. Mindestens ebenso wichtig aber ist sein großes Interesse für die Außenpolitik, das sich aus der Zeit im EU-Parlament sowie aus der langjährigen Tätigkeit als Vorsitzender der Atlantikbrücke speist.

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Denn für Europa ist nicht weniger als die Stunde der Wahrheit gekommen. Ohne eine deutsche Führungsrolle geht es nicht. Das gilt für eine leistungsfähige Verteidigungsindustrie ebenso wie für den Umgang mit dem ungarischen Ministerpräsidenten und Putin-Sympathiesanten Viktor Orban. In Europa liegt auch der Schlüssel zu dem im Wahlkampf heftig strapazierten Thema Migration und der sträflich vernachlässigten Klimapolitik. Lösungen entstehen nur in der Zusammenarbeit.

Schnelle Regierungsbildung notwendig

Das muss nun die Devise für die kommenden Wochen sein. Um das Vertrauen der Menschen zurückzugewinnen, braucht es angesichts der dramatischen Umstände eine schnelle Regierungsbildung. Friedrich Merz sollte sich dabei übrigens nicht vom bayerischen Ministerpräsidenten Markus Söder (CSU) und dessen Aversion gegen die Grünen treiben lassen.

Denn am Ende wird es darum gehen, alte Muster zu verlassen und sich aus der etablierten Lagerbildung zu verabschieden. Sonst wird die AfD in vier Jahren noch stärker sein.